Betrugsprozess im Kreis Höxter: Verteidiger überschwemmt Gericht mit Anträgen

Kreis Höxter/Paderborn. Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn hat schon so manchen diffizilen Fall verhandelt. Mit dem bei Verteidigern besonders beliebten Mittel der Beweisanträge ist sie also bestens vertraut. Und so nehmen die Richter unter dem Vorsitz von Anne Zacharias am achten Verhandlungstag im Fall der Marienmünsteraner Eheleute Mario und Michelle T. (Namen geändert), die sich – wie berichtet – dem Vorwurf des vielfachen Betruges stellen müssen – mit ungerührter Miene hin, dass zunächst eine gute Stunde lang Beweisanträge verlesen werden. 14 an der Zahl hat Mario T.s Verteidiger Michael Tusch zum guten Schluss verlesen. Sie haben alle dieselbe Zielrichtung: Das, was die Zeugen bislang dem Gericht über seinen Mandanten erzählt haben, will Tusch mit Hilfe von diversen Dokumenten widerlegt oder zumindest infrage gestellt wissen. Auch die Veranlassung von Schriftgutachten verlangt er, schließlich bekundeten fast alle Zeugen, dass die Unterschrift, die auf dem einen oder anderen Dokument prangt, keinesfalls von eigener Hand stamme. Während Tusch Blatt für Blatt verliest, assistiert ihm Mario T. Er blättert in den Aktenordnern, die er zahlreich an jedem Verhandlungstag ins Gericht transportiert, um die passenden Dokumente hervorzuholen. Der 32-Jährige überreicht höchstselbst dem Gericht und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft jeweils die passende Kopie zum verlesenen Beweisantrag. Die Kinder des Paares malen auf der Anklagebank Dieses Agieren ist in der Verteidigerfront anscheinend nicht unumstritten. Als der Reigen gar nicht abzureißen scheint, meldet sich Luisa Beernink zu Wort, die Michelle T. zur Seite steht. Mit ihr sei diese Menge an Beweisanträgen nicht abgesprochen“, betont die Verteidigerin. Schließlich hat sie bereits mehrfach versucht, eine Beurlaubung ihrer Mandantin zu erreichen – mit Blick auf die beiden Kinder des Paares, deren Betreuung nicht gesichert sei. Allerdings vergebens, die Termine seien schon seit Februar bekannt, so der deutliche Hinweis des Gerichts. Das nimmt dann auch folgerichtig hin, dass gegen 13 Uhr die beiden kleinen Kinder in den Saal gebracht werden und, mit Malzeug bestens ausgestattet, neben ihrer Mutter auf der Anklagebank Platz nehmen. Was bisher geschah: Zeugen im Prozess gegen Mann aus dem Kreis Höxter: &bdquo;Das war alles vorbereitet“ Während dessen schreitet die Vernehmung von Kurt E. voran, jenes Mannes also, der schon bei so einigen Zeugenbefragungen Thema war. Der 30-jährige ehemalige Schauspielschüler erzählt, wie er als junger, überforderter Vater in Kontakt mit Mario T. kam, der ihm einen Ausweg aus der finanziellen Not zu bieten schien. &bdquo;Er hat mir die helfende Hand gereicht. So sah es damals für mich aus“, erinnert sich Kurt E. und erzählt, wie er gegen Zahlung einer Prämie Mobilfunkverträge abschloss, Spenden für den Verein &bdquo;Familienhilfe – Gesellschaft zur Förderung von Menschen in Not“ sammelte und etliche Mitstreiter gewann – unter seinen Kommilitonen und im Freundeskreis. Opfer der Angeklagten schämen sich für &bdquo;Dummheit“ &bdquo;Ich war geblendet davon, dass ich in dem Verein eine Zukunft haben könnte“, sagt der Zeuge und berichtet von Druck und Abhängigkeit, die irgendwann sein Verhältnis zu Mario T. geprägt hätten. Wie ein &bdquo;Leibeigener“ habe er sich gefühlt. Trotz eines unterschriebenen Arbeitsvertrages habe er kein Gehalt bekommen, statt des erwarteten sozialen Aufstiegs sei es zum Abstieg gekommen, Kurt E. musste Privatinsolvenz anmelden. Denn die Mobilfunkbetreiber buchten bei ihm die vertraglich festgelegten Gebühren ab. Niemals habe er das von Mario T. versprochene Schriftstück erhalten, auf dem die Kostenübernahme durch die &bdquo;Familienhilfe“ fixiert sein sollte, sagt Kurt E. Weiteres zum Fall: Höxteraner wegen Betrugs vor Gericht: Ein Meister der Manipulation Ob oder wann er welches Dokument unterschrieben hat, weiß der Zeuge oft nicht mehr. Manchmal kehrt seine Erinnerung zurück, nachdem ihm die Vorsitzende Richterin Anne Zacharias das vorgelesen hat, was er vor gut drei Jahren bei der Polizei ausgesagt hatte. Ebenso wie andere Zeugen berichtet auch er davon, dem Angeklagten Blankounterschriften sowohl auf Papier wie auch digital überlassen zu haben. Wann und wie geht es im Prozess weiter? Kurt E. schildert die wenige Monate währende Zeit mit Mario T. als &bdquo;Hölle“. Am Ende sei er &bdquo;geistig runtergerockt“ gewesen und anschließend zwei Jahre lang in ein &bdquo;Traumaloch gefallen.“ Dass 2020 Covid-19 einen allgemeinen Lockdown mit sich brachte, &bdquo;war für mich nicht schlecht. Ich konnte mich erholen.“ Auch Kurt E. wird gefragt, warum er niemals hinterfragte, was er von Mario T. zu hören bekam. Eine Antwort darauf hat er nicht. Er kann dazu nur einen Satz sagen: &bdquo;Was ich mir selbst vorzuwerfen habe, ist meine Dummheit.“ Die Verhandlung gegen Mario und Michelle T. wird am Dienstag, 23. September, fortgesetzt.

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