Zu viel Bürokratie: Apothekerin aus dem Kreis Höxter schlägt Alarm

Kreis Höxter/Beverungen. &bdquo;Ich bin gerne Apothekerin“, sagt Dagmar Pöppe-Lücke, die seit fast 30 Jahren in ihrem Beruf arbeitet. Doch in den vergangenen Jahren habe sich viel verändert. &bdquo;Menschen zu helfen, das rückt immer mehr in den Hintergrund“, berichtet sie im &bdquo;NW“-Gespräch. Vor gut zwei Jahren ging sie wie viele andere auch zum Apotheker-Protesttag auf die Straße. &bdquo;Viel verändert hat sich seither nicht“, sagt Pöppe-Lücke. &bdquo;Die geforderte Honoraranpassung ist leider nicht erfolgt.“ Es sei vor allem die Bürokratie, die ständig zunehme und Ausmaße angenommen habe, die zu viel Zeit erfordert. &bdquo;Ich werde von einem Papierberg erschlagen“, berichtet die Apothekerin, die unter anderem in der Vital-Apotheke in Beverungen arbeitet. Sie sitze derzeit vor einem 27-seitigen Dokument. Es sind Unterlagen darüber, ob die Apotheke Geld für ein ausgegebenes Medikament von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet bekommt oder auf den Kosten sitzen bleibt - immer 200 Euro für ein einzelnes Medikament. Es gehe dabei um ein Rezept, dass bereits vor mehr als einem Jahr an einen Patienten ausgegeben wurde. &bdquo;Und es ist kein Einzelfall, so etwas haben wir regelmäßig“, sagt sie. &bdquo;Retaxation“, erklärt Pöppe-Lücke. Retaxation: Wenn Apotheken kein Geld bekommen Bei einer Retaxation verweigert eine gesetzliche Krankenkasse die Bezahlung eines Arzneimittels, das von einer Apotheke an einen gesetzlich krankenversicherten Patienten abgegeben wurde. &bdquo;Es ist echt belastend, wenn wir von den Krankenkassen wegen Nichtigkeiten kein Geld bekommen.“ Lesen Sie auch: Schon wieder sind Medikamente im Kreis Höxter knapp Im besagten Fall mit den 27 Seiten musste die Apotheke für ihr Recht kämpfen, Einspruch einlegen, dem wurde schließlich stattgegeben - allerdings erst Monate und viele Stunden Arbeit später. Die Ursache war damals ein Medikamentenmangel. Der Patient bekam zwar das, was er benötigte. Für die gesetzliche Krankenkasse aber zu spät. Nämlich nicht mehr im gesetzlichen Rahmen von 28 Tagen nach Ausstellung des Rezepts. &bdquo;Wir hätten den Patienten aber nicht eher beliefern können“, erklärt Pöppe-Lücke. In der Regel erfolgen Retaxationen erst 9 bis 12 Monate nach Einlösung der Rezepte &bdquo;Dann hat man vielleicht schon Geld für ein Medikament bekommen, muss es aber bei einer Nullretax wieder zurückzahlen, das ist sehr nervenaufreibend“, sagt die angestellte Apothekerin. Keine Unterstützung bei gefälschten Rezepten und eigenen Rezepturen Auch bei gefälschten Rezepten bleibe die Apotheke auf ihren Kosten sitzen. &bdquo;Da geht anschließend nur eine Warnung an die Apotheken raus.“ In Beverungen habe es diesen Fall erst kürzlich gegeben. &bdquo;Es ging um Ozempic“, sagt Pöppe-Lücke. Ein Medikament, das als Abnehmspritze bekannt wurde, aber schon seit einigen Jahren bei Diabetikern zum Einsatz kommt. &bdquo;Das Rezept sah echt aus, hatte alle wichtigen Daten, war von einem Diabetologen unterschrieben und gestempelt“, berichtet die Apothekerin. Nur Arzt und Patient kamen nicht aus der Region. &bdquo;Sollen wir zukünftig Kunden nicht mehr bedienen, die wir nicht kennen?“, fragt Pöppe-Lücke. Denn der Betrug fiel erst bei der Krankenkasse auf, weil Patientenname und Versicherungsnummer nicht übereinstimmten. &bdquo;Das können wir aber nicht kontrollieren“, sagt sie. &bdquo;Die Schäden entstehen aber nicht der Krankenversicherung, sondern wir bekommen kein Geld.“ Auch die Hilfstaxe wurde den Apothekern gekündigt. &bdquo;Wir bekamen Geld dafür, wenn wir beispielsweise selbst Salben anrühren“, erklärt die Apothekerin. Diese Hilfstaxe sei aber jahrelang nicht angepasst worden. &bdquo;Wir bekamen acht Euro für das Anrühren einer Salbe plus einem festgeschriebenen Substanzpreis für die Bestandteile, der seit 2019 nicht mehr angepasst wurde. Dafür würde ein Handwerker nicht mal einen Hammer in die Hand nehmen“, so Pöppe-Lücke. Frust bei Patienten in Apotheken wächst Eine Einigung gab es zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) nicht. Derzeit werden Rezepturen daher nach der Arzneimittelpreisverordnung abgerechnet. Zusätzliche Bürokratie, Aufwand und ein Berg von Retaxationen, der schon eingetroffen ist und beständig wächst. Lesen Sie auch: Apotheker im Kreis Höxter planen Protesttag &bdquo;Wir können ja nicht einfach keine Salben mehr anbieten“, sagt Dagmar Pöppe-Lücke. Für sie stehe weiterhin an erster Stelle, die Patienten zu versorgen, Lösungen zu finden. Allerdings sei auch der Umgang mit den Patienten teilweise &bdquo;wahnsinnig frustrierend“. &bdquo;In der Bevölkerung ist noch nicht angekommen, unter was für einem Druck wir stehen“, sagt die Apothekerin. Denn der Frust der Patienten werde häufig in der Apotheke gelassen. &bdquo;Einige sind wirklich undankbar und verständnislos.“ Etwa, wenn ein Medikament nicht lieferbar ist. &bdquo;Eine Kundin wurde richtig unangenehm, obwohl wir eine Lösung bieten konnten“, ärgert sich Pöppe-Lücke. Auch ein älterer Herr habe sich über den Botendienst beschwert, obwohl ein Angehöriger eine falsche Information übermittelt hatte und die Apotheke keine Schuld traf. &bdquo;Das ist ein kostenloser Service von uns. Selbst den Pizzadienst muss man bezahlen. Bei uns werden die Medikamente kostenlos gebracht“, betont sie. Bedarf wächst, doch Apotheken werden immer weniger Sie berate gerne, sie helfe gerne, unterstütze jedes zusätzliche Angebot, das Apotheken leisten können. Wie etwa die Medikationsanalyse, die in Beverungen angeboten werde. &bdquo;Wir gucken uns alle Medikamente des Patienten an, besprechen Verträglichkeiten, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen, aber auch, ob es Doppelverordnungen gibt“, zählt sie auf. Sie impfen gegen Corona und die Grippe, messen Blutdruck oder erklären Inhalationsgeräte. &bdquo;Das sind tolle Sachen, die nur öffentliche Apotheken leisten können, im Gegensatz zu einem Online-Handel.“ Angebote, die aber Zeit benötigen. &bdquo;Aber der Bedarf wird immer größer, die Apotheken immer weniger. Und dazu kommt der Mangel an Personal“, sagt sie. Beim Thema Hausärztemangel sei die Politik involviert, über Apotheken werde öffentlich dagegen kaum gesprochen. Hinzu komme der Medikamentenmangel. &bdquo;Das Problem hat sich nur verlagert“, sagt Pöppe-Lücke. Sind Fiebersäfte für Kinder derzeit wieder lieferbar, fehle es etwa an bestimmten Antibiotika für Erwachsene oder auch ein gängiges Beruhigungsmittel sei derzeit nicht lieferbar. &bdquo;Das sind Geschichten, dadurch wird der Beruf ja nicht attraktiver“, sagt die Apothekerin. Doch der Beruf sei wichtig, allein zur Unterstützung der hausärztlichen Versorgung in der Region. &bdquo;Es wäre schön, wenn wir mehr gesehen werden“, sagt sie. Denn Beratung gebe es nur in öffentlichen Apotheken, das könne kein Versandhandel oder Online-Shop leisten. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Höxter.

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