
Höxter/Lüchtringen. Dass ein Hundehasser und ein Hundehalter wohl keine Freunde werden, das ist nicht verwunderlich. Dass ein Wiedersehen vor Gericht stattfindet, ist jedoch nicht die Norm. Im Fall von zwei Lüchtringern ist ein lange schwelender Konflikt eskaliert und wurde nun vor dem Amtsgericht Höxter verhandelt. Gefährliche Körperverletzung lautete die Anklage gegen Walter V. (alle Namen geändert). Er habe den Geschädigten Uli H. mit einem Kantholz attackiert.
Walter V. und Uli H. trennt vor allem eins: die Einstellung zu Hunden. Für V. ein Freund und Haustier, für H. keineswegs. Walter V. und seine Frau meiden schon lange den Weg vorbei am Haus des H., wo dieser Scherben auf dem Gehweg auslege und einen laut piependen Bewegungsmelder habe, der Tiere vertreiben solle. Uli H. unterstellt dem Angeklagten, dass dessen Hunde immer „auf den Bürgersteig kacken" würden.
Der Geschädigte spricht von versuchtem Totschlag
Im Oktober 2018 eskalierte dann die Situation. Uli H. ging an dem Haus des Angeklagten vorbei, worauf die Hündin hinter dem Tor kläffte. Walter V. gibt an, „ein anderes Kläffen als sonst" von der Hündin vernommen zu haben, und jemand habe gegen das geschlossene blickdichte Tor gebollert. Beim Öffnen des Tores sah sich V. dann dem Nachbarn gegenüber, welcher zuvor „Ich drehe der Töle gleich den Hals um" gerufen haben soll, so erzählt der Angeklagte. „So etwas würde ich nie sagen", meinte der 68-jährige Uli H. Von einem Gegenstand in H.s Hand habe sich V. bedroht gefühlt und auch einen Schlag gespürt – später stellte sich heraus, dass es eine gerollte Zeitung gewesen war – und mit einem Kantholz zugeschlagen.
Der Angeklagte beteuert vor Gericht, dass er nur denjenigen, der gegen das Tor bollerte, habe vertreiben und niemanden verletzen wollen. Er habe in der Aufregung mit dem Kantholz zugeschlagen, zeigt sich der 53-Jährige geständig. Was er bedaure. „Das ist nicht meine Art." Einmal habe er Uli H. geschlagen und am Arm getroffen, welcher eine Prellung und Abschürfungen davongetragen habe. H. gab jedoch an, es seien zwei Schläge gewesen und spricht vor Gericht sogar von „versuchtem Totschlag".
Unterschiedliche Aussagen und Ungereimtheiten
Grundsätzlich schildert er die Situation gänzlich anders als der Angeklagte. Er sei erst aus der Ferne bedroht worden. „Wenn ich dich erwische, bringe ich dich um", habe V. ihm hinterhergerufen. Woraufhin H. wieder zum Nachbarhaus zurückging und wissen wollte, was der Grund für diese Bedrohung sei. Doch V., welcher laut H. „wieder mal alkoholisiert" gewesen sein soll, sei nicht zu sehen gewesen.
Auf dem Weg zu seinem Haus sei H. dann hinterrücks von V. attackiert worden. Einer der zwei Schläge sei sogar an seinem Kopf abgeprallt und dann auf die Schulter gegangen. Wogegen jedoch die Fotos der Polizei sprechen, denn Verletzungen am Kopf waren keine zu sehen. Der Staatsanwalt hinterfragte den Hergang und hatte Zweifel an der Schilderung des Zeugen. Ein Schlag mit dem Kantholz, der am Kopf abprallt, hinterlasse Spuren, betonte auch Richterin Christina Brüning.
Zwei Tage nach dem Ereignis suchte der Geschädigte einen Arzt auf. Er habe Schmerzmittel einnehmen müssen. „Ich konnte mich auf der Seite kaum noch bewegen", so seine Aussage. Dass er die Hündin attackiert oder am Tor gerüttelt haben soll, stritt H. ab. Dass er hinterrücks attackiert wurde, widerlegte eine Zeugin. Sie hörte V. schreien, sah durch ihr Fenster, dass H. vor dem Haus auf- und abging. Sie ging vor die Haustür und sah dann, wie Walter V. und Uli H. sich gegenüber standen und V. dann H. mit dem Kantholz schlug. Sie berichtet von einem Schlag.
Sie habe gerufen, er solle aufhören, es würde nichts bringen. „Er hat dann nur, was er will", sagte die 40-Jährige und beschreibt das Verhalten des Geschädigten als provozierend. Uli H. sei zudem nicht weggegangen und habe sich auch nicht gewehrt. „Dazu bin ich körperlich gar nicht in der Lage", betont H. vor Gericht. Eine Prügelei würde lebensgefährlich für ihn sein.
Nur zum Teil glaubhafte Ausführungen des Zeugen
Als weitere Zeugin trat eine Polizeikommissarin auf, die später vor Ort war. Eine Wunde am Kopf wurde von den Beamten nicht festgestellt. Von den anderen Verletzungen wurden Fotos gemacht. Auf die Polizeikommissarin habe der Angeklagte nicht alkoholisiert gewirkt, kein Lallen oder Torkeln. Einen freiwilligen Alkoholtest habe er jedoch abgelehnt.
Der Staatsanwalt sah den Sachverhalt der Körperverletzung als erwiesen an, die Aussagen des Geschädigten seien aber „nur zum Teil glaubhaft", führte er in seinem Abschlussplädoyer an. Dennoch sei die Tat mit Vorsatz und nicht fahrlässig geschehen, Notwehr sah er nicht als gegeben an. Aber wegen der wechselseitigen Provokationen und der „relativ überschaubaren Schwere der Verletzungen" plädierte er für 5.400 Euro Geldstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung im minderschweren Fall. Der Schlag in Richtung Hals-Kopf-Bereich ging zulasten des Angeklagten. „Es hätte Schlimmeres passieren können", betonte der Staatsanwalt.
Einstellung des Verfahrens abgelehnt
Das sah auch Richterin Brüning so, die die vom Verteidiger vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens schon im Prozessverlauf ablehnte. Der Verteidiger betonte, dass der Geschädigte H. zur Dramatisierung neige. Er bat um eine milde Strafe für seinen nicht vorbestraften Mandanten.
4.050 Euro Geldstrafe (90 Tagessätze zu je 45 Euro) lautete das Urteil. Es klinge nach viel Geld, aber es sei die untere Grenze dessen, was gesetzlich möglich ist. Denn auch im minderschweren Fall werde ein solches Delikt mit mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe geahndet, welche umgewandelt 90 Tagessätze ergeben.