Ärger über Testpflicht für Praxisteams: Facharzt droht mit "Konsequenzen"

Kreis Höxter. "Sabotageakt", "Aprilscherz", "unverschämt": In einem offenen Brief macht Wolfgang Avenhaus, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie sowie Vorsitzender des Gesundheitsnetzes im Kreis Höxter seinem Ärger über die Corona-Politik Luft. Das neue Infektionsgesetz setze jahrelangen Missständen "die Krone auf". Adressiert ist das Schreiben an Ärztekammer, Presse und auch CDU-Bundestagsmitglied Christian Haase, "in der Hoffnung, auf diese Weise Gehör für ein Anliegen zu finden, das nicht nur mich umtreiben dürfte, und ermuntere Sie ausdrücklich, ebenfalls tätig zu werden. Vielleicht können wir gemeinsam etwas bewirken." Vor allem kritisiert Avenhaus die jüngsten Entscheidungen der Berliner Politik in Sachen Coronavirus. "Am vergangenen Freitag war ich bereits fassungslos angesichts des Sabotageakts unseres geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers mittels Ankündigung einer Kontingentierung des Impfstoffs der Firma Pfizer/Biontech", schreibt der Mediziner. Jens Spahn hatte angekündigt, Impfstofflieferungen des Herstellers Biontech/Pfizer deckeln zu wollen. Inzwischen spricht Spahn von einem "Kommunikationsfehler". Weil in den vergangenen Wochen enorm viel Biontech-Vakzin nachgefragt worden sei, seien die Lager erst einmal leer. "Ich kann's deswegen nicht zurückziehen, weil es einfach eine Frage der verfügbaren Menge ist", sagte Spahn im ZDF. Bei den niedergelassenen Ärzten hat der "Kommunikationsfehler" gleichwohl für Trubel gesorgt. Mittlerweile habe sich Spahn in einem Schreiben ausdrücklich bei den Hausärzten entschuldigt, erklärt Avenhaus. Dennoch bleibe "das schale Gefühl" zurück, dass die Politik den niedergelassenen Ärzten "in keiner Weise zugetraut hat, dass sie die Impfkampagne derart engagiert vorantreiben würden". Dabei hätten die vergangenen anderthalb Jahre gezeigt, dass in den Praxen "ganz erhebliche zusätzliche Anstrengungen" unternommen worden sein, um Corona und das Alltagsgeschäft unter einen Hut zu bekommen. Testpflicht ein "Aprilscherz" Zu dem schalen Gefühl kommt jetzt das überarbeitete Infektionsschutzgesetz, von dem Avenhaus offenbar wenig begeistert ist. Es schreibe vor, dass Ärzte und Psychotherapeuten sowie deren Personal tagesaktuelle Antigentests vorlegen müssen - unabhängig vom Impfstatus. Ganz abgesehen davon, dass er es "grundverkehrt" findet, dass die epidemische Lage beendet wurde, habe er diese Testpflicht für einen "Aprilscherz" gehalten, sie sei gar eine "Brüskierung". "In unserer Praxisgemeinschaft arbeiten drei Ärzte und zwölf Medizinische Fachangestellte", berichtet Avenhaus. "Seit Beginn der Pandemie im März des vergangenen Jahres haben wir erhebliche Anstrengungen unternommen, um Infektionen innerhalb der Praxis zu verhindern. Selbstverständlich tragen wir kontinuierlich medizinische beziehungsweise seit geraumer Zeit wieder ausnahmslos FFP2-Masken." Alle Praxismitglieder seien vollständig geimpft inklusive Booster. Teils bestehende Vorbehalte hätten durch intensive Gespräche ausgeräumt werden können. "Dass wir infolge der seit heute geltenden Neuregelungen de facto auf eine Stufe mit hartnäckigen Impfverweigern gestellt werden, ist für mich schlichtweg unverschämt und ausgesprochen demotivierend", ärgert sich Avenhaus. "Besonders bizarr ist, dass Patienten, die möglicherweise ungeimpft oder infiziert in unsere Praxis kommen, wie bisher ohne verpflichtende Testung behandelt werden müssen." Hinzu kommen zeitlicher Mehraufwand und die ungeklärte Kostenfrage. Missstände dauern schon länger an "Dass wir uns aktuell in einer historischen Krise befinden, liegt ganz sicher nicht an dem mangelnden Engagement der Beschäftigten im Gesundheitswesen, sondern, insbesondere während der vergangenen Wochen, an einer teils unbegreiflichen politischen Konzeptlosigkeit, gerade im Umgang mit der viel zu großen Zahl an Ungeimpften", stellt Avenhaus klar. Das überarbeitete Infektionsschutzgesetz sei eine Zumutung und eine "massive Brüskierung", die, falls sie nicht zurückgenommen werde, "zweifellos nicht ohne Konsequenzen bleiben wird". Welche Konsequenzen könnten das sein? Nun, landauf, landab drohen Ärztinnen und Ärzte bereits damit, ihre Praxen ganz zu schließen. Vor allem Haus- und Kinderärzte. Die "jüngsten Fehlgriffe" setzten einem schon länger währenden Missstand "die Krone" auf. "Leider muss ich feststellen, dass meine Tätigkeit als Facharzt von gesundheitspolitischer Seite schon seit längerer Zeit wenig geschätzt, ja teilweise regelrecht sabotiert wird." Als Beispiele nennt Avenhaus Terminservice- und Versorgungsgesetz, Digitalisierung, Budgetierung relevanter Leistungen oder ständig steigende Hygienekosten. "Immer wieder verursachen teils populistische, teils unausgereifte oder völlig zur Unzeit verordnete Maßnahmen Frust und Ärger, wohingegen eine Verbesserung der Patientenversorgung hierdurch keineswegs erreicht wird." +++Update+++ NRW hat die Testpflicht mittlerweile entschärft. Statt jeden Tag muss das Praxisteam nur noch jeden zweiten Tag getestet werden. "Immerhin ein geringerer Aufwand", sagt Avenhaus auf Anfrage.

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