Vorwurf: Höxteraner LGS grenzt Menschen mit Behinderung systematisch aus

Höxter. Das Wort Skandal ist öffentlich nicht gefallen. Gleichwohl fühlen es die Mitglieder des Behindertenbeirats Höxter offenbar so. Denn die Geschäftsführerin der Höxteraner Landesgartenschau und städtische Baudezernentin Claudia Koch ist am Mittwoch nicht zur Sitzung des Behindertenbeirats erschienen. Sie ist nicht Mitglied des Gremiums, war aber als Sachverständige zu einem wichtigen Tagesordnungspunkt geladen. Um genau zu sein, es wäre der wichtigste Tagesordnungspunkt der gesamten Sitzung gewesen. &bdquo;Ich weiß nicht, warum Frau Koch heute nicht gekommen ist, aber es ist sehr schade, denn ich habe eine Menge Fragen, die ich sehr gerne gestellt hätte“, sagte die Beiratsvorsitzende Cordula Reich. &bdquo;Information und Beratung über Aspekte der Barrierefreiheit auf der Landesgartenschau 2023, Referentin: Claudia Koch, Baudezernentin der Stadt Höxter und Geschäftsführerin Landesgartenschau Höxter 2023 gGmbH“, war der Tagesordnungspunkt überschrieben. &bdquo;Ich kann mir schon vorstellen, dass die Planer wenig Interesse daran haben, dass da noch jemand bei den Plänen mitreden will, aber wir sind nicht diejenigen, die dort Sand ins Getriebe streuen, sondern wir setzen uns dafür ein, dass der Besuch der Gartenschau auch für Menschen mit Einschränkungen ein schönes Erlebnis wird“, sagte die Ausschussvorsitzende. Es ist noch nicht oft vorgekommen, dass ein Referent eine Rats- oder Fachausschusssitzung einfach verschwitzt hätte. Wenn das Erscheinen aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, wird das Gremium selbstverständlich vorher benachrichtigt. Für den Behindertenbeirat galt das nicht, dort gab es nur Ratlosigkeit. Information erst, wenn Entscheidungen schon gefallen sind Niemand unterstellte der Geschäftsführerin eine böse Absicht, aber das auch vorher schon bestehende Gefühl, dass von der Gartenschauführung die Belange von Menschen mit Behinderung nicht ausreichend ernst genommen würden, hat jetzt noch mal ordentlich Nahrung bekommen. &bdquo;Es entspricht ja auch der allgemeinen Erfahrung dieses Beirats, dass wir immer erst informiert werden, wenn die Entscheidungen praktisch schon gefallen sind und wir kaum die Zeit haben, die Sache ordentlich zu prüfen und die fehlerhafte Planung sich erst zeigt, wenn es eigentlich schon zu spät ist und dann sehr teuer nachgebessert werden muss“, sagte Reich. Ein Beirat ist nicht mit den Befugnissen eines ordentlichen Fachausschusses ausgestattet. Er kann Vorhaben weder durchsetzen noch verhindern. Dem Beirat steht allein ein Anhörungsrecht zu. Er darf den Rat, seine Ausschüsse und die Verwaltung in allen Fragen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen betreffen, beraten. Was der Rat dann damit macht, steht auf einem anderen Blatt. Gleichwohl aber ist auch der Behindertenbeirat ein demokratisch legitimiertes Gremium des Stadtrats. Einfach wegbleiben, geht nicht. »Das beste Beispiel ist der Fehlschuss mit den Bank-Patenschaften« Beiratsmitglied Hermann Loges, Ratsvertreter der BfH, ging sogar noch weiter und warf der Stadt, respektive der Gartenschaugesellschaft vor, die Belange von Menschen mit Behinderung systematisch auszugrenzen. &bdquo;Der richtige Weg wäre doch, den Behindertenbeirat als konstruktives Gremium in die Planung einzubinden, aber das findet einfach nicht statt“, sagte Loges. &bdquo;Das beste Beispiel ist der Fehlschuss mit den Bank-Patenschaften“, pflichtete der stellvertretende Ausschussvorsitzende Alexander Pieper bei. Das Gartenschau-Areal entlang des Walls soll mit 51 Sitzbänken aufgewertet werden. &bdquo;Ich finde das schon krass daneben, wenn dort gerade mal acht Bänke mit Armlehnen aufgestellt werden sollen, wobei eigentlich bekannt sein müsste, dass gerade auch viele ältere Menschen darauf angewiesen sind, sich auf den Armlehnen abzustützen, wenn sie sich hinsetzen wollen, was am Ende dazu führt, dass die, die Sitzgelegenheiten am meisten brauchen, am wenigsten davon haben“, sagte Pieper. Aber es kommt noch dicker: Ein Teil der Kosten soll über Bank-Patenschaften reingeholt werden. Nun sind aber genau die acht Bänke mit den kleinen seitlichen Armlehnen auch noch 40 Prozent teurer. Aus Sicht der Inklusion hätte man diese Produkte gar nicht erst in dieser Weise auswählen dürfen. Auch Stephan Wieners, Leiter des Kompetenzzentrums selbstbestimmt Leben im Regierungsbezirk Detmold, der als Gast an der Sitzung teilnahm, stellte fest, dass die Gartenschaugesellschaft in Bezug auf die Integration von Menschen mit Behinderung sehr unglücklich agiere und forderte strengere Auflagen durch das Land. &bdquo;Die Gartenschau wird maßgeblich über Steuergelder des Landes gefördert, da sollte es selbstverständlich sein, dass auch die Belange von Menschen mit Behinderung besser berücksichtigt werden, zumal am Ende alle von einer gelungenen Barrierefreiheit profitieren“, betonte Wieners. Obwohl die Bank-Patenschaften schon im letzten Jahr gestartet wurden, ist das Vorhaben bislang eher erfolglos geblieben. Auch die erneute Mobilisierung zum Familien-Freitag im letzten Monat hat bislang nicht viel gebracht. Von den möglichen 51 Bänken wurden in einem ganzen Jahr gerade mal fünf Patenschaften vergeben. Eine Sitzbank mit Seitenlehne ist nicht dabei.

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