„Ja, ich bin radikaler geworden“: Klaus Töpfer über Klimaschutz

Höxter. Klaus Töpfer schaut aus dem großen Fenster des Wohnzimmers in den Garten und zeigt auf die stumpfe Spitze eines trockenen Nadelbaumes nebenan. Die sei vor wenigen Tagen beim Sturm angebrochen, erzählt er. Und mitten zwischen Rüttgers und Merkel in den Garten geschlagen. Rüttgers und Merkel in Töpfers Garten? Der 82-Jährige schmunzelt. Ja, den Baum links vorn hat er einmal vom ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers bekommen. Der andere ist von Kanzlerin Angela Merkel. Eine Zierkastanie. Zu seinem 80. Geburtstag 2018. Zwischen dem Vortrag zu 50 Jahren Städtebauförderung in Köln, einem Interview beim NDR, Terminen in Münster und Warburg beim Zehnjährigen der Erd-Charta am letzten Juni-Wochenende sowie seinem Engagement in Berlin ist der 82-Jährige mal wieder daheim in Höxter. Kurz. Ja, sagt er lächelnd beim Blick in den Garten an der Grünen Mühle, es gehe ihm gut. Er sei viel unterwegs. Und er kämpft auch noch fast 30 Jahre nach dem Klimagipfel von Rio 1992, als er Bundesumweltminister und mit dabei war, unermüdlich weiter, hält Vorträge, zieht Parallelen und Schlüsse, sagt seine Meinung. Wie immer hoch-eloquent, aktuell informiert. Für das Klima, für die Nachhaltigkeit, für die Kreislaufwirtschaft, für die repräsentative Demokratie. &bdquo;Denn etwas Besseres als die fällt mir im Moment nicht ein. Sie ist überlebensnotwendig." Vielleicht überlebensnotwendiger denn je, &bdquo;denn wir leben in einer neuen Gesellschaft der Singularitäten", sagt Töpfer mit Bezug auf einen Buchtitel. Einer Gesellschaft, in der man nicht das Gemeinsame, sondern die Unterschiedlichkeiten betone. Um dann mit Blick nach vorn philosophisch Ernst Bloch zu zitieren und zu mahnen: &bdquo;Nur jenes Erinnern ist fruchtbar, das zugleich erinnert, was noch zu tun ist." In einer veränderten Gesellschaft, in der schnelle Info und Meinungen auf dem Markt seien. In der Fakten und Fake nur noch schwer zu unterscheiden seien. In der es einer neuen &bdquo;Kultur der Kompromisse" bedürfe: &bdquo;Das ist mir sehr bewusst geworden in der Diskussion um die Spitzenkandidatur in der CDU und insgesamt in den Rollenerwartungen". Ein Kompromiss sei keine Schwäche, sondern zeuge von Stärke. Als er auf der großen politischen Bühne begann, habe es im Parlament drei Parteien gegeben – heute seien es sieben. Deshalb sei eine &bdquo;im guten Sinne konservative Partei" in der schnelllebigen Welt des Wandels ein wichtiger Stabilisator – damit Veränderung auch bewahren könne. Aber er mahnt auch: &bdquo;Politik darf sich dafür nicht den Zeitmaßstab vorgeben lassen." 1992 war er bei der Konferenz von Rio dabei, als Grundpflöcke für den Klimaschutz eingeschlagen werden sollten – was ihm den Ruf einbrachte, der erste Grüne in der CDU gewesen zu sein. Wie sieht er die Situation 30 Jahre später? Auch vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in Afrika als Exekutivdirektor bei den Vereinten Nationen? &bdquo;Die Welt wird immer enger und mobiler", sagt Klaus Töpfer auch mit Blick auf &bdquo;unmenschliche Bilder" der Geflüchteten am Mittelmeer, die &bdquo;wir nicht wegschieben dürfen". Afrika mit seinem großen jungen Bevölkerungsanteil und den kleinen Durchschnittseinkommen ist für ihn das Thema: &bdquo;So lange wir keine gerechte Welt haben, werden wir auch keine friedliche Welt haben." Und Ungerechtigkeiten werde man nicht mit Mauern beseitigen – Stabilität nicht mit den Mauern in den Köpfen herstellen. &bdquo;Ja, ich bin radikaler geworden", bekennt der Höxteraner. &bdquo;Denn ich habe acht Jahre in Afrika miterlebt." Der größte Erfolg Auch während der Corona-Pandemie könne Klimapolitik betrieben werden – Politik, die wirtschaftlich sei. Für ihn der größte Erfolg der deutschen Klimapolitik: &bdquo;Dass wir die Solarenergie so billig gemacht habe, dass wir sie überall nutzen können." Auch und gerade im Sonnengürtel der Welt. Anfangs, sagt Töpfer über die Technik, sei alles erst einmal teuer. Doch diese Technik so zu vervielfältigen und einzusetzen, dass die günstig und schnell übertragbar sei auf Plätze in der Welt und Menschen helfe, das ist für ihn der Gewinn. Und: &bdquo;Wo wären wir heute, wenn wir resigniert hätten?" Sich zufrieden geben mit dem Erreichten, das könne und dürfe man aber nicht. Und so fragt er sich selbst: &bdquo;Bis Du nachhaltig genug?", kauft lokal und regional ein und lässt sich auch mal vom Hofschild am Straßenrand – frische Eier aus Bodenhaltung – zum Abbiegen und Einkaufen auf eben diesem Hof bewegen. Es sei &bdquo;die Verpflichtung" junger Menschen, die Politik zu hinterfragen: &bdquo;Nicht glauben, sondern Dinge massiv in Frage stellen", fordert Töpfer die junge Generation auf, Wissen und Wahrheit abzuwägen und in Einklang zu bringen. Es sei nicht allein der Protest wichtig, sondern das daraus folgende Handeln. &bdquo;Und dabei selbst Verantwortung zu übernehmen." Sein Appell und seine Motivation an die Jugend: &bdquo;Seid mündige Menschen!"

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