Sozialverbände im Kreis Höxter warnen vor Folgen eines sozialen Kahlschlags

Kreis Höxter. In Berlin stehen die Zeichen auf Schwarz-Rot. Union und SPD verhandeln, wie eine Koalition unter einem Kanzler Friedrich Merz gestaltet werden könnte. Wer an Friedrich Merz denkt, der hat wohl als Erstes das Thema Wirtschaft im Kopf. Und weniger das &bdquo;Soziale“, und wenn doch, dann in Verbindung mit weniger positiven Adjektiven. Viele unterstellen Friedrich Merz, sozial kalt zu sein. Zugegebenermaßen hat er zuletzt auch wenig gesagt, was jenen Kritikern den Wind aus den Segeln hätte nehmen können. Kindergrundsicherung, Bürgergeld und Mietpreisbremse sind nur drei Instrumente, die weniger gut betuchten Menschen unter die Arme greifen sollen, und wackeln. Beziehungsweise scheint deren Streichung - im Fall des Bürgergeldes - bereits beschlossene Sache zu sein. Wie schauen die Sozialverbände auf die Verhandlungen in Berlin und auf einen designierten Kanzler Merz? Was befürchten sie und was fordern sie, um die sozialen Herausforderungen hier vor Ort lösen zu können? Die &bdquo;NW“ hat nachgefragt. Der Paritätische im Kreis Höxter spricht von &bdquo;Populistischen Angriffe“ auf Bürgergeld Kathrin Jäger von den Kreisgruppen Paderborn und Höxter des Paritätischen spricht von einem &bdquo;großen Investitionsstau in den sozialen Bereichen“. Es brauche mehr Investitionen in die soziale Infrastruktur, sagt sie und nennt Kitas, Bildung oder eine verlässliche Pflegeversorgung als konkrete Beispiele. &bdquo;Gerade in Zeiten, die von Krisen, Unsicherheiten und Ängsten geprägt sind, spielt die soziale Infrastruktur der Freien Wohlfahrtspflege eine besondere Rolle. Sie stiftet Zusammenhalt in der Gesellschaft, ermöglicht die Teilhabe aller Menschen und kann mit ihrem Netz Sicherheit geben“, sagt Jäger. Die Ankündigung des designierten Kanzlers Merz, das Bürgergeld streichen zu wollen, empfindet sie daher als kontraproduktiv. &bdquo;Populistische Angriffe auf die wichtigen Sicherungssysteme, die Armut bekämpfen, sind ein Angriff auf den Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Denn bei der Grundsicherung sieht der Paritätische eher Luft nach oben als Streichpotenzial. &bdquo;Das Bürgergeld in seiner jetzigen Höhe“ sei nicht ausreichend, &bdquo;um soziale Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung zu gewährleisten“. Sorge um die Finanzsituation der Städte im Kreis Höxter Thomas Rudolphi, Vorstand des Caritas-Kreisverbandes, hält sich mit einer Meinung zur Personalie Merz vorerst zurück: &bdquo;Eigentlich müsste man erst wissen, was Merz wirklich will.“ Und wenn das wiederum klar sei, komme es auf die genauen Formulierungen an. Bis dahin will Rudolphi &bdquo;erst mal abwarten“. Lesen Sie auch: LWL gibt Millionen Euro für soziale Aufgaben im Kreis Höxter aus Einfacher wird es im Sozialen aber wohl kaum werden. Weder in Deutschland noch im Kreis Höxter. &bdquo;Dadurch dass die USA rausgegangen sind aus der Ukraine, wird einiges auf uns zukommen“, sagt er. Nicht nur vor diesem Hintergrund gilt, dass wenn Sozialleistungen gekürzt oder gestrichen werden sollen, &bdquo;wir natürlich grundsätzlich dagegen sind“. Allerdings habe auch niemand etwas davon, wenn die Kommunen &bdquo;in die Knie gehen“. Caritas im Kreis Höxter fordert mehr Sachkenntnis in politischen Gremien Er sei im Kreis Höxter in vielen politischen Gremien unterwegs, sagt Rudolphi, dort &bdquo;sehe ich, was den Kommunen auferlegt wird, das ist enorm“. Sämtliche Städte im Kreis Höxter ächzen unter finanziellen Belastungen etwa der Jugendamtsumlage. Eine klassische &bdquo;Soziales“-Vertreterin unter den Ausgaben, die manch ein Lokalpolitiker wohl gerne deutlich reduzieren würde. Rudolphi kann das nachvollziehen: &bdquo;Man kann Geld nicht vermehren.“ Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden - entweder zum Beispiel im Straßenbau oder in der Jugendhilfe. Auch interessant: Steinheimer Tisch muss wohl hundert Bedürftige abweisen Deswegen, sagt Rudolphi, &bdquo;ist es wichtig, dass wir immer im Gespräch bleiben“. Viel zu selten komme es vor, dass Lokalpolitiker sich informierten. Also proaktiv an- oder nachfragten oder Sozialverbände wie die Caritas besuchten, um sich ein Bild zu machen. Im Kreistag Höxter gäbe es einzelne Fraktionen, die das täten - die anderen dürften sich aber gern mal melden. Ihm sei bewusst, dass Lokalpolitik ein Ehrenamt sei, dennoch appelliert er an die Mitglieder der kommunalen Parlamente, sich Sachkenntnis anzueignen, &bdquo;um gute Entscheidungen zu treffen“. Zum Beispiel, ob der Euro denn nun im Straßenbau oder in der Jugendhilfe besser aufgehoben ist. Haushalte im Kreis Höxter müssen dringend entlastet werden Auch Kathrin Jäger vom Paritätischen spricht die klamme Haushaltssituation der Verwaltungen im Kreis Höxter an. Es brauche deshalb &bdquo;eine dringende Auseinandersetzung mit der Frage der Entlastung kommunaler Haushalte“. Die Städte und Kreisverwaltungen bräuchten &bdquo;Spielraum, um auf die Bedarfe vor Ort reagieren zu können“. Das Land NRW und der Bund müssten dafür sorgen, dass es eine verlässliche, nachhaltige Finanzierungsgrundlage für die kommunale Ebene gibt. Passend zum Thema: Schulmaterialkammer Höxter: So viele bedürftige Kinder wie noch nie &bdquo;Denn wo, wenn nicht vor Ort, erleben die Menschen die Auswirkungen von Politik konkret“, so Jäger, &bdquo;Jugendzentren, Beratungsstellen, Pflegeunterstützung – all das macht das Leben leichter. Politische Unzufriedenheit und die Wahl von Rechtsextremisten wird sehr stark davon beeinflusst, wie die kommunale Handlungsfähigkeit, wie die Lebensqualität vor Ort ist. Da müssen wir dringend ansetzen“. Investitionsstau bei sozialen Einrichtungen im Kreis Höxter Auch Peter Bierwirth, Vorsitzender des VdK-Kreisverbandes Höxter, hat Hoffnung, dass das geplante Sondervermögen für die Infrastruktur auch Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen betreffen kann. &bdquo;Außerdem bekommen die Länder, wenn die Grundgesetzänderung beschlossen werden sollte, auch einen ,Schluck aus der Pulle’, mit der den Kommunen in vielen Bereichen geholfen werden kann“, so Bierwirth. Die Beseitigung von Bauschäden an Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden seien so möglich. &bdquo;Frei werdende Bundes- und Landesmittel könnten dann für weitere soziale Probleme zur Verfügung stehen. Der Eigenanteil zur Pflege in Pflegeeinrichtungen könnte mindestens gedeckelt werden. Pflegebedürftige sind fast immer der Armutsgefahr ausgesetzt“, betont der VdK-Vorsitzende. &bdquo;Krankenhäuser im Kreis Höxter müssen erhalten bleiben“ Der soziale Wohnungsbau, Rentenreform und Kindergrundsicherung blieben bei der Ampel-Regierung auf der Strecke, sagt Bierwirth. Bei den Sozialleistungen erhofft er sich künftig ein zielgerichtetes Handeln, erst recht, wenn die Union sich bei den Kürzungen durchsetzen könnte. &bdquo;Die Einzelfallprüfung und handhabbare Ausführungsbestimmungen sind gefragt. Damit derjenige, der Hilfe benötigt, sie auch bekommt“. Apropos Hilfe: &bdquo;Die Krankenhäuser müssen erhalten bleiben. Spezialisierung und Reformen dürfen nicht dazu führen, dass sie den Patienten nicht mehr zur Verfügung stehen und die Einsatzzeiten für Rettungswagen gefährlich lang werden“, so Bierwirths Meinung.

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