Brakel/Kreis Höxter. Steigende Zahlen seit mehreren Jahren: Immer mehr Angehörige von suchtkranken Menschen suchen Rat bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sucht- und Drogenberatung: „Viele Mütter, Väter, Kinder, Partner und Geschwister von suchtkranken Menschen haben sich gemeldet, die der Erkrankung ihres Angehörigen hilflos gegenüber standen und stehen“, heißt es. „Mehr als die Hälfte der Ratsuchenden sind Eltern.“ Im vergangenen Jahr hätten sich die Zahlen dann auf hohem Niveau stabilisiert.
Gruppentreffen
Im Mai 2023 startete eine neue Angehörigengruppe in Brakel. Im 14-tägigen Rhythmus treffen sich Menschen mit ganz unterschiedlicher Betroffenheit: Väter und Mütter, Ehepartner und Ehepartnerinnen. Der Bedarf an Gesprächen und Unterstützung sei groß. Sie wissen: „Ein wichtiges Motiv, sich Rat zu holen, ist es, dem Angehörigen helfen zu wollen und ihn oder sie zu motivieren, sich selber Unterstützung zu holen.“ Daneben existiere aber oft auch das Bedürfnis, über die eigene Betroffenheit zu berichten. „In diesem Sinne muss die Suchterkrankung eines Menschen immer auch als Familienerkrankung betrachtet werden“, sagen die Experten.
Verhalten
Angehörige seien vielfach mit betroffen – ohne direkt etwas an der Suchterkrankung ändern zu können und ohne die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die die Situation der Suchterkrankung verändern können. Sie wissen: „Häufig fühlen sich Angehörige in ihrer Situation alleine und dazu noch schuldig, weil sie es nicht schaffen, die Situation entscheidend zu verändern. Das Leben dreht sich um den suchtkranken Menschen und die Übernahme der Verantwortung in den Lebensbereichen, die nicht mehr funktionieren.“ Dieses Verhalten führe aber oft eher dazu, dass sich suchtkranke Menschen auf die gebotene Hilfe verließen und keine Motivation entwickelten, etwas an ihrem Suchtverhalten zu ändern.
Wegschauen
Zudem schauten Freunde und die entfernteren Familienangehörigen häufig weg, wenn die Situation schwierig werde mit einem suchtkranken Menschen in der Familie. Ein Teufelskreis entstehe, aus dem Angehörige oft nicht mehr ohne professionelle Hilfe aussteigen können. Angehörige machen oft die Erfahrung, dass sich die Aufmerksamkeit und die Unterstützung des Hilfesystems primär auf den suchtkranken Menschen richten.
Isolation
Ein Weg aus dieser Verstrickung und Isolation Angehöriger von suchtkranken Menschen kann es demnach es sein, als Angehöriger selber Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine angeleitete Gesprächsgruppe kann als Form der Selbsthilfe sehr wirksam und hilfreich sein: Es kann ein geschützter Ort entstehen, an dem Menschen ähnlich Betroffene kennenlernen. Ein Ziel einer Angehörigengruppe kann es sein, belastende Ereignisse aus einer persönlichen Sicht zu schildern und auch Gefühle der Sorge, Angst und Hilflosigkeit zu äußern- und dabei verstanden zu werden. „Für die Betroffenen – in dieser Gruppe sind sie als Angehörige die Betroffenen – müssen die eigene Gesundheit und das eigene Leben wieder an Bedeutung gewinnen, ansonsten drohen Angehörige unter dem enormen Druck selber zu erkranken.“
Austausch
Viele sind den Angaben zufolge bereits erkrankt, wenn sie sich in der Beratung melden: Einige litten unter depressiven- oder psychosomatischen Erkrankungen, andere erkrankten selber an einer Sucht. Die Erfahrung zeige, dass die Balance in der Beziehung mit einem suchtkranken Menschen schwer zu halten ist: Wie kann es gelingen, sich selber zu schützen, Hilfe anzubieten und dabei zu akzeptieren, wenn gerade diese Unterstützung nicht angenommen wird? Immer wieder berichteten Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus der Gruppe, dass sie den Erfahrungsaustausch als ungeheuer entlastend und befreiend empfänden. In der Gruppe gelingt es, neue Perspektiven zu entwickeln und die Fokussierung auf den erkrankten Angehörigen behutsam aufzulösen.
Aktionswoche
Die DHS, die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, hat in diesem Jahr die Angehörigen suchtkranker Menschen in den Fokus ihrer Aktionswoche Alkohol gerückt. Dabei sind als Angehörige nicht nur Familienmitglieder gemeint. Alle besorgten Menschen werden hier angesprochen: auch Arbeitgeber, Nachbarn und Freunde. Die Aktionswoche findet bundesweit von Samstag, 8. Juni, bis Sonntag, 16. Juni, statt. Es sind viele Aktionen geplant, um den Angehörigen suchtkranker Menschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Sprechstunde
Die Sucht- und Drogenberatung der Caritas in Brakel bietet dabei eine offene Sprechstunde für Angehörige an. Besorgte Menschen können am Montag, 10. Juni, zwischen 13 und 17 Uhr dort anrufen und sich informieren- oder einfach vorbeikommen. Die Beratung ist kostenfrei und unterliegt der Schweigepflicht. Die offene Sprechstunde ist unter Tel. 05272 371451 oder beim Beratungszentrum Brakel, Sucht- und Drogenberatung, Kirchplatz 2 in Brakel zu erreichen.