Pflegender Angehöriger aus Kirchlengern: „Mein ganzes Leben hat sich verändert“

Kirchlengern. Eigentlich ist es Walter Peters zunächst gar nicht so recht, dass seine Geschichte in der Zeitung erscheinen soll. Allerdings: Zu erzählen hat der 86-Jährige einiges. Und er kommt ins Reden, wenn er danach gefragt wird, wie sich sein Leben innerhalb des vergangenen Jahres verändert hat. Seine Frau Ilse erkrankte an Demenz, wurde pflegebedürftig. &bdquo;Plötzlich musste ich Dinge tun, die ich mein ganzes Leben nicht tun musste“, erzählt Peters. &bdquo;Ich hatte ganz viel zu lernen – auch über die Krankheit.“ Und schließlich fällte er die Entscheidung, seine &bdquo;Ille“ in eine Einrichtung zu geben. &bdquo;Das war schwer, aber richtig. Ich musste auch an mich denken“, sagt der 86-Jährige heute. Doch von vorn: Alles begann vor gut einem Jahr. &bdquo;Meine Ille und ich waren im Wiehengebirge spazieren – wir sind immer gerne zusammen in der Natur unterwegs gewesen“, erzählt Peters. Als die beiden wieder nach Hause kamen, habe seine Frau ihn plötzlich gefragt: &bdquo;Was bist Du denn für einer?“ Er habe das zunächst gar nicht richtig ernst genommen, sagt Walter Peters. &bdquo;Ille, Mensch, ich bin doch dein Männeken, habe ich gesagt. Und dann war der ganze Spuk auch wieder vorbei.“ Doch diese Situationen häuften sich – und das in rasantem Tempo. Schnell war klar: Ilse Peters ist an Demenz erkrankt – und zwar an einer Form, die schnell voranschreitet. &bdquo;Meine Frau wollte immer nach Hause. Obwohl sie eigentlich zu Hause war. Ich habe das erst gar nicht verstanden, und es war auch manchmal schwer, geduldig zu bleiben und nicht zu schimpfen“, so Walter Peters, der plötzlich auch im Haushalt gefordert war. &bdquo;Vorher waren die Aufgaben klar verteilt“, sagt der gelernte Maurer. &bdquo;Alles, was drinnen zu tun war, machte meine Frau, alles was es draußen – im Garten und am Haus – zu tun gab, erledigte ich. Das galt jetzt nicht mehr.“ Lieb haben, und sich auf keine Diskussion einlassen Die Herausforderungen für Walter Peters wurden immer größer, und er suchte sich Unterstützung. &bdquo;Ich bin in eine der Angehörigengruppen von Karin Alex gegangen. Da habe ich viel gelernt im vergangenen Jahr. Was Besseres hätte ich nicht machen können“, sagt Peters. Es sei – gerade für einen pflegenden Mann – nicht selbstverständlich, dass er sich aktiv Hilfe suche, betont Demenzberaterin Karin Alex, die vor allem in Hiddenhausen und in Herford regelmäßig Gruppen für pflegende Angehörige anbietet. &bdquo;Die Pflege ist immer noch weiblich, und für Männer ist die Hürde höher“, weiß sie. Walter Peters merkte schnell, wie gut ihm der Austausch mit anderen Betroffenen tat. &bdquo;Und ich habe viel gelernt, auch den Umgang mit meiner Frau und Verständnis für sie aufzubringen.“ Ein Tipp von Karin Alex funktionierte zum Beispiel auf Anhieb: Als Ilse das nächste Mal sagte, sie wolle gerne nach Hause, setzte Walter Peters sich mit seiner Frau ins Auto. &bdquo;Wir sind ein bisschen rumgefahren und dann wieder nach Hause gekommen. Da war es dann gut.“ Lesen Sie auch: Demenz – Fakten und Therapiemöglichkeiten für Betroffene im Überblick Vieles von dem, was er in den Angehörigengruppen gehört habe, habe er vorher nicht gewusst, sagt Peters. &bdquo;Im Grunde gelten für den Umgang zwei Dinge“, fasst er zusammen. &bdquo;Lieb haben und sich auf keine Diskussionen einlassen.“ Letzteres ist noch einmal wichtiger geworden, seit Peters sich im März entschloss, seine Frau in eine Einrichtung zu geben. &bdquo;Der Haushalt, die Hilfe beim Anziehen und alles, was damit zusammenhängt – irgendwann konnte ich nicht mehr“, so der 86-Jährige. Bestärkt wurde er von Karin Alex: &bdquo;Oft heißt es, Erkrankte würden abgeschoben. Davon kann keine Rede sein“, betont die Demenzberaterin. &bdquo;Es ist einfach wertvoller, seinen Partner, seine Mutter oder seinen Vater für zwei Stunden entspannt zu besuchen, als immer völlig überlastet und ohne Geduld zu Hause zu pflegen und dabei selbst zu vereinsamen“, weiß Alex aus Erfahrung. Individuell passende Ansprache ist entscheidend Um sich - wie gelernt – nicht auf Diskussionen einzulassen, wurde Walter Peters kreativ, als es darum ging, seine &bdquo;Ille“ vom Umzug in die Einrichtung zu überzeugen: &bdquo;Ich habe gesagt, das sei ein Kurheim. Und dass sie ja in ihrem Leben genug gearbeitet habe. Das habe sie sich jetzt mal verdient“, erzählt Peters. Für ihn sei das immer noch ein bisschen &bdquo;wie lügen“. Aber er spüre selbst, wie seine Frau viel entspannter und zufriedener sei. &bdquo;Wenn ich sie besuche, freut sie sich. Und wenn ich wieder fahre, will sie mit. Dann sage ich, dass ich arbeiten muss und dass ich danach noch einmal vorbeischaue. Das akzeptiert sie. Das ist für uns beide besser.“ Auch interessant: Herforder Demenzberaterin gibt neun Tipps, wie wir das Risiko selbst senken können Die individuelle Ansprache sei entscheidend, weiß Karin Alex. &bdquo;Nicht alles funktioniert da für jeden oder jede. Das hat auch viel mit der jeweiligen Biografie zu tun.“ Ein Beispiel: Einem Erkrankten, der beruflich viel zeichnen musste, habe sie einmal ein Blatt Papier mit Blumen zum Ausmalen und Stifte mitgebracht. &bdquo;Ich habe dann gesagt, dass ich noch ganz viel Arbeit hätte. Dass diese Blumen alle noch ausgemalt werden müssten und gefragt, ob er mir helfen könnte.“ Stundenlang habe der Mann völlig zufrieden die Blumen ausgemalt. &bdquo;Ich habe ihn am Ende gefragt, ob er etwas dafür bekomme. Und er sagte natürlich, das sei nicht nötig, das habe er so für mich gemacht.“ Wertschätzung und die individuell passende Ansprache könnten bei Demenzpatienten vieles einfacher machen. Das weiß auch Walter Peters. Gerade, am 18. Dezember, hat er mit seiner &bdquo;Ille“ die Diamantene Hochzeit gefeiert – in der Einrichtung mit Kaffee und Kuchen. Auch Pfarrer Sergej Klause sei dabei gewesen. &bdquo;Das war ein schöner Nachmittag, und Ille hat dem Pfarrer ganz genau zugehört“, so Peters. Viele hätten ihm im Vorfeld von der Feier abgeraten. &bdquo;Aber das ist ja unser gemeinsamer Festtag – also auch meiner. Und ich bin froh, dass wir das zusammen erlebt haben.“ Vereinsamung kann für pflegende Angehörige zum Problem werden Froh ist Walter Peters am Ende auch über die Veröffentlichung seiner Geschichte in der Zeitung. &bdquo;Schließlich kann das anderen helfen und Mut machen, die in einer ähnlichen Situation sind“, sagt er. Und eine Hoffnung hat er noch: &bdquo;Ich habe zwar Verständnis dafür, dass sich einige Freunde und Bekannte nicht mehr gemeldet haben“, sagt er. Sie seien wohl ähnlich überfordert gewesen mit der Erkrankung seiner Frau wie er selbst. &bdquo;Aber das Alleinsein ist nicht schön. Vielleicht meldet sich der eine oder andere ja mal wieder.“ Wer in einer ähnlichen Situation ist wie Walter Peters, kann sich – auf Wunsch auch anonym – bei Karin Alex melden unter Tel. 05221/66779. 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