Kann Geld die Windkraft-Wut im Kreis Höxter lindern?

Marienmünster/Kreis Höxter. Jetzt im Frühjahr hört man ihn wieder: Den Specht, der die Rinde der Bäume abklopft, um an Nahrung zu kommen. Und ebenfalls jetzt im Frühjahr beginnen die Überlegungen in Marienmünster, wie man am besten bei Projektierern anklopft, um an Geld zu kommen. &bdquo;Man sollte ruhig frühzeitig gegenseitig abklopfen, wie die Interessenslage ist“, rät Bürgerenergie-Experte Mirco Sieg. Dafür braucht es allerdings eine Voraussetzung: und zwar den Konsens der Marienmünsteraner Bürger. Letzterer ist gar nicht so leicht zu finden – denn das Thema Windkraft ist durchaus ein expressives. Eigentlich hat man in der kleinsten Kommune des Kreises Höxter noch reichlich Zeit, um die forcierte Bürgerbeteiligung an der Windkraft zu diskutieren und vorzubereiten: Es gibt momentan noch gar keine einzige Anlage im Stadtgebiet, die nach dem noch recht neuen Bürgerenergie-Gesetz zu bewerten ist, wie Bauamtsleiter Stefan Niemann sagt. Doch einige Gemüter kochen in diesen Tagen schon hoch – das Gefühl der Umzingelung durch Windenergieanlagen ist beispielsweise in Bredenborn längst nicht mehr neu. Schon oft ist es von den Bürgern dort formuliert worden. Mal sachlich, mal höchst emotional. Politik ist um breite Akzeptanz bemüht Um eine möglichst breite Akzeptanz der Windkraft ist man derzeit in der Verwaltung und in den lokalpolitischen Gremien bemüht. Nach dem Prinzip: &bdquo;Die Bürger sollen bei jedem Flügelschlag die Gewissheit haben, dass sie daran mitverdienen“, so Bürgermeister Josef Suermann schon im Zuge der Haushaltsberatungen. Nur so könne man es überhaupt ertragen, dass Marienmünster noch so viele Windräder und damit eine so markante Veränderung des Landschaftsbildes erhalte. In der jüngsten Vergangenheit hat man in der Kommune harte Windkraft-Urteile einstecken müssen (die &bdquo;NW“ berichtete). Nun soll wenigstens Geld als Entschädigung her. Mehr zum Thema: Weitere Windkraft-Niederlage vor Gericht für Marienmünster Das Vorgehen dabei möchte man nun &bdquo;ganz entspannt, harmonisch, ohne Kommunalwahl-Drang angehen“, wie es die Grünen-Lokalpolitikerin Jutta Fritzsche in der jüngsten Stadtratssitzung formulierte. Als &bdquo;rechtzeitig und ohne Druck“, beschrieb auch Josef Wolff (UWG) den jetzigen Zeitpunkt, um sich mit dem Thema genauer auseinanderzusetzen. Denn: &bdquo;Unter Druck kommt bei derlei Überlegungen dann meist nichts Gescheites heraus“. Anlagen im Bau sind noch nach altem Gesetz genehmigt Und ja, reichlich Zeit scheint noch da: &bdquo;Auch alle Anlagen, die derzeit im Bau sind, sowie die zehn Windenergieanlagen der Firma LSF werden allesamt noch nicht über das Bürgerenergie-Gesetz abgewickelt“, so Marienmünsters Bauamtsleiter. Eine Info, die sowohl von den Ratsmitgliedern als auch von den rund 35 Gästen im Saal erst einmal verdaut werden musste. Greifen könnte das neue Gesetz in Marienmünster dann erstmals bei den sieben jüngst eingeklagten Anlagen: Drei am Modellflugplatz sowie vier im Bereich Kollerbeck/Papenhöfen. Klar, das ist noch lange hin, aber Klimanetzwerkerin Petra Schepsmeier von &bdquo;Energy 4 Climate“ warb in der Sitzung schon mal für die Vorzüge des Bürgerenergie-Gesetzes: &bdquo;Es ist eine richtig hilfreiche Regelung, um Druck vom Kessel zu nehmen“. Denn in der Welt der Windenergie war die finanzielle Beteiligung der Bürger lange Zeit eine rein freiwillige Sache – nun aber müssen die Kommunen und die Menschen vor Ort am Gewinn der Energieanlagen beteiligt werden. Beteiligungsberechtigt sind dabei stets alle Kommunen im Umkreis von 2,5 Kilometern, wobei am Verhandlungstisch selbst nur die Standortkommune und der Vorhabenträger sitzen. Nach den Gesetzesschaffern sähe ein idealer Prozess dann so aus: Binnen zwölf Monaten wird am Verhandlungstisch ein gemeinsames, zur Region passendes Beteiligungskonzept entwickelt. Mehr zum Thema: Städte im Kreis Höxter schlagen Alarm: Windkraftausbau völlig unkontrolliert Ohne Einigung greift die Ersatzbeteiligung Sollten Kommune und Vorhabenträger aber keine Einigung erzielen, so greift die Ersatzbeteiligung. Sie soll ein &bdquo;faires Mittelmaß“ darstellen, beispielsweise in Form einer jährlichen Zahlung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die beteiligungsberechtigten Kommunen über 20 Jahre. Sollte der Vorhabenträger der Pflicht der Ersatzbeteiligung nicht nachkommen, wird es für ihn teuer: Denn dann kann die zuständige Behörde, mit Blick auf den Kreis Höxter die Bezirksregierung Arnsberg, eine deutlich höhere Ausgleichsabgabe festlegen. Bei den Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung gibt es drei grundsätzliche Richtungen: eine unternehmerische Beteiligung der Bürger (beispielsweise durch das Engagement in einer Genossenschaft), eine Beteiligung über Anlageprodukte wie Nachrangdarlehen oder Crowdinvesting, oder eine indirekte finanzielle Beteiligung, bei der die Bürger im Gegensatz zu den ersten beiden Optionen kein Eigenkapital einsetzen. &bdquo;Bei Letzterem ist es mehr die Idee, das man einfach vom Unternehmensgewinn etwas abzweigt und es an die Region verteilt, beispielsweise durch direkte Zahlungen an die Bürger oder gemeinnützige Stiftungen“, so Sieg von &bdquo;Energy 4 Climate“, einer Tochtergesellschaft des Landes NRW. Der Fachmann sagt weiter: &bdquo;Ein für Marienmünster passgenaues Konzept kann auch durch das Kombinieren mehrerer Optionen erstellt werden“. Klar scheint in der Kommune: Wer viele Anlagen im Ortsgebiet weiß, soll gut berücksichtigt werden. Lesen Sie auch: Ort im Kreis Höxter bekommt fast eine Million aus Windkraft Große Anlagen und großer Frust in Bredenborn In Bredenborn hat man sich den Gerichtsurteilen pro Windkraft inzwischen ergeben müssen: &bdquo;Wie die Karte im Geodatenportal des Kreises Höxter zeigt, wird unser Ort in ein paar Jahren von Windrädern umzingelt sein“, so Einwohner Christoph Wellbrink. Neben den großen Anlagen ist in der Ortschaft so zuletzt bei einigen Leuten auch großer Frust entstanden. Eine &bdquo;Bürgerstiftung Bredenborn“, für die Wellbrink zusammen mit seinem Bruder Markus wirbt (die &bdquo;NW“ berichtete), soll die Wut über die Vielzahl an Anlagen in Bredenborns Nahbereich künftig etwas lindern: Man möchte das gesetzliche Recht auf finanzielle Entschädigung einfordern und das Geld über eben diese angedachte Stiftung &bdquo;bestmöglich allen Vereinen in Bredenborn für gemeinnützige Zwecke nachhaltig zur Verfügung stellen“. In der Stadtratssitzung war bei den Wellbrinks aber die Angst herauszuhören, dass man sich in Marienmünster bei den Vorbereitungen auf die gewünschte finanzielle Beteiligung nun erst einmal verzetteln könnte, keine akzeptanzschaffenden Maßnahmen hinbekommt. &bdquo;Wenn wir bis September keine zufriedenstellende Lösung haben, werden die Wahlergebnisse sicherlich nicht schön – davon bin ich überzeugt“, so Markus Wellbrink im durchaus scharfen Tonfall. Und weiter: &bdquo;Die Wut im Kreis Höxter ist wirklich richtig riesig“. Weil es jedoch auch andere sehr interessante Beteiligungsmöglichkeiten als die von den Wellbrinks &bdquo;eingesammelten Stimmen für eine Bredenborner Bürgerstiftung“ gibt, wie es Suermann formulierte, soll nun eine Arbeitsgruppe loslegen und in Ruhe schauen, wie man in Marienmünster dann in die Verhandlungen starten möchte, um möglichst intelligent und sinnvoll Geld zu akquirieren. Verhandlungsgeschick ist wohl zukünftig gefragt Denkbar ist dabei auch eine Bürgerstiftung für die ganze Stadt. Alles soll &bdquo;den örtlichen Gegebenheiten natürlich bestmöglich Rechnung tragen“, so Sieg. Im Blick müsse man dabei aber auch immer haben, dass die Wünsche der Einwohner nicht unbedingt erfüllt werden können – denn ist der Vorhabenträger nicht einverstanden, kann er ja auf den Weg der Ersatzbeteiligung ausweichen. Es braucht also Verhandlungsgeschick – und das heißt wohl auch reichlich Diskussionspotenzial für Marienmünsters kommende Monate. Wer übrigens mal schauen möchte, was die Nachbarn in Sachen Windkraft so treiben, kann dies auf der Plattform des nordrhein-westfälischen Landesamts für Natur, Umwelt und Klima (LANUK) tun, unter www.transparenzplattform.nrw.de. Dort sind alle neuen Windenergie-Projekte und die jeweils gewählte Beteiligungsoption eingetragen.

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