Hausärztemangel im Kreis Höxter: Marienmünster baut, Höxter diskutiert

Marienmünster/Höxter. Alle Hausarztpraxen im Stadtgebiet Marienmünster drohten in absehbarer Zeit zu schließen – es war ein klarer Rat, den die Kassenärztliche Vereinigung deshalb für Marienmünster parat hatte: Das Stadtgebiet müsse für Mediziner schlichtweg attraktiver werden. Klingt einfach – ist es aber nicht. Bis 2030 werden in Deutschland wohl 50.000 Ärzte fehlen – wie lockt man die Fachkräfte da gerade nach Marienmünster? Die kleine Kommune fasste allen (finanziellen) Mut zusammen und zeigte, dass sie den Kniff raushat: Um den Verlust der letzten Hausarztpraxis in Vörden zu verhindern, gründete die Stadt als erste Kommune im Kreis Höxter ein kommunales medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Und siehe da: Das aktuelle Praxisgebäude platzt bereits aus allen Nähten, denn sowohl Mediziner als auch Patienten rennen dort quasi die Bude ein. Das MVZ hat für die Ärzte einen großen Vorteil: Sie können sich dort von der Bürokratie, der sie im Falle einer eigenen Praxis gerecht werden müssten, befreien und sich ganz ihrer ärztlichen Tätigkeit zuwenden, haben feste Arbeitszeiten – und werden von der Stadt bezahlt. Hintergrund: Warum sich Ärzte plötzlich für das MVZ in Marienmünster entscheiden Mehr als nur Steine in Marienmünster Damit das Versorgungsspektrum in Vörden nun weiter wachsen kann, entsteht in den kommenden zwölf Monaten ein neues, größeres Ärztehaus, für das jüngst am Dienstag der Spatenstich erfolgte. Offiziell. Denn schon seit knapp zwei Wochen rollen auf dem ehemaligen Vördener Wanderparkplatz dafür die Bagger – und jetzt geht’s richtig los. Denn zum offiziellen Baubeginn hatte nicht nur das Bauunternehmen den passenden Spaten im Gepäck, sondern auch der Architekt einen wahrlich straffen Zeitplan: &bdquo;In der nächsten Woche wird wohl schon der erste Beton fließen“, so Matthias Austermann. Eröffnung in einem Jahr geplant Und weiter: &bdquo;Ende dieses Oktobers soll der Rohbau fertiggestellt sein und bis Weihnachten eine ’Notabdeckung’ drauf, damit das Gebäude trocknen kann“, so der Architekt. Im Juli des nächsten Jahres soll der Innenausbau dann geschafft sein und zu Beginn des Augusts die Möbel sowie die EDV-Technik hinein – die Eröffnung des neuen MVZ-Gebäudes ist schließlich fürs Ende des Hochsommermonats angepeilt. &bdquo;Also schon in ziemlich genau einem Jahr – das wäre perfekt“, zeigte sich MVZ-Geschäftsführerin Gabriele Dostal voller Vorfreude. Aktuell sind vier Mediziner in Vörden tätig, und im Oktober wird eine weitere, junge Ärztin dazustoßen, die sich wegen des modernen MVZ-Formats auf Marienmünster eingelassen und sogar schon jüngst ihr Eigenheim dort gebaut hat. Perspektivisch soll sie auch die Patienten von Olga Krahn übernehmen, denn die erfahrene Allgemeinmedizinerin wird sich im Laufe der nächsten Jahren in den Ruhestand verabschieden. Verlässliche ärztliche Versorgung für Marienmünster &bdquo;Insgesamt wird das neue Gebäude Behandlungs- und Diagnostikräume für fünf bis sechs Ärzte bereithalten“, so Austermann. Und entgegen erster Planungen wird nun auch eine PV-Anlage auf das Dach des rund 2,6 Millionen Euro teuren MVZ-Projekts kommen: &bdquo;Ein Fachplaner hat errechnet, dass es sich lohnen wird – da hatte ich wegen des großen Baumbestandes drumherum zunächst größere Bedenken“, so der Architekt. &bdquo;Dieses Ärztehaus wird weit mehr sein als nur Steine und Mauern – es bringt Zuversicht für das Leben in Marienmünster, für eine verlässliche wohnortnahe ärztliche Versorgung“, betonte Bürgermeister Josef Suermann. Die kleinste Kommune des Kreises Höxter sei damit bestens gewappnet in einer &bdquo;extrem spannenden Phase des Strukturwandels in der Praxislandschaft Deutschlands“, ergänzte Dostal. Das bisherige MVZ-Gebäude, die ehemalige Praxis von Hausarzt Tobias Lunemann im Windmühlenweg, wird übrigens nicht lange leer stehen: &bdquo;Es haben sich schon Nachmieter gefunden“, verkündete Suermann mit Blick auf eine Osteopathin sowie eine Ergotherapeutin, &bdquo;so dass wir hier in Vörden bald eine richtige ’Gesundheitsecke’ haben“. Politische Beratungen in Höxter Während Marienmünster also schon baut, wird in Höxter noch diskutiert. Beide Kommunen bilden einen gemeinsamen Versorgungsbereich bei den Hausärzten. Im sogenannten Mittelbereich Höxter/Marienmünster liegt die Versorgungsquote nach einer Berechnung der Kassenärztlichen Vereinigung jetzt schon nur bei 85 Prozent und soll bis 2033 auf 61,9 Prozent sinken – und das ist noch schön gerechnet, denn die Planer gehen dabei davon aus, das 20 Prozent der Hausärzte zwischen 68 und 70 Jahren dann immer noch praktizieren. Der Hausärztemangel bereitet den Menschen in Höxter zudem die größten Sorgen, wie der NW-Ortscheck im Juni ergab. In der Juli-Ratssitzung hatte der Höxteraner Stadtrat bereits grundsätzlich die Richtung zur Gründung eines kommunalen medizinischen Versorgungszentrums vorgegeben. Zuvor hatte ein Arbeitskreis bereits ein Jahr lang alle Möglichkeiten zur Stärkung der Hausarztversorgung abgeklopft. &bdquo;Es fanden Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, allen Hausärzten im Stadtgebiet, der Katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE), der Asklepios Weserbergland-Klinik sowie mit der Stadt Marienmünster statt, die kürzlich ein kommunales MVZ gegründet hat. Die gewonnenen Erkenntnisse zeigten, dass eine private MVZ-Gründung zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisierbar ist“, erklärt Bürgermeister Daniel Hartmann in der Sitzungsvorlage für die nächste Ratssitzung am kommenden Donnerstag, 28. August. Lesen Sie auch: Ideen der Politik zum Hausärztemangel in Höxter Tagespunkt in der Ratssitzung Dort wird Gabriele Drostal von der Beratungsfirma, die schon Marienmünster begleitet hat, den Ratsmitgliedern Rede und Antwort zu den Plänen in Höxter stehen und die weiteren Schritte erläutern. Die Sitzung beginnt um 18.30 Uhr im Historischen Rathaus. Zuhörer sind willkommen. Vor allem die CDU ist mit dem aktuell eingeschlagenen Weg nicht einverstanden, wie CDU-Fraktionschef Günter Ludwig in der vergangenen Sitzung klar gemacht hatte: Die Christdemokraten sehen demnach keinen so großen Zeitdruck und befürworten weiter eine private Initiative von Ärzten für ein MVZ. Sie fürchten zudem hohe Kosten für die finanziell angeschlagene Stadt. Allein für das Stammkapital der zu gründenden GmbH muss Höxter 150.000 Euro bereitstellen.

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