Steuerverschwendung: Bad Driburg knickt im Gerichtsstreit mit Grafen ein

Bad Driburg. Fast alle Stadtratsmitglieder hoben am Ende die Hand, obwohl keiner es wollte: Die Bad Driburger Lokalpolitikerinnen und -politiker stimmten jetzt zähneknirschend dem Ende eines (weiteren) Rechtsstreits mit Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff zu. Damit muss die Stadt fast eine Million Euro an den Kurparkbesitzer zahlen, ohne dass es irgendeine Gegenleistung gibt. Schuld ist ein fehlerhafter Vertrag, den die Stadt mit dem Grafen geschlossen hatte. Bereits im Oktober hatte das Paderborner Landgericht die Stadt zur Zahlung verurteilt. Eine &bdquo;schallende Niederlage für die Stadt“, wie Thomas Ahrens von der SPD-Fraktion meint. Es folgte eine 22-seitige Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei Brandi, in der Anwalt Daniel Wittig detailliert sezierte, warum es für Bad Driburg so gar keinen Sinn macht, den Prozess weiterzuführen. Bad Driburg – für die Stadt saßen Bürgermeister Burkhard Deppe und der 1. Beigeordnete Michael Scholle auf der Anklagebank, weil sie den Vertrag unterschrieben hatten – konnte den Richter mit keinem einzigen Argument überzeugen. Und so wählte der Stadtrat das &bdquo;Ende mit Schrecken“, wie ÖDP-Politikerin Petra Flemming-Schmidt sagte. Das Desaster für Bad Driburg noch nicht zu Ende Damit ist die für den Steuerzahler sehr teure Angelegenheit aber keinesfalls vom Tisch, weder politisch noch juristisch. Lesen Sie auch: Streit zwischen Graf und Bad Driburg: Anwaltskanzlei hält Stadt für chancenlos Denn im Stadtrat begann – wenn auch zaghaft – die Aufarbeitung des Vorgangs. Im Mittelpunkt dabei: Die Frage nach der persönlichen Verantwortung für das Desaster. Und da gibt es zwischen den Parteien völlig unterschiedliche Ansichten. Denn der 1. Beigeordnete Michael Scholle, der als Volljurist seitens der Stadt inhaltlich mit den Vertragsangelegenheiten befasst war, ist pikanterweise zugleich CDU-Kandidat für die kommende Kommunalwahl. Und deshalb will die Union bei der Schuldfrage auch nicht ganz so genau hinschauen. Wörtlich erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Amstutz: &bdquo;Ich warne davor, und ich wehre mich auch dagegen, einzelne Personen jetzt identifizieren zu wollen. Das ist völlig unfair, weil es den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht.“ Da mache die CDU nicht mit. Immerhin seien an der Vertragsausgestaltung einige Menschen beteiligt gewesen. Keine konkrete juristische Antwort zur Schuldfrage So einfach wollten die anderen Parteien die teuere Niederlage aber nicht ad acta legen. Petra Flemming-Schmidt fragte beispielsweise bei Anwalt Daniel Wittig nach, ob Michael Scholle fahrlässig oder bewusst gehandelt habe, als er den Vertrag unterschrieb. Wittig wollte das juristisch nicht bewerten, die Kanzlei habe &bdquo;nicht einzelne Vorwürfe gegen die Stadt geprüft“. Lesen Sie auch: Gerichtsstreit mit Bad Driburger Graf eskaliert im Stadtrat Hintergrund der Nachfrage der ÖDP-Politikerin ist, dass vor Vertragsschluss nicht aufgefallen war, dass es gar keinen Grund gab, dem Grafen das Recht abzukaufen, auf dem Wiesenquellengrundstück auf dem Eggelandareal nach Mineralwasser zu bohren. Denn auf dem Grundstück gab es gar keine sogenannte Dienstbarkeit zugunsten des Grafen. Nur war das niemandem aufgefallen. Auch der Rechtsanwaltskanzlei nicht, die die Stadt bei der Ausarbeitung betreute. Lesen Sie auch: Der Skandal in Bad Driburg hat viele Seiten Hätte es vorher auffallen können und müssen?, fragte Petra Flemming-Schmidt rhetorisch in den Saal. Denn sie war es gewesen, die gut vier Wochen nach Vertragsschluss noch einmal genauer hinschaute und schließlich die Kommunalaufsicht einschaltete. Fehler fiel erst der ÖDP im Bad Driburger Stadtrat auf Nach einem Hinweis eines Rechtsanwaltes habe sie &bdquo;an dem Punkt, an dem es um die Dienstbarkeit ging, mithilfe des Vertrages und des Geodatenportals nicht lange gebraucht, um ziemlich schnell zu sehen, wo der Fehler lag“. Sie sei keine Juristin oder Notarsangestellte. &bdquo;Wenn mir als Laiin dieser Fehler sehr schnell aufgefallen ist, fehlt mir jegliches Verständnis dafür, dass es der Stadt anhand der vorliegenden Unterlagen nicht schon im Vorfeld möglich gewesen sein sollte, das bis ins Letzte zu prüfen. Das war mir damals nicht verständlich und ist mir heute noch unverständlicher.“ Auch Grünen-Ratsmitglied Bernd Blome ließ nicht locker: &bdquo;Wer tritt den nun vor und übernimmt die Verantwortung für das Desaster? Eine knappe Million Euro zu verbrennen, ist nun mal keine Kleinigkeit, die man mit einer Fußnote im Haushaltsplan abtun könnte. Wann wäre denn eine Aufarbeitung mal genehm?“, fragte Blome. Seine Hoffnung: Dass der Wähler bei der Kommunalwahl in zehn Monaten Konsequenzen zieht und &bdquo;einfach mal das Kreuz bei einer anderen demokratischen Partei macht“. An dieser Stelle deutete sich bereits an, dass der Rechtsstreit auch zum Wahlkampfthema in Bad Driburg werden wird. Vorwürfe der SPD an die Bad Driburger Verwaltung Thomas Arens von der SPD warf der Stadtverwaltung Intransparenz vor, weil sie beispielsweise erst auf Nachfrage das Urteil herausgegeben haben soll. Und weiter: &bdquo;In einem bleiben sich der Bürgermeister und der Beigeordnete treu: Die Schuld sucht man nicht bei sich, sondern bei den anderen. Zunächst sollten es SPD und ÖDP gewesen sein, schließlich hätte man ja auch mal früher was sagen können. Jetzt sucht man die Schuld bei der beratenden Anwaltskanzlei beziehungsweise deren Versicherung.“ Tatsächlich beschloss der Stadtrat nicht nur, den Rechtsstreit zu beenden, sondern auch, einen finanziellen Anspruch gegen die Kanzlei beziehungsweise deren Versicherung juristisch überprüfen zu lassen. Die Versicherung hat allerdings bereits mitgeteilt, dass sie nicht bereit ist, zu zahlen, denn es sei nach Prüfung der Haftpflichtunterlagen kein Haftpflichtanspruch erkennbar. Lesen Sie auch: Urteil: Bad Driburg muss rund 950.000 Euro an Graf zahlen Die Ablehnung begründe die Versicherung vor allem damit, dass bereits kein umfassendes Mandatsverhältnis gesehen werde, was eine vollumfängliche Beratung in der Sache zur Folge gehabt hätte, wie die Verwaltung berichtet. Es seien schließlich nur einzelne Punkte abgestimmt worden. Zudem sei auch keine Pflichtverletzung durch die Rechtsanwaltskanzlei Brandi erkennbar. Immerhin sei der Vertrag von mehreren Ebenen der Stadt mitgetragen worden.

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