Schulleiter im Kreis Höxter kritisiert Lernkultur

Kreis Höxter. Es sind mehr als nur ein paar Zahlen: Halbjahreszeugnisse. Eine gute Möglichkeit für Kinder und Eltern zu erfahren, wie es eigentlich um die schulischen Leistungen steht. Das Problem beginnt, wenn die Noten nicht den Erwartungen entsprechen. Schnell rückt dann die Nachhilfe in den Fokus, um die Leistungen zu pushen. Doch das Geld könnten sich die Eltern – zumindest im Grundschulalter – meistens sparen, meint Schulleiter Nicolay Loges, der ein grundsätzliches Problem sieht. Der wichtigste Punkt, über den Eltern nachdenken sollten: Ist ihre Erwartungshaltung an Tochter oder Sohn überhaupt richtig – oder überfordern sie vielleicht ihr Kind? Gut zu beobachten sei das, wenn es um die Frage geht, ob der Nachwuchs aufs Gymnasium gehen soll, aber die Noten noch nicht so ganz passen. Dann setzen Eltern gern alle Hebel in Bewegung, damit am Ende die Zahlen auf dem Papier stimmen. &bdquo;Was nützt die Nachhilfe, mit der man dann etwas die Noten nach oben drückt, sich das Kind aber dann die ganze Schulzeit auf dem Gymnasium quält?“, fragt Loges rhetorisch. Der Schulleiter zählt viele Argumente auf, warum Eltern besonders im Grundschulalter vorsichtig an das Thema Nachhilfe herangehen sollten. Denn eigentlich ist dies Sache der Schule. Wenn alles richtig läuft, erkennen die Lehrer die Defizite der einzelnen Schüler und gehen mit den Aufgaben entsprechend darauf ein. An fast allen Schulen, auch seiner Grundschule in Vörden, gibt es dazu spezielle Förderangebote. &bdquo;Dafür haben wir individuelle Förderpläne, die wir den Eltern auch vorstellen“, erläutert Loges. Dann bekommen die Mütter und Väter ganz konkrete Aufgaben, die sie mit ihren Kindern üben können. Positive Effekte Was Nicolay Loges freut und ihm auch wichtig ist: Wenn sich Eltern die Zeit nehmen und mit den Kindern gemeinsam lernen, erübrigt sich mitunter der Weg zum Nachhilfeinstitut. Positiver Nebeneffekt: Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, einen besseren Einblick in das Lernverhalten des eigenen Kindes zu bekommen. Gleiches gilt für Hausaufgaben, die aus Sicht des Pädagogen vor allem im Grundschulalter nicht zu umfangreich sein sollten und im besten Fall auf den persönlichen Übungsbedarf abgestimmt sind. &bdquo;Ich bin kein Freund davon, dass schon im Grundschulalter der Nachmittag der Kinder mit Schule vollgepackt ist.“ Natürlich weiß auch der Schulleiter, dass in vielen Familien beide Elternteile voll berufstätig sind und oft auch sein müssen. Wenn Nachhilfe abgestimmt an den in der Schule erkannten Defiziten ansetzt oder Hausaufgaben betreut, könne sie natürlich auch sinnvoll sein. Loges Rat an die Eltern: Vorher immer das Gespräch mit den Lehrern suchen und die Schritte gemeinsam besprechen. Systemfragen Das jetzt, mit den Halbjahreszeugnissen wieder schlaglichtartig die Noten in den Fokus geraten, verdeckt aus Sicht des Hohehäuser Pädagogen ein grundsätzliches Strukturproblem im deutschen Schulsystem. &bdquo;Wir müssen uns die Frage stellen, ob unsere Lern- und Prüfungskultur überhaupt noch zeitgemäß ist“, sagt Loges. Die Jagd nach guten Noten führe bisweilen zum Gegenteil dessen, was Schule eigentlich bewirken soll. Er beschreibt das an einem Phänomen, das schon an Grundschulen, besonders aber an weiterführenden Schulen zu beobachten ist: Häufig beginnen die Kinder und Jugendlichen zwei, drei Tage vor einem Test oder einer Prüfung, intensiv den Stoff in sich hinein zu pauken, der möglicherweise abgefragt wird. Nur um ihn dann möglichst schnell wieder zu vergessen, um den Kopf für den nächsten Test frei zu bekommen. Der Sinn von Schule Das sei nicht Sinn von Schule, die eigentlich auf dauerhaftes Lernen und das einüben von Lernfähigkeiten ausgerichtet sei. Und die Noten, die bei solchen Klassenarbeiten und Klausuren herauskommen, sagen wenig über den tatsächlichen langfristigen Lernstand der Kinder aus. Mehr noch: Die aktuelle Lern- und Prüfungskultur begrenze das Potenzial, das viele seiner Lehrerkollegin in den schulischen Alltag einbringen könnten. Da lohne sich beispielsweise ein Blick nach Finnland, wo einiges anders läuft. Die Erkenntnis ist nicht neu. Und es gebe durchaus im Schulministerium Überlegungen und Ansätze für Veränderungen. Doch auch Loges weiß, dass es nicht leicht ist, einem so eingefahrenen System wie der Schule einen neuen Kurs zu geben.

Meistgelesen