Freilichtbühne Bökendorf gelingt mit "Big Fish" ein ganz großer Wurf

Brakel-Bökendorf. Wenn man mal schaut, was auf den anderen 30 Freilichtbühnen in NRW so läuft, dann sticht die Freilichtbühne Bökendorf doch sehr hervor. Eine Freilichttheater-Weltpremiere und dann noch als Musical – so viel Ambition traut sich sonst niemand zu. Hier setzt die Freilichtbühne einen Maßstab im Theatersommer. &bdquo;Natürlich könnten wir einfach einen netten Abend nach bewährtem Rezept gestalten, aber das ist nicht unser Anspruch, wir wollen ermutigen und auch zumuten“, begrüßte die Vorsitzende Verena Becker am Samstagabend das Premierenpublikum in der restlos ausverkauften Freilichtbühne. Das war vor der Aufführung. Aber wird das auch gelingen? Wie reagiert das Publikum auf &bdquo;Big Fish“, ein Musical, von dem noch niemand im Auditorium vorher gehört hatte? Die Reaktion des Publikums nach der mehr als dreistündigen Aufführung sprach für sich. Fast eine Viertelstunde dauerten die tosenden, stehenden Abschlussovationen. Man kann ruhig von restloser Begeisterung sprechen. &bdquo;Ich habe die ganze Handtasche voll zerknüllter Taschentücher, so sehr hat mich die Aufführung mitgenommen“, sagte eine Besucherin. Die musikalische Tragikomödie &bdquo;Big Fish“ ist beileibe keine leichte Story. Der Handelsreisende Edward Bloom lebt mit seiner Frau Sandra und seinem Sohn Will in Alabama. Will sieht seinen Vater nur selten und kennt ihn nur als &bdquo;Big Fish“ – als jemanden der immer die tollsten Dinge erlebt, die wagemutigsten Prüfungen besteht und dem die unglaublichsten Figuren begegnen – eben als jemanden, der immer die dicksten Fische fängt. Seine Erzählungssammlung liest sich größer wie die von Münchhausen und abenteuerlicher als die der Marvel-Helden. Sein Vater ist Superman, ein Riesenbändiger und Hexenbeschwörer in einer Person – aber was hiervon ist Realität und was Fiktion, was wahr und was erfunden? Erst am Sterbebett erkennen Vater und Sohn einander wirklich. Theater nach Romanvorlage Die Romanvorlage von John August wechselt die Zeiten, mal wird in der Gegenwart erzählt, mal in der Vergangenheit, mal aus Kinder-, mal aus Erwachsenenperspektive. Wie bekommt man das auf der Bühne umgesetzt? Durch Doppelbesetzungen derselben Personen in unterschiedlichen Altersphasen, wie es ja auch im diesjährigen Familienstück der &bdquo;Unendlichen Geschichte“ schon sehr gut funktioniert. Regisseurin Melanie Herzig hat die vielschichtige Geschichte in überzeugender Weise und mit feinem Gespür für emotionale Tiefen mit vielen Perspektivwechseln in Szene gesetzt. Mal zoomt sie die Akteure ganz nah ran und dann bereitet sie wieder ein großes Panorama aus, das alle 40 Mitwirkenden in fulminanten Massenszenen auf der Bühne agieren lässt. Aber das Ensemble agierte nicht nur, es sang eben auch. Wenn diese Inszenierung der Freilichtbühne etwas hat, das sogar die Broadway-Produktionen übertrifft – zumindest soweit, wie das, was man davon in Erfahrung bringen kann – dann sind es die Chorszenen. Hier hat der musikalische Leiter der Freilichtbühne, Hans-Martin Fröhling, ganze Arbeit geleistet. Obwohl die Chorpassagen gar nicht so wichtig und tragend für die Handlung sind, ziehen sie sich doch wie ein roter Faden der Klangschönheit durch die gesamte Produktion. München, Leverkusen, Mainz und Gelsenkirchen, wo Big Fish schon als Hallen-Musical gelaufen ist, hatten alle professionelle Musical-Sänger zur Verfügung. Die Freilichtbühne Bökendorf ist nach wie vor ein Laientheater. Aber dennoch wurde auch hier professionelle Gesangskunst auf höchstem Niveau abgeliefert. Jonas Fromme, Joss Spieker-Siebrecht, Dominik Scholz, Jule Loermann, Lisa Hasenbein, Vanessa Versen, Magnus Knipping und Christina Meyer zeigten neben schauspielerischer Kunst auch höchst ansprechende Gesangsleistungen. Dürfte man nur einen Namen nennen, dann sollte in diesem Jahr der von Jonas Fromme (26) besonders genannt werden, der die Figur des jungen Edward Bloom zu seinem Alter ego gemacht zu haben schien und auch gesanglich zu einem perfekten Musicaldarsteller gereift ist. Es gibt noch Tickets Bis zum 9. September wird Big Fish an der Freilichtbühne Bökendorf noch 16 Mal aufgeführt. Karten gibt es auch bequem online über die Homepage (freilichtbuehne-boekendorf.de).

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