Ein Höxteraner Dorf erinnert an seine jüdischen Bürger

Höxter-Fürstenau. Es war ein bewegender Moment, der unter die Haut ging, als die Namen der 23 aus Fürstenau deportierten Jüdinnen und Juden verlesen wurden, während 23 Kinder und Jugendliche für jeden Deportierten eine weiße Rose am Mahnmal niederlegten. So empfand das auch Kreisdirektor Klaus Schumacher, der seine Gefühle während seiner Ansprache zur Einweihung des Fürstenauer Mahnmals zum Ausdruck brachte. Das neue Mahnmal, das zur Erinnerung an die Fürstenauer Opfer des Holocausts errichtet worden ist, wurde feierlich enthüllt im Beisein von mehr als 150 Menschen aus Fürstenau und der Region. &bdquo;Wir werden ein für uns großes Zeichen setzen, für Fürstenau und alle umgebenden Dörfer, für Höxter und für Ostwestfalen", sagte Initiator Michael Stoltz, bevor er das Mahnmal gemeinsam mit Bürgermeister Daniel Hartmann, Kreisdirektor Klaus Schumacher und Co-Initiator Ferdinand Welling enthüllte. Die Idee des Mahnmals geht zurück auf Harry Lowenstein (90), der als Helmut Löwenstein in Fürstenau geboren wurde und als Holocaust-Überlebender im Jahr 2018 seinen Heimatort besucht hatte. Lowenstein lebt heute in Florida (USA). Löwenstein konnte nicht persönlich an der Einweihung teilnehmen, hatte aber einen Brief verfasst, den Stolz während der Zeremonie verlas und in dem er Grüße nach Fürstenau ausrichten ließ. Auf zwei Bronzetafeln, die an einer Wesersandstein-Stele an beiden Seiten angebracht sind, stehen die 21 Namen der Fürstenauer Mitbürger jüdischen Glaubens, die den Holocaust nicht überlebt haben, sowie die Namen von Carla Pins und Helmut Löwenstein, die überlebt haben. Die Menschen wurden 1941 und 1942 genau von dem Ort aus deportiert, wo sich heute das eingeweihte Mahnmal befindet. Die Gestaltung hat die in Fürstenau aufgewachsene Künstlerin Sabine Hoppe übernommen, jetzt in Braunschweig. &bdquo;Wir sind glücklich, mit welchem Engagement sie sich dieser Aufgabe gestellt hat", sagte Stoltz. Auch Bürgermeister Daniel Hartmann lobte die künstlerische Umsetzung. Sabine Hoppe sei es eindrucksvoll gelungen, die Deportation der jüdischen Mitbürger darzustellen. Die Verzweiflung der Menschen lasse sich in ihren Gesichtern auf dem Relief ablesen. Alle 21 Menschen sind mit ihren Gesichtern auf dem Relief abgebildet, die teilweise von Fotos nachempfunden wurden. Links auf dem Bild befindet sich die Fürstenauer Synagoge, rechts das Tor in das Ghetto und somit der Weg in den Tod. Sabine Hoppe hat das Relief noch einmal in kleiner Version in Bronze gießen lassen für Harry Lowenstein und seine Familie. Das kleine Modell des großen Mahnmal-Reliefs soll in Kürze auf die Reise in die USA gehen. &bdquo;Die Juden waren in Fürstenau beliebt und geachtet" Der Zeremonie beigewohnt haben auch die 96-jährige Wilma Schröder (älteste Bewohnerin Fürstenaus), Johannes Neumann (90) sowie Else Galler (93). Es sind die wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die viele der Menschen jüdischen Glaubens noch persönlich gekannt haben und aus dessen Leben Stoltz in seiner Ansprache mit einigen Sätzen berichtete: &bdquo;Die Juden waren in Fürstenau beliebt und geachtet. Sie waren in das Dorfleben voll integriert. Die meisten Fürstenauer waren auch während der Nazi-Zeit den jüdischen Mitbürgern wohlgesonnen." Wilma Schröder erinnert sich noch daran, als die Menschen aus Fürstenau abgeholt wurden: &bdquo;Ein Lkw kommt, vielleicht auch Pferdefuhrwerke. Bewaffnete Fremde stehen Wache. Man versteckt sich hinter den Fensterscheiben, vor Aufregung beschlagen die Scheiben durch die feuchten und schnellen Atemzüge. So beobachten wir, wie 1941 fast alle jüdischen Bewohner abgeholt wurden. Nur vier Personen können noch bleiben – vorerst. 1942 wurden dann auch die Bachmanns abgeholt. Wir Kinder waren zu Hause und hörten gegenüber dieses Geschrei und einen ungewöhnlichen Lärm. Ich schob die Gardine etwas zur Seite, um nachzusehen, was da los ist und blickte plötzlich in einen Gewehrlauf. Ich zog mich erschrocken zurück und wagte nicht mehr, aus dem Fenster zu sehen." Über Bielefeld ging der Sammeltransport gen Osten in das Konzentrationslager Riga. Sehr emotional verlas Stoltz die Erinnerungen. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Lehren aus der Geschichte Bürgermeister Daniel Hartmann sprach in seiner Rede von &bdquo;Erinnerungskultur". Es gehe ihm nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Tendenzen, andere Menschen auszugrenzen, müsse man entschieden entgegentreten, so Hartmann. Allen Beteiligten sprach Hartmann seinen Dank aus. Kreisdirektor Klaus Schumacher lobte vor allem das Engagement von Stoltz und Welling. Beide Initiatoren hätten mit Unterstützung der Jacob-Pins-Gesellschaft sehr engagiert für die Realisierung des Mahnmals eingesetzt. Antisemitismus habe keinen Platz in unserer Gesellschaft.

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