Astrazeneca für alle: Das müssen die Menschen im Kreis Höxter jetzt wissen

Kreis Höxter. &bdquo;Es gibt ein Leben nach Corona", sagt der Hausarzt und ärztliche Leiter des Impfzentrums Brakel, Dr. Jens Grothues. &bdquo;Wir geben weiter Gas, sind mittlerweile sehr routiniert im Ablauf. Aber derzeit ist es nicht lustig." Denn der Mediziner kämpft sich mit seinem Team wie viele andere Kollegen durch die wechselnden Impfstrategien und zeitlich extrem engen Strukturen. Ja, es gibt einen Plan und klar strukturierte Impfaktionen. Aber: Die Ungeduld und die Erwartungshaltung der Menschen sowie die Belastungen für die Hausarztpraxen werden mit der Erreichbarkeit der Impfmöglichkeiten größer. Das macht es nicht leichter: In der kommenden Woche sollen eine Million Astrazeneca-Dosen an die Arztpraxen in Deutschland geliefert werden, die ohne Priorisierung vergeben werden. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an. Zuvor hatten Bund und Länder die Priorisierung mit einer festen Vorrangliste für diesen Impfstoff aufgehoben. Künftig ist es dem Arzt in Absprache mit dem Impfling auch freigestellt, den Abstand für eine Astra-Zweitimpfung von zwölf auf bis zu vier Wochen zu verkürzen. Es entsteht ein "Wahnsinnsdruck" Was bedeutet das für die heimischen Hausärzte? Ein Umswitchen. Schon wieder. Grothues’ Kollege Dr. Ulrich Polenz, bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KVWL) verantwortlich für die Impfzentren im Hochstift, spricht von einem &bdquo;Wahnsinnsdruck", der jetzt entstehe. Hinzu komme, dass Patienten versuchten, an mehreren Stellen zeitgleich Impftermine zu bekommen, weil ein &bdquo;nicht stillbarer Bedarf" da sei. &bdquo;Die Nerven liegen überall blank." Und ob das Impftempo über den Sommer zu halten sei, das bezweifelt Polenz mit Blick auf enorme zusätzliche Arbeitsbelastungen der Hausarzt-Teams. Um diese Belastungen aufzufangen – am Donnerstag impfte Grothues’ Praxis-Team in Beverungen 70 Menschen in eineinhalb Stunden mit Astrazeneca – müsse man andere Sprechzeiten reduzieren, sagt Grothues. In Deutschland müssten jeden Tag eine Million Menschen geimpft werden. Mindestens. Er hätte sich gewünscht, dass die Ankündigung von Spahn ihnen dafür zeitlich etwas mehr Luft hätte bieten können. Man sei im Wahlkampf und wolle sechs Wochen später die Öffnungsstrategien bieten können für die zweimal Geimpften. Aber: Vier Wochen zwischen Erst- und Zweitimpfung mit Astra, das ist nach Ansicht von Grothues viel zu wenig Zeit: Der Impfschutz sinke laut Studien von 70 auf nur noch 55 Prozent nach der zweiten Impfung. Deshalb fährt Grothues in der Praxis die Sechs-Wochen-Strategie zwischen Erst- und Zweitimpfung. Geduld und Verständnis? Nächste Woche kämen 300 Astra-Dosen in der Praxis an, das werde in zwei konzertierten Impfaktionen in der Woche vor Pfingsten &bdquo;ohne Problem" an die Frau und den Mann gebracht werden. Aber auch hier fährt man eine eigene Impf-Strategie in der Praxis: Astra nur für Frauen ab 40 Jahren. Grothues bestätigt: Der Ton gegenüber dem ärztlichen Personal ist deutlich rauer geworden, Druck und Aggression würden am Telefon aufgebaut. Geduld und Verständnis? Fehlanzeige. &bdquo;Anfangs waren Geimpfte dankbar", ergänzt Hausarzt-Kollege Polenz. &bdquo;Heute wird auf die Uhr geschaut mit dem Hinweis: Ich habe den Termin aber vor einer Viertelstunde gehabt." Er befürchtet, dass das noch extremer wird, dass mit der Freigabe und Aufhebung der Priorisierung nun die Kanalisierung der Termine wegfällt – zumal für zweifach Geimpfte attraktive Lebensbedingungen in Aussicht gestellt würden. &bdquo;Dabei vergisst man, dass diese gleichen Freiheiten immerhin auch an zwei Tagen für die negativ Getesteten gelten." Sein Appell an Patienten, doch die Möglichkeiten zu nutzen, die man extra für die Impfungen angeschafft habe: die Info-Bandansage am Telefon (mit dem Drücken der richtigen Nummer) und die Möglichkeit, sowohl online einen Termin zu buchen als auch die jeweils freigeschalteten Handynummern vor der neuen Vergaberunde zu nutzen. &bdquo;Die Helferinnen sind derzeit 90 Prozent der Arbeitszeit mit dem Thema Impftermine beschäftigt – sie wissen abends nicht mehr, wie sie selbst heißen", so Polenz. Praxis-System wird immer wieder ausgehebelt Hinzu komme, dass das für die Impfabläufe überlegte System der Praxis immer wieder ausgehebelt werde. Terminvergabe in sechs Wochen für die Erstimpfung – Terminvergabe für die Zweitimpfung in den sechs Wochen drauf: Das funktionierte schon deshalb nicht, weil für die erste Runde nicht genügend Impfstoff geliefert wurde. Und damit in Runde zwei noch zwei Drittel der Patienten zunächst eine Erstimpfung erhielten. Polenz hätte es &bdquo;günstiger" für alle gefunden, zunächst eine Inzidenz von unter 50 abzuwarten: &bdquo;Dann hätten wir mehr Zeit gehabt. Aber es ist wie es ist." Er appelliert jedoch an Verständnis und Geduld der Patienten: &bdquo;Es ist wie im Bus: Es können nicht alle in der ersten Reihe sitzen."

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