Dickes Minus: „Bad Driburg steuert auf einen Eisberg zu“

Bad Driburg. Knapp 30 Jahre ist es her, dass &bdquo;Titanic“ die Kinosäle in Deutschland füllte. Das Liebesdrama, das die englische Wikipediaseite übrigens als romantischen Katastrophenfilm ausweist, bot, mochten die meisten denken, eigentlich wenig Potenzial für eine Fortsetzung. Immerhin stirbt der männliche Part der Liebesgeschichte. Allerdings scheint es so, als würde in Bad Driburg an einem Sequel des Blockbusters gearbeitet. &bdquo;Finanziell bewegen wir uns als städtischer Tanker mitten im Eismeer“, beschreibt SPD-Fraktionsvorsitzende Nadine Nolte das Setting. &bdquo;Der Tanker ist vollgeladen mit Schulden, maroder Infrastruktur und Zahlungsverpflichtungen in Millionenhöhe“, schildert die Sozialdemokratin. &bdquo;Brennend“ und &bdquo;ohne Ruder“, wie Martina Denkner (Grüne) die Zuschauerinnen und Zuschauer wissen lässt. Die ÖDP-Fraktion etabliert dann den Konflikt. Fraktionsvorsitzende Petra Flemming-Schmidt sieht &bdquo;dunkle Gewitterwolken“ aufziehen: &bdquo;Der Wind bläst uns ins Gesicht.“ Zeit, um auch die Hauptcharaktere einzuführen. &bdquo;Auf der Brücke: Kapitän Bürgermeister Deppe und sein erster Offizier Beigeordneter Scholle“, pitcht Nolte, &bdquo;Kurs: direkt auf einen riesigen Eisberg zu.“ Die Liebesgeschichte fehlt in diesem Streifen und möglicherweise auch das Orchester, das bis zum bitteren Ende spielt. Aber, Spaß beiseite, Fans der Titanic bleiben unbefriedigt. Es wird kein Film gedreht, sondern ein Haushalt verabschiedet. Der ist aber auch ohne Eisberge, Stürme und Feuer &bdquo;schwindelerregend“ genug, zumindest aus Sicht der ÖDP. Dickes Minus im Bad Driburger Haushaltsplan Wobei: In Hochstimmung gerät angesichts der Finanzen der Kurstadt keine der im Stadtrat vertretenen Fraktionen. Kämmerer Franz-Josef Koch hatte mit einem Minus von 8,4 Millionen Euro kalkuliert. Behält der städtische Finanzexperte recht, sieht es düster aus. &bdquo;Unsere Rücklagen sind aufgebraucht und wir bewegen uns gefährlich nah an der Haushaltssicherung“, weiß CDU-Fraktionschef Andreas Amstutz. Für Mark Kohls von der FDP ist eine andere Zahl noch viel besorgniserregender. &bdquo;Besonders alarmierend ist die Entwicklung der städtischen Verschuldung.“ Der Schuldenberg misst etwa 30 Millionen Euro. &bdquo;Und angesichts der wieder normalisierten Zinssätze besteht die Gefahr, dass sich die finanzielle Lage durch Zinseszinseffekte weiter verschärft“, warnt Kohls. Kritik an hoher Umlage des Kreises Höxter So viel zur Ausgangssituation. Soll ein Missstand behoben werden, ist häufig ratsam, auf Ursachenforschung zu gehen. Die Kurstadt-CDU war so freundlich: Rezession, Inflation, globale Konflikte und die Folgen der Pandemie wirkten sich auch auf Bad Driburg aus, erläutert Andreas Amstutz in seiner Haushaltsrede. &bdquo;Hinzu kommen steigende Belastungen, vor allem im Bereich der sozialen Sicherung. Die Kreisumlage erreicht mit 21,4 Millionen Euro ein neues Rekordhoch, während Einnahmen wie die Zuweisungen aus der Einkommensteuer oder die Umsatzsteuer stagnieren.“ Gleichzeitig bleibe die &bdquo;kommunale Forderung“ nach einem gerechten Ausgleich bei Bund und Land unerhört. Apropos knapp bei Kasse: So dramatisch ist die Finanzlage in den Kommunen des Kreises Höxter Ist die Stadt also Opfer der Umstände? Diese Analyse geht manch anderer Fraktion nicht weit genug. So fragt sich Nadine Nolte stellvertretend für die SPD, &bdquo;ob man die Schuld immer nur bei den anderen suchen muss“. Grüne: Sparpotenzial im Bad Driburger Haushalt Und auch die Grünen schlagen vor, zunächst vor der eigenen Haustür zu kehren. Heißt: im eigenen Haushaltsplan auf &bdquo;Fehlersuche“ zu gehen, um Einsparmöglichkeiten zu finden. Der Kreis Höxter habe dafür eigens eine Arbeitsgruppe gegründet. &bdquo;Acht Millionen Euro haben die Kolleginnen und Kollegen in der Kreisverwaltung gefunden“, sagt Martina Denkner mit Blick auf den Kreishaushalt: &bdquo;Acht Millionen Euro. Und dieses Potenzial steckt auch in Bad Driburg – wenn man denn will.“ Lesen Sie auch: Finanzfrust in Bad Driburg über Kreisumlage und Bilanztricks Wenn nicht jetzt bereits, wird es künftig wohl keine Frage des Wollens mehr sein. Alle Fraktionen beschäftigt die Frage, wie die Kollision mit dem Eisberg noch verhindert werden kann. Beidrehen? Die FDP wünscht sich beispielsweise eine andere Personalpolitik. &bdquo;Moderne Verwaltungsprozesse und digitale Lösungen können helfen, Kosten zu senken und dennoch eine bürgerfreundliche und leistungsfähige Verwaltung zu gewährleisten“, erklärte Mark Kohls. Millionen-Defizit der Driburg-Therme &bdquo;Es ist unverantwortlich, weiterhin auf Kosten der Zukunft zu leben, ohne notwendige Einsparungen vorzunehmen“, findet beispielsweise Klaus Lange (AfD). In schwierigen Zeiten könne es notwendig sein, &bdquo;gewohnte Standards zu überdenken und gegebenenfalls zu senken.“ Konkrete Ansatzpunkte nennt er hier nicht, es geht aber wohl um die sogenannten freiwilligen Leistungen. Fairerweise auch fast die einzigen Punkte, wo der öffentliche Gürtel überhaupt enger geschnallt werden kann. Bäder fallen zum Beispiel unter die freiwilligen Leistungen. Und kaum irgendwo decken sie ihre Kosten. &bdquo;Seit 30 Jahren gleicht die Stadt Bad Driburg das Defizit der Therme aus. Jährlich macht das circa 1,5 Millionen Euro aus“, erinnert Nadine Nolte. Auch die Freibäder in Bad Driburg selbst und Neuenheerse sind defizitär. &bdquo;Es sollte der politische Wille aller sein, diese Einrichtungen zu erhalten, denn sie tragen wesentlich zur Lebensqualität in Bad Driburg bei“, wirbt Andreas Amstutz. Und zumindest bei der Therme zeigt sich wohl auch ein Silberstreif am Gewitterhimmel. Laut Amstutz zeichne sich &bdquo;möglicherweise“ ab, dass ein Investor den Betrieb des Bades übernimmt. Windkraft, Freiflächen-PV und Nationalpark abgelehnt Weitaus ärgerlicher und vermeidbarer als die Bäderzuschüsse sind für die Grünen die Summen, die die Stadt nach dem Urteil des Landgerichts Paderborn an Marcus Graf Oeynhausen-Sierstorpff zu zahlen hat. Nachdem – ob überraschend oder nicht – herausgekommen war, dass keine Dienstbarkeit auf dem Wiesenquellengrundstück bestand, hatte die Stadt nach Ansicht des Richters nicht früh genug einen bestehenden Vertrag mit dem Grafen angefochten. Fast eine Million Euro soll nun deswegen in Raten an den Grafen fließen. &bdquo;Ja, mit Verträgen hat es unsere Verwaltungsspitze ab und an nicht so“, kommentiert Petra Flemming-Schmidt. Und dann sind da noch die Einnahmen, auf die Bad Driburg – zum Unverständnis der Grünen – verzichtet. &bdquo;Windkraft? Nee, wollen wir nicht“, führt Martina Denkner aus, &bdquo;Freiflächen-PV? Nee, sieht doof aus“. Nationalpark? &bdquo;Um Gottes Willen! Bloß nicht!“ Zum Nachlesen: Gerichtsstreit in Paderborn, der Graf und der Bad Driburger Millionenpoker So wollen die Fraktionen im Bad Driburger Rat abstimmen Ob und wie der Tanker Bad Driburg nun den Winden, den Eisbergen und dem Feuer zum Trotz in einen sicheren Hafen gesteuert werden kann, muss sich zeigen. Steuerbord? Backbord? Oder vielleicht werden auch einfach die Rettungsboote zu Wasser gelassen. Kommt doch noch Hilfe von oben? Die CDU unterstützte den von der Verwaltung vorgelegten Haushaltsentwurf, auch die FDP signalisierte Zustimmung, auch wenn die Liberalen noch eine &bdquo;ehrliche Bestandsaufnahme sowie einen klaren Plan, um das strukturelle Defizit langfristig zu kontrollieren“ verlangten. SPD, Grüne, ÖDP und AfD kündigten an, abzulehnen.

Meistgelesen