Nieheim zieht Podcast über das Kriegsende in der Stadt zurück

Nieheim. Wie umgehen mit der eigenen Geschichte, die nicht immer so verläuft, wie man es im Nachgang gern hätte: Am 25. April erinnerte die Stadt Nieheim am Denkmal des Heiligen Nikolaus, dem Kirchen- und Schutzpatron ihrer Stadt, an das vor 80 Jahren erfolgte Kriegsende, als die Amerikaner die Nazi-Diktatur niedergekämpft hatten. Fortgesetzt wurde das Gedenken mit einem Abend im Käsemuseum am 8. Mai. Jetzt wurde ein von Bürgermeister Johannes Schlütz initiierter Podcast über das Kriegsende in Nieheim auf die städtische Internetseite gestellt und groß angekündigt. Doch schon nach wenigen Stunden wurde er wieder von der Seite und damit aus dem Internet entfernt. Während der Gedenkfeiern hatten Stadtheimatpfleger Ulrich Pieper und Bürgermeister Schlütz von den damaligen Ereignissen berichtet, von denen einige sicherlich besonders erwähnenswert, aber auch kritisch zu hinterfragen waren. Was im Tagebuch einer Nieheimerin vermerkt ist Im Wesentlichen zeichneten Pieper und Schlütz die Erlebnisse der damaligen, mit besonderen Aufgaben betrauten Lehrerin &bdquo;Fräulein Filter“ nach, die nach dem Krieg viele ihrer Tagebuchseiten aus dieser Zeit zur Verfügung gestellt hatte. Unter anderem beschreibt sie darin den Umgang der Menschen in Nieheim miteinander und die bei vielen andauernde Furcht vor den sinnlosen und zerstörenden Kommandos der uneinsichtigen deutschen Kommandeure. Gleichzeitig herrschte die Furcht vor dem Beschuss durch die Amerikaner, deren Angriffe jedoch endeten, sobald auf deutscher Seite die weiße Fahne gehisst wurde. Im Nieheimer Rathaus spielte sich die Kapitulation wohl so ab, dass Krankenpflegerinnen weiße Verbandstücher an einen Besen banden und der seit 1933 amtierende Bürgermeister sie damit die Treppe im Rathaus nach oben ließ, um diese &bdquo;Fahne“ aus dem Fenster zu halten. Filter zufolge hörte der Beschuss durch die amerikanischen Besatzer sogleich auf und man konnte damit beginnen, sich intensiv um Verwundete und Kranke zu kümmern. Nieheimer plündern zum Kriegsende ihre Stadthalle Von einer interessanten Begebenheit berichtet Franziska Filter kurze Zeit später. Am Osterdienstag, 3. April 1945, wurden die vom &bdquo;Hilfszug Dr. Goebbels“ verwalteten, in der Schützenhalle deponierten &bdquo;riesigen Bestände an Textilien“ von der Stadt Nieheim übernommen. Laut Anweisung des deutschen Stabs hätten sie beim Eintreffen der ausländischen Truppen mitsamt des Gebäudes verbrannt werden sollen. Da das nicht geschehen war, beabsichtigte die Stadt Nieheim, die Bestände an die Textilgeschäfte zu übergeben, damit diese sie an die Bevölkerung, namentlich an die Fliegergeschädigten, abgeben sollten. Lesen Sie auch: Nazi-Offizier wird als &bdquo;Sohn der Stadt Nieheim“ aufgeführt Am 5. April 1945 berichtet die Tagebuchschreiberin davon, wie gut es den amerikanischen Soldaten geht und über welches ungeheure Material sie überall verfügen. Sie folgert daraus, dass das Heldentum der deutschen Soldaten angesichts dessen doppelt zu bewerten sei. Jahrmarkttrubel mit Schreien, Raffen, Fortreißen und Schubsen Noch am selben Tag beginnt bereits wenige Stunden nach der Besatzung in Nieheim eine neue, eine andere, aber &bdquo;unblutige Schlacht“. Es beginnt eine Völkerwanderung zur Stadthalle in der Lehmkuhle, wo Männer, Frauen und Kinder in Kisten, Körben und Handkarren das nach Hause holen, was sie eben zu tragen vermögen. Sieger waren in dem von Franziska Filter beschriebenen Jahrmarkttrubel mit Schreien, Raffen, Fortreißen und Schubsen natürlich wieder die mit den stärksten Ellenbogen. Es sollen einige sogar mit Pferdewagen gekommen sein, schreibt sie, und 40 und mehr Anzüge, 60 und mehr Kleider sowie Tausende von Strümpfen geholt haben. Nach vier Wochen kommt die erste Zeitung ins Haus und das Leben in Nieheim kehrt langsam, aber spürbar wieder in geregelte Bahnen. Renommierter Historiker hat große Bedenken Der von Bürgermeister Johannes Schlütz bei den eingangs erwähnten Gedenkfeiern ankündigte Podcast zu diesem Thema, sollte nun im Internet verbreitet werden, ein Buch sollte folgen. Im Zentrum stehe das Kriegstagebuch der ehemaligen Nieheimer Lehrerin Franziska Filter (1889–1973), &bdquo;deren persönliche Aufzeichnungen mithilfe eines KI-basierten Sprachsimulators eindrucksvoll vertont worden waren“, so Schlütz seinerzeit. Aufgrund der Bedenken eines renommierten Historikers wurden die bereits eingestellten Audiodateien jedoch wieder ausgeblendet. Der Grund ist, dem Vernehmen nach, die Nähe der Tagebuchschreiberin zu den Nationalsozialisten. Für besonders Interessierte noch folgender Hinweis. Bereits 1982 ist ein Buch mit dem Titel &bdquo;Kirchturm und Hakenkreuz“ erschienen. Darin ist der Auszug aus dem Tagebuch der Lehrerin Franziska Filter enthalten. Herausgeber waren der Leiter der VHS Bad Driburg, Peter Bonk, und Realschulrektor Siegbert Kuptz.

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