So süß, so fies: Der Waschbär wütet im Kreis Höxter

Kreis Höxter. Es gibt zwei Sorten von Menschen, sagt Claus Knipping, Vorsitzender vom Hegering Beverungen. Die einen, das seien diejenigen, die unter Waschbären litten. Und zwar so sehr, dass sie sagten: &bdquo;Gebt mir Gas, eine Waffe, eine Panzerfaust, eine Schaufel – und ich hau den Waschbären weg." Und es gebe die anderen, die vom Waschbär nicht betroffen seien. Diese Menschen fänden die kleinen Räuber oft süß und manche würden sie sogar füttern. Zur ersten Kategorie Mensch gehören im Kreis Höxter immer mehr. Denn der Waschbär breitet sich aus, macht es sich gerne in der Nähe der Menschen gemütlich und richtet Schäden an. In der Natur und im Geldbeutel. Was er frisst &bdquo;Aufklärung tut Not", sagt Knipping. Der Waschbär ist eine invasive Art. Also ein Tier, was hier nicht heimisch ist. Unglücklicherweise sind die Tiere aber sehr geschickt und bezogen auf den Speiseplan sehr flexibel. &bdquo;Sie fressen Singvögel und deren Gelege, junge Hasen und Kaninchen bis hin zu seltenen Schlangen- und Krötenarten. Manche fressen denen sogar nur den hinteren Teil, die Froschschenkel, ab und lassen den Rest liegen", erklärt der Experte. Waschbären sagen aber auch zu Biomüll – wahlweise auf dem Kompost oder in der Tonne serviert – nicht nein, verschlingen Vogel- und Katzenfutter oder pflücken Kirschen, Erd- oder Stachelbeeren. Hochburg Kreis Höxter Neben der Städten Kassel und Bad Karlshafen ist der Kreis Höxter mit am stärksten vom Waschbär betroffen, sagt Knipping. Das zeigen auch Fangzahlen. 2017/18 wurden im Kreis 3.699 Tiere gefangen oder getötet. Das sind 21,5 Prozent aller Tiere, die im selben Zeitraum in NRW erlegt wurden. 2019/20 machten die Tiere aus dem Kreis Höxter immerhin noch 15 Prozent aus. Der Nabu geht davon aus, dass in der Waschbär-Hochburg Kreis Höxter aktuell zehn bis 15 Tieren auf 100 Hektar Fläche kommen. &bdquo;Hier hat die Population offensichtliche ihre Kapazitätsgrenze erreicht", heißt es. Wo sie leben Waschbären leben gerne in der Nähe von Menschen. Auf Dachböden zum Beispiel. Wer ein oder mehrere Tiere bei sich entdeckt, sollte sich Hilfe beim zuständigen Waschbärenbeauftragten suchen. In Bad Driburg ist das Ina Hegemann. &bdquo;Ein bis zweimal pro Woche klingelt bei mir das Telefon", berichtet sie. Sie hat das Gefühl, dass die Tiere immer mehr zum Problem werden, dass sie insgesamt deutlich mehr werden. Und dass sie unfassbare Schäden anrichten. In einem Haus hätten Waschbären für einen Schaden in Höhe von 600 Euro gesorgt. &bdquo;So haben die auf dem Dach rumrandaliert." In einem anderen Fall hätten die Allesfresser die gesamte Dämmung unterm Dach abgerissen und überall Kot und Urin verteilt. Die Exkremente seien in wieder einem anderen Haus irgendwann sogar durch die Decke getropft. Wilderei und Tierschutz Wichtig ist – egal wie groß die Waschbärnot ist – Betroffene sollten nie selbst tätig werden. Lisa Maluck-Husemann, Sprecherin der Kreisjägerschaft in Höxter, erklärt, dass viele, um Kosten zu sparen, einfach in den Baumarkt führen, um dort eine passende Falle zu kaufen. Das wäre jedoch Wilderei oder Tierquälerei und ist somit verboten. &bdquo;Man darf nicht einfach Fallen aufstellen", sagt Maluck-Husemann mit Nachdruck. Einerseits gebe es verbotene Fallen wie Fangeisen. &bdquo;Die findet man aber immer noch – allerdings aufgestellt von Wilderern und nicht von Jägern." Aber auch Lebendfallen dürfen nur Menschen aufstellen, die entsprechend geschult sind. &bdquo;Und die Grundvoraussetzung ist immer ein Jagdschein." Viel bringen würde es ohnehin nicht, die Tiere irgendwo auszusetzen. Denn Waschbären sind sehr standorttreu. Heißt: Sie kommen wieder Aktuell kommt noch hinzu, dass Waschbärinnen ihre Jungen aufziehen. Muttertiere dürfen also auf keinen Fall getötet werden, sagt Maluck-Husemann. Der Nachwuchs hingegen schon. &bdquo;Das mag paradox klingen, aber eine Mutter kann ohne die Jungtiere leben, die Jungtiere ohne Mutter nicht." Verlieren Welpen die Mutter, werden sie verhungern. Ein langsamer, qualvoller Tod. Kurz: Tierquälerei. Natürliche Feinde Ina Hegemann hat Waschbären-Jungen gefangen und später geschossen. &bdquo;Auch wenn mir das schwerfällt, denn natürlich sind die putzig." Aber Waschbären gehörten hier einfach nicht her. &bdquo;Es nimmt Überhand." Denn die Räuber haben – im ausgewachsenen Zustand – eigentlich keinen natürlichen Feind. Menschen erster Kategorie einmal ausgenommen. &bdquo;Da wäre vielleicht noch der Luchs", sagt Claus Knipping. Der könne zumindest auch auf Bäume klettern. Aber erstens sei der nicht weit genug verbreitet und zweitens entscheide sich der Luchs, wenn er die Wahl zwischen Reh und Waschbär hätte, wohl eher fürs Reh, an dem mehr Fleisch sei. Krankheiten Jäger hofften lange auf die Staupe. Die Krankheit sollte die Waschbär-Populationen dezimieren. Geklappt hat das nicht. Nur vereinzelt seien Tiere dem Virus zum Opfer gefallen, sagt Knipping. Stattdessen ist eher ein Parasit des Waschbären gefährlich für den Menschen. Die Eier des Waschbär-Spulwurms, der im Darm der nachtaktiven Räuber lebt, werden mit dem Kot ausgeschieden. Die Larven wiederum können bei Menschen, die damit in Berührung kommen, Gewebe zerstören. Im Bereich der Augen sogar zur Erblindung führen, wie Ina Hegemann erklärt. Besonders kleine Kinder seien gefährdet, wenn sie Hinterlassenschaften anfassten.

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