Psychosoziale Notfallversorgung im Kreis Höxter: "Jeder Einsatz prägt"

Kreis Höxter. "Wenn mir oder meiner Familie etwas passieren würde, würde ich auch erwarten, dass jemand hilft. Ich wollte nicht nur erwarten, sondern selber tätig werden." Und das wurde er. Lukas Giefers ist seit einigen Jahren Mitglied in der Psychosozialen Unterstützung (PSU) und der Notfallseelsorge des Kreises Höxter. Heute leitet der 32-Jährige beide Gruppen, die mittlerweile zur Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) zusammengelegt wurden. Damit löst er seinen langjährigen Vorgänger Pater Thomas Wunram ab. Bereits seit seinem 16. Lebensjahr engagiert sich Giefers bei der Freiwilligen Feuerwehr Amelunxen. "Mein Opa und mein Bruder sind in der Feuerwehr gewesen. Da war mein Interesse geweckt", erinnert er sich. Mit 18 Jahren absolvierte er die Grundausbildung zum Feuerwehrmann. Mittlerweile ist er Gruppenführer und Oberbrandmeister der Feuerwehr Amelunxen. Erste Berührungspunkte mit der PSU hatte Giefers vor elf Jahren. Damals gründete Pater Thomas Wunram das PSU-Team, um die Notfallseelsorger bei Einsätzen zu entlasten. Das PSU-Team unterstützt insbesondere die Einsatzkräfte. "Ganz nach dem Motto 'Helfer helfen Helfern'", sagt Giefers. Dabei geht es sowohl um die Vorsorge, also die Vorbereitung der Einsatzkräfte auf mögliche psychische Reaktionen, die nach Einsätzen bei ihnen auftreten können. Andererseits ist der Austausch untereinander über das Erlebte beim Einsatz wichtiger Teil der Arbeit. "Das könnte was für dich sein" Löschgruppenführer Karl-Josef Rode brachte den damals 21-jährigen Giefers damals auf die Idee, sich in der PSU zu engagieren. "Geh doch mal hin, das könnte was für dich sein", seien laut Giefers seine Worte gewesen. Und so absolvierte er die Ausbildung zum PSU-Helfer beim ehemaligen Leiter der Feuerwehr- und Notfallseelsorge Pater Thomas Wunram. "Als PSU-Helfer leitet man vor allem die Nachgespräche mit den Kameraden", erklärt Giefers. Später folgte dann noch die Weiterbildung zum PSU-Assistenten in Münster. Darunter fallen umfangreichere Aufgaben, wie einzelne Beratungsgespräche mit Kameraden, aber auch die Durchführung von Präventionsmaßnahmen. Lesen Sie auch:Tödliche Unfälle im Kreis Höxter: Belastungsprobe für die Helfer Seine Gründe für die Ausbildung waren vielfältig: "Es bedeutet mir sehr viel, meine Kameraden unterstützen zu können. Und auch die fachliche Herausforderung, beispielsweise zu lernen, was es heißt, eine posttraumatische Belastungsstörung zu haben, hat mich sehr gereizt", erzählt der 32-Jährige. Nach einigen Jahren als PSU-Assistent, entschied sich Giefers zusätzlich die Ausbildung zum Notfallseelsorger bei der Landeskirche zu machen. Ein sicherer Ort Notfallseelsorger sind speziell für die Betreuung von unverletzten Unfallbeteiligten und Angehörigen der Opfer zuständig. "Wenn Notfallseelsorger zu einem Unfallort gerufen werden, geht es zunächst darum, unverletzte Beteiligte aus der Situation herauszunehmen und einen sicheren Ort zu schaffen. Das kann auch erstmal der Einsatzbulli sein. Die Hauptsache ist, dass sich die Person in Sicherheit fühlt", erklärt Giefers, der 2016 die Leitung der PSU im Kreis übernahm. Wenn Personen beim Unfall verstorben sind, ist es ebenfalls Aufgabe der Notfallseelsorger, gemeinsam mit der Polizei zu den Angehörigen zu fahren. Dort ist die Polizei für die Überbringung der Todesnachricht zuständig. Danach setzen die Seelsorger an: "Wir fangen die Emotionalität der Betroffenen auf und versuchen, Ordnung in die Situation zu bringen." Dabei gehe es auch darum, gemeinsam mit den Angehörigen zu überlegen, wer zur Unterstützung vorbeikommen kann, welche weiteren Angehörigen informiert und welche nächsten Schritt getan werden müssen. "Wir bleiben solange, bis wir einen sicheren Rahmen für die Menschen geschaffen haben. Bis wir mit gutem Gefühl wieder fahren können. Das kann manchmal eine Stunde, manchmal auch acht Stunden dauern. Das ist sehr unterschiedlich", berichtet Giefers, der hauptberuflich in der stationären Jugendhilfe Warburg tätig ist. "Jeder Einsatz prägt" Als Leiter der Psychosozialen Notfallversorgung, in der aktuell 28 Menschen tätig sind, ist er neben seiner Funktion als Seelsorger vor allem für die Koordination der Einsätze zuständig. Unterstützt wird er in der Führung des Teams von Sandra Brökel, Markus Frewer und Luca Augstein. Sie sind die Sprecher der PSU und der Notfallseelsorge im Kreis. "Generell ist alles, was in der PSNV passiert, eine Gruppenleistung von allen Mitgliedern. Es gibt keine Hierarchien bei uns, wir agieren als Team", betont Giefers. Auch die Zusammenlegung der PSU und der Notfallseelsorge sei eine Teamentscheidung gewesen. Trotz der Freude an seiner Tätigkeit, präge ihn auch jeder Einsatz auf gewisse Weise. "Ich bin selbst Vater. Wenn ich wegen eines plötzlichen Kindstods zu einem Hausbesuch gerufen werde, bewegt mich das natürlich. Wenn ich die Polizei bei der Überbringung einer Todesnachricht begleite und die verstorbene Person in meinem Alter ist, macht das auch etwas mit mir. Da frage ich mich, ob ich das Leben lebe, was ich leben möchte. Ich denke jeder Einsatz betrifft auch immer die Seelsorger in irgendeiner Form." Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Mitglieder der PSNV, die ihre Arbeit ehrenamtlich ausführen, selbst ein stabiles Netz im Rücken haben. "Das Team, meine Kameraden in der Löschgruppe und auch meine Familie geben mir immer Rückhalt. Ich weiß, dass ich immer zu ihnen kommen kann, wenn ich Redebedarf habe", erzählt Giefers. "Wenn das gegeben ist, ist es nicht mehr schwer, anderen Menschen in Krisensituationen zu helfen".

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