„Unser Lebenswerk ist zerstört“: Eigentümer zum Aus von Traditionscafé in Höxter

Höxter. Sie haben viele Jahre unbeachtet im Schrank gelegen. Die vielen Fotos und Zeitungsartikel, die Herta Pammel über das Traditionscafé in Höxters Innenstadt gesammelt hat. Jetzt, da das einst weit über die Region hinaus beliebte Gasthaus plötzlich geschlossen wurde, hat sie all die Bilder noch einmal herausgeholt. Immer wieder muss sie schlucken und innehalten, wenn sie Anekdoten von früher erzählt. &bdquo;Unser Lebenswerk ist zerstört“, sagt sie mehr als einmal. Es ist spürbar, dass sie kaum fassen kann, was vergangene Woche passiert ist. Überraschend hatte der letzte Pächter Wieland Funk einen Zettel an die Tür gehängt und die endgültige Schließung verkündet. Zu wenige Gäste, zu hohe Kosten (die &bdquo;Neue Westfälische“ berichtete). Schon Mitte August hatte das Amtsgericht Paderborn ein Insolvenzverfahren eröffnet. &bdquo;Irgendwie war es in letzter Zeit ja absehbar“, sagt Herta Pammel. Obwohl die Landesgartenschau viele Besucher in die Stadt lockt, waren die Öffnungszeiten und Tage bereits deutlich reduziert und der Betrieb auf Selbstbedienung umgestellt worden. &bdquo;Das konnte nicht gut gehen“, sagt Herta Pammel, die mit ihrem Mann immer noch in der ersten Etage neben dem Café wohnt und regelmäßig selbst zu Gast war. Auch ihr hat zum Schluss die Gemütlichkeit gefehlt. Busse steuerten jahrelang das Café an Es gab andere Zeiten. Herta Pammel erinnert sich an die Jahre, als volle Busse das Café ansteuerten und große Gästegruppen die leckeren, selbst gemachten Kuchen und Torten probierten. Da musste immer alles ganz schnell gehen, berichtet Herta Pammel und erzählt, wie Servierwagen mit Kuchen vorbereitet wurden, damit die Gäste nicht lange warten mussten. Denn obwohl das Café nach dem Abriss des alten Gebäudes 1971 und dem ein Jahr dauernden Neubau rund 180 Plätze hatte, war es bisweilen schwierig, noch einen freien Tisch zu ergattern. Schon 1949, vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte Luise Pammel in der Innenstadt ein Eiscafé mit etwa 40 Plätzen eröffnet. Es erfreute sich von Beginn an großer Beliebtheit, weshalb die Familie das Gasthaus mehrmals umbaute und auf 140 Sitzplätze erweiterte. Udo Pammel erinnert sich gern daran zurück, erzählt vom Eingang zum Weinkeller unter den Stühlen im Gastraum und dem Personal, das teilweise noch oben im Dachgeschoss schlief. Nach der Übernahme 1967 entschied er sich mit seiner Frau Herta für den ganz großen Neuanfang und einen Neubau. Viel Arbeit für die Familie. Sieben Tage in der Woche, von morgens 9 bis abends: &bdquo;Wir waren immer im Café“, erinnert sich Herta Pammel. An Urlaub sei in den ersten Jahren überhaupt nicht zu denken gewesen, später sei sie mit den Kindern schon mal allein gefahren, ihr Mann kam für einige Tage nach. Tortenrezept zu Dr.-Oetker-Buch beigesteuert Obwohl es kaum eine Pause gab, sei es eine sehr schöne Zeit gewesen. &bdquo;Ich habe immer gern gearbeitet“, sagt Herta Pammel, die auch sehr kreativ wurde, wenn es darum ging, Werbung für das Geschäft zu machen. So kam einst die Anfrage, ob sie ein Tortenrezept für ein Dr.-Oetker-Buch mit den besten Tipps der 47 renommiertesten Konditoren beisteuern wollen. Ihr Mann war dagegen, sie überzeugte ihn, die Chance für mehr Öffentlichkeit zu nutzen. Eine beliebte und gar nicht so einfach herzustellende Torte aus ihrem Sortiment wurde kurzerhand zur Corveyer Schloss-Torte umbenannt. Das kam so gut an, dass sich schließlich sogar die &bdquo;Bild“-Zeitung dafür interessierte und Udo Pammel mit seiner Torte vor dem heutigen Weltkulturerbe ablichtete. Auch die &bdquo;NW“ berichtete seinerzeit. Das steigerte die Bekanntheit des Cafés weiter, oft wurden auch Gäste aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland begrüßt. Weshalb in Spitzenzeiten 20 Mitarbeiter beschäftigt wurden. Denn die Torten und Kuchen wurden auch für unzählige Höxteraner Familienfeiern, Hochzeiten und Konfirmationen hergestellt. Erster Betreiberwechsel vor 29 Jahren 1994 übergaben die Pammels dann den Betrieb an die Familie Bergemann. Sie wollten nach den erfolgreichen, aber auch harten Jahren noch etwas vom Leben haben, Familienzeit genießen. Jörg und Petra Bergemann führten das namhafte Café sehr erfolgreich weiter, bis Jörg Bergemann im Januar 2018 viel zu früh mit nur 51 Jahren starb. Die leidenschaftliche Konditorin Petra Bergemann versuchte das Geschäft, das sie &bdquo;mit viel Herzblut geführt und weiterentwickelt hatte“, allein mit 20 Mitarbeitern weiter zu führen, gab dann im Sommer 2019 aber doch auf und legte das Geschäft in die Hände von Konditormeister Wieland Funk, der darin ebenfalls eine Lebensaufgabe sah. Corona, Inflation und ein Mitarbeitermangel im Gastgewerbe machten ihm den Betrieb unheimlich schwer. Hinzukommt, das klassische Cafés wie in den 1980ern heute nicht mehr im Trend sind. Sie sind aus fast allen Fußgängerzonen verschwunden. Auch Höxter hatte einst mehrere. Dennoch hätte sich Herta Pammel gewünscht, dass es mit dem Café, in welcher Form auch immer, weitergeht. Gerade im Landesgartenschaujahr. Ein Leerstand an so zentraler Stelle sei nicht gut für Höxter. &bdquo;Wäre ich noch mal jung, ich würde es selbst noch mal versuchen“, sagt sie mit Wehmut. Aktuell sucht ihre Familie im Hintergrund nach einer Lösung. Spruchreif ist aber noch nichts.

Meistgelesen