Gerichtsstreit in Paderborn, der Graf und der Bad Driburger Millionenpoker

Bad Driburg. In der Kurstadt ist im Jahr 2024 eine Menge passiert - die größte Aufmerksamkeit in der Kurstadt und über ihre Grenzen hinaus erlangte allerdings die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen der Stadt und der Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen-Sierstorpff (UGOS). Sie wird wohl auch dominierendes Thema des anstehenden Kommunalwahlkampfs in Bad Driburg werden. Dabei war es lange ruhig im Streit zwischen Graf und Stadt. Doch der Konflikt schwelte weiter. Im Juli fand er eine öffentliche Fortsetzung vor Gericht. Dabei schien es augenscheinlich bereits im April 2021 so, als hätten Stadt und UGOS eine Einigung erzielt. Der Rat hatte dem zwischen UGOS und Stadt geschlossenen Heilbadvertrag zugestimmt (22 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen). Vorgesehen war, unter anderem, eine Verzichtserklärung von 50.000 Euro jährlich an den Parkeigentümer. Am Freitag, 4. Oktober, hatte das Landgericht Paderborn sein Urteil verkündet. In den Augen von Beobachtern war das Ergebnis vorhersehbar. Lesen Sie auch: Zoff vor Gericht: Graf und Stadt Bad Driburg streiten über Mineralquellen Worum es in dem Vertrag zwischen Stadt Bad Driburg und Graf geht Auf der Seite der Beklagten saßen Bad Driburgs Bürgermeister Burkhard Deppe und sein 1. Beigeordneter Michael Scholle, der 2025 Bürgermeister werden will. Sie hatten einen Vertrag unterschrieben, in dem sich die Stadt zur Zahlung von jährlich 50.000 Euro samt Inflationssteigerung verpflichtet. 15 Jahre lang – macht alles in allem etwa 950.000 Euro. Dafür räumte Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff der Stadt das Recht ein, auf dem Eggelandareal nach Mineralwasser zu bohren beziehungsweise die Wiesenquelle zu nutzen. Hintergrund: Weil die Nutzung einer Mineralquelle in Bad Driburg eine direkte Konkurrenz zum Geschäft des Gräflichen Parks wäre, ist auf vielen Grundstücken eine sogenannte Dienstbarkeit zugunsten des Grafen im Grundbuch eingetragen, die es ausschließt, dass dort Mineralquellen erschlossen werden. Passend zum Thema: Urteil: Bad Driburg muss rund 950.000 Euro an Graf zahlen Es dauerte einen Monat, bis der Vertrag angefochten wurde Der Vertrag wurde im März 2021 geschlossen. &bdquo;Unter großem Zeitdruck“, wie Deppe im Stadtrat erklärte. Und dabei war selbst der Anwaltskanzlei Brandi, die für die Stadt die Unterlagen prüfte, nicht aufgefallen, dass eine solche Dienstbarkeit für das Wiesenquellengrundstück gar nicht im Grundbuch eingetragen war. Sprich: Die Stadt hätte auch ganz ohne die Vereinbarung bohren können. Nun müssen 950.000 Euro fließen. Als der Fehler der SPD und der ÖDP auffiel und sie die Stadt und die Kommunalaufsicht informierte, dauerte es nochmals fast einen ganzen Monat, bis die Verwaltung den Vertrag offiziell angefochten hatte. Schon beim öffentlichen Verhandlungstermin war das für Richter Johannes Mertens der größte Knackpunkt: Ein Monat ist schlicht viel zu lang. Ebenfalls lesenswert: Streit mit Stadt Bad Driburg: Nach Gerichtsurteil spricht erstmals der Graf Die Kritik an Bad Driburgs Stadtverwaltung war groß Und so kam es, wie Mertens schon im Juli angedeutet hatte: Der Vertrag ist gültig, die Stadt muss zahlen. Später haben SPD und ÖDP auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung gepackt. Ihre Kritik an dem gesamten Vorgang war groß, es war die Rede von Geldverschwendung. Im Interview mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“ hatte Scholle betont, die Stadt habe &bdquo;externe Experten hinzugezogen, um die Verträge prüfen zu lassen“. Heißt: Die Verantwortung dafür, dass die Stadt nun regelmäßig Geld an die UGOS zahlt - Steuergeld - sieht er bei den externen Experten. Auch interessant: Millionen-Streit mit Bad Driburger Grafen: Wie konnte es so weit kommen? So reagierte die Anwaltskanzlei der Stadt Bad Driburg In einer eigenen Stellungnahme der Kanzlei Brandi, die die Stadt Bad Driburg in dieser Sache vertreten hat, heißt es, dass die Stadtverwaltung schon 2019 gewusst haben könnte, dass es keine Dienstbarkeit zugunsten des Grafen auf dem Grundstück gab. Dieses Wissen sei &bdquo;wohl mit dem Weggang des damaligen Baudezernenten abhandengekommen“, so die Kanzlei weiter. Als Michael Scholle die Interviewfragen beantwortet hat, lag die Stellungnahme noch nicht vor. Zum Zeitpunkt des Interviews wusste Scholle von dieser Einschätzung der Kanzlei noch nichts. Die Verwaltungsspitze hatte der Politik vorgeschlagen, von weiteren rechtlichen Schritten gegen den Grafen abzusehen. Ende November dann begann im Stadtrat so etwas wie die zaghafte Aufarbeitung des Vorgangs. Lesen Sie auch: Gerichtsstreit mit Bad Driburger Graf eskaliert im Stadtrat Diese Frage wird im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen Im Mittelpunkt dabei: Die Frage nach der persönlichen Verantwortung für das Desaster. Und da gibt es zwischen den Parteien völlig unterschiedliche Ansichten. Denn der 1. Beigeordnete Michael Scholle, der als Volljurist seitens der Stadt inhaltlich mit den Vertragsangelegenheiten befasst war, ist pikanterweise zugleich CDU-Kandidat für die kommende Kommunalwahl. Wörtlich erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Amstutz: &bdquo;Ich warne davor, und ich wehre mich auch dagegen, einzelne Personen jetzt identifizieren zu wollen. Das ist völlig unfair, weil es den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht.“ Da mache die CDU nicht mit. So einfach wollten die anderen Parteien die teuere Niederlage aber nicht ad acta legen. Kritische Nachfragen gab es bereits im Stadtrat. Und da der Wahlkampf ins Haus steht, dürfte das Thema die Stadtpolitik noch einige Monate weiter bewegen. Nach Gerichtsurteil: Bad Driburg droht eine neue Schlammschlacht

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