"Mit Gefühl im Po": Wie ein Weser-Fährmann die Überfahrten in Höxter erlebt

Höxter. Leise surren die beiden Motoren hinter ihm. Unangestrengt, denn das kleine Boot fährt ein paar Meter mit der Strömung. Ein paar Sekunden völlige Entspannung. &bdquo;Ist das nicht traumhaft“, fragt Karl-Josef Kruse und zeigt mit seiner rechten Hand auf die Weser unter dem strahlend blauen Himmel und die grünen Weserauen, während die linke das Lenkrad fest hält. Es sind diese Momente, wegen derer der Rentner seine neue Aufgabe liebt: Kruse ist einer der ehrenamtlichen Fährmänner der neuen Weserfähre in Höxter. Ein Augenblick nur. Schon im nächsten sind Kruses Gesichtszüge angespannt. Er muss die Fähre und seine Passagiere sicher an Land bringen. Keine leichte Aufgabe. Denn hier, in Höhe des Freibades in der langgezogenen Kurve ist der Strömungsdruck groß, zudem ist der Weserpegel merklich gesunken, schwankt an der Messstelle Corvey um gut einen Meter. In der Fahrrinne. Links und rechts davon sind die Kiesbänke gut zu sehen. Es braucht Zeit und Erfahrung, um problemlos die Fähre zu steuern. Und viel Feingefühl. &bdquo;Ich lenke die Fähre mit dem Po“, sagt der ehemalige Bundeswehroffizier, der als Soldat schon viele, auch große Fähren gefahren hat. Will sagen, er spürt anhand der Vibrationen, wie tief das Wasser ist. Natürlich schaut er auch sehr genau hin. Und seinem Blick entgeht nichts. Ein Fehler - Holli läuft auf Grund Nur ein kleiner Fehler und Kruse läuft mit der &bdquo;Flotte Holli“ auf Grund. &bdquo;Ist mir heute morgen erst passiert“, sagt Kruse. Dabei ist ihm ein weiterer Plastikpropeller kaputt gegangen. Grund war eine neu aufgeschwemmte Kiesbank am Anleger beim Bootshaus. Um dort jetzt überhaupt noch anlanden zu können, schiebt er die Fähre jetzt fast in den Busch. &bdquo;Bitte etwas die Köpfe einziehen“, rät der 72-jährige den acht Fahrgästen beim Aussteigen. Alle haben sie ein Fahrrad dabei. Wie die meisten, die übersetzen wollen. Die Elektromotoren sind inzwischen lauter, auch wenn die Fähre steht. Sie kämpfen gegen die Strömung, während fünf neue Fahrgäste einsteigen. Auch wenn zur späten Vormittagszeit gerade etwas &bdquo;Flaute“ ist, auf Passagiere warten muss Kruse nie. Immer ist jemand da, der kostenlos übersetzen möchte. Heißt im Umkehrschluss: Er hat auch keine Pause. Außer zwischen 13 und 14 Uhr, denn dann müssen die Akkus des Schiffes geladen werden. Sonst reicht es nicht bis zum Abend. Einmal laden reicht nicht Aktuell reicht einmal Zwischenladen aber nicht aus. Deshalb hängt die Fähre schon am späten Vormittag wieder am Kabel. Ein Akku ist defekt, ein Fachmann will sich am Nachmittag die Sache ansehen. Den Strom gibt es von der benachbarten Baustelle. Wenigstens auf 26 Prozent Akkukapazität will Kruse nachladen, damit es bis zum Mittag reicht. Eine halbe Stunde Zwangspause. Er atmet einmal tief durch. &bdquo;Es könnte so schön sein, wenn alles perfekt funktionieren würde“, sagt er. Einen Kommentar, den die wartenden Fahrgäste am Ufer sofort aufnehmen. Sofort ist Kruse im Gespräch, erläutert mit vielen Gesten die Probleme, die es aktuell noch gibt und die die wartenden Fahrgäste offenbar gut aus der Berichterstattung der vergangenen Tage kennen. Geschichte oft erzählt Unzählige Male scheint der Fährmann diese Geschichte erzählt zu haben. Man merkt ihm die Routine an. Er wirkt ein bisschen wie ein Entertainer mit seiner Sonnenbrille unter dem Schattendach der Fähre steht er und erzählt. So erfahren die Passagiere, dass er morgens schon kurz vor 5 Uhr aufsteht, wenn er Fährdienst hat. Und dass er erstmal ordentlich frühstückt, weil er Tagsüber nicht dazu kommt. Gegen 6.20 Uhr ist er dann am Corveyer Hafen, bereitet die Fähre vor und &bdquo;tuckert“ die Weser stromaufwärts. Sehr langsam, er muss Strom sparen. Um 7 Uhr warten dann schon die ersten Fahrgäste am Schotterweg, der bis in die Weser führt. Eine Stunde Pause hat er von 13 bis 14 Uhr. Ladezeit, zum Ausruhen kommt er nicht wirklich. Läuft alles gut, fährt die Fähre abends bis 20 Uhr. Dann geht es zurück in den Corveyer Hafen. Die Fähre wird festgemacht und wiederum geladen. Drei Fährleute übernehmen zurzeit diese ehrenamtliche Aufgabe, für die es eine kleine Aufwandsentschädigung gibt. Bald sollen weitere hinzukommen, wenn sie die nötigen Papiere und Prüfungen haben. Kruse gibt zu, dass die Fährtage anstrengend sein können. Es mache aber auch viel Spaß. Vor allem die Begegnungen und Gespräche mit den Menschen Beispielsweise wenn sich die Fahrgäste herzlich bedanken oder gemeinsam auf der Fähre das Weserlied anstimmen. Dann ist auch er hinterm Steuer entspannt. Und dann kann er auch über die vielen, teils arg böswilligen und beleidigenden Kommentare lachen, die die Fährleute nach den anfänglichen Pannen schier überfluteten. Sie zeugen vor allem von großer Unkenntnis. Natürlich läuft noch nicht alles perfekt. Und besonders der niedrige Wasserstand bereitet Kruse große Sorgen. Sinkt er noch ein bisschen weiter, wird die Fähre im Sommer nicht mehr fahren können. &bdquo;Das sollte jeder wissen“, sagt der Fährmann. Ein wenig stolz Doch bei allen Problemen, die sich bei der Fähre im aktuellen Probebetrieb noch zeigen, ein bisschen stolz ist Kruse auf die kleine Flotte Holli, die jeweils zehn Personen mitnehmen auf der rund fünfminütigen Reise mitnehmen darf, auch: Am vergangenen Samstag habe sie bei bestem Freibadwetter rund 900 Passagiere übergesetzt. Hinzukommen kamen mehr als 600 Fahrräder. Macht mehr als 90 Überfahrten &bdquo;Das ist schon Wahnsinn“, bekennt er. Und dann zieht er die Ladestecker. Genug geredet und genug Strom für die nächsten Überfahrten.

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