Premiere an der Freilichtbühne Bökendorf liefert rauschendes Fest der Sinne

Brakel-Bökendorf. Da brat mir doch einer nen Storch, wenn das nicht die Eselsmütze von 2006 ist? Wenn sie es tatsächlich ist, hat Regisseur Stephan Bestier (39, Köln) eine gelungene Reminiszenz an eine ehemals sehr gelungene Sommernachtstraum-Inszenierung der Bökendorfer Freilichtbühne geleistet und wenn sie es nicht ist, macht es auch nichts, denn für die Dramaturgie des Stückes würde auch eine Packpapiertüte mit der Aufschrift &bdquo;Esel“ genügen. Die Eselsmütze in Shakespeares Sommernachtstraum ist die einzige Requisite, die doof und albern aussehen darf, alles andere muss perfekt sein. Perfektionismus ist auch das entscheidende Stichwort, um das Spektakel zu charakterisieren, das am Samstag auf der Bökendorfer Freilichtbühne Premiere hatte und vom ausverkauftem Auditorium frenetisch gefeiert wurde. Es war eine rasante Inszenierung, es war eine mitreißende Inszenierung und es war eine sehr zeitgemäße Inszenierung die Regisseur Stephan Bestier (39) mit Shakespeares &bdquo;Sommernachtstraum“ als diesjährigem Abendstück der Freilichtbühne Bökendorf auf die Beine gestellt hat. Im letzten Jahr hatte der Kölner Theatermacher mit dem Familienstück Pippi Langstrumpf sein Regiedebüt in Bökendorf gegeben. Das war schon Entertainment der Spitzenklasse. Beim Sommernachtstraum hat man das Gefühl gehabt, hier durfte ein wirklich kreativer Geist aus dem Vollen schöpfen. Und er musste sich auch nicht an die lizenzfreie Schultheaterübersetzung von August-Wilhelm Schlegel von 1797 halten, sondern hatte die kostenpflichtige 1997er neue Referenzübersetzung vom Verlag der Autoren zur Verfügung. Recht strenge Werktreue Schaut man sich die Vita von Stephan Bestier an, finden sich dort viele Stücke, die einem Regisseur wenig Freiheiten einräumen. Auch &bdquo;Pippi Langstrumpf“ zwang zu einer recht strengen Werktreue. Ganz anders dieser Shakespeare-Klassiker. Nur der Text ist gesetzt. Alles andere darf der Regisseur neu erfinden. Die einzigen Grenzen werden durch die eigene Fantasie gesetzt. Und das sind bei Stephan Bestier keine engen Grenzen. Shakespeares Sommernachtstraum besteht aus drei Welten, der Welt der Götter, der Welt der Menschen und der Welt Elfen, einer merkwürdigen Zwischenwelt, nicht so allmächtig wie die Götter, aber auch nicht so irdisch wie die Welt der Menschen, so wie die Traumwelt sich zwar den Zwängen der Realität entziehen, sie aber eben auch nicht überwinden kann. Dieser Welt wendet Stephan Bestier seine besondere Aufmerksamkeit zu. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt einer im besten Sinne modernen Theaterproduktion. Mit dem Team der Garderobe ist es gelungen, für die Waldgeister einen eigenen Modestil zwischen Mad Max und Woodstock zur kreieren. Diese Waldgeister sind keine ätherischen Wesen, sondern haben regelrechte street credibility. Modernes Theater ist für Schauspieler kein Zuckerschlecken. Modernes Theater gehorcht drei Gesetzen. Sie lauten Timing, Timing und Timing. Jede Geste, jeder Satz, jeder Gang, alles gehorcht dem unbarmherzigen Gesetz des Timings. Wenn das aber gelingt, und jede schauspielerische Aktion auf dem Punkt sitzt, entfaltet die Szene einen faszinierenden Sog, der den Zuschauer fesselt und nicht mehr los lässt. Neuer Maßstab gesetzt Das gelingt Bestier in einer Weise, wie es die Freilichtbühne noch nicht gesehen hat. Dieser Sommernachtstraum setzt einen neuen Maßstab. Maik Hünnefeld (28) brilliert als Oberon und scheint unter der Regie von Stephan Bestier in ganz neue Sphären intensiver Bühnenpräsenz gereift zu sein. Aber auch Paulina Koers, (25, Titania) die als Leihgabe des Freilichttheaters Bad Bentheim für diesen Sommer nach Bökendorf gewechselt ist, Lea Gasse als Puck, Joss Spieker-Siebrecht als Lysander und Carsten Mayer als Zettel, sie alle haben wie das rund 30-köpfige Ensemble insgesamt, die anspruchsvolle Timing-Herausforderung angenommen und machen diesen Sommernachtstraum zu einem traumhaften Sommererlebnis, oder mehr noch zu einem rauschenden Fest der Sinne. Dazu tragen auch die Maskenbildner maßgeblich bei. Obwohl die Distanz zwischen Publikum und Spielerschar nicht unerheblich ist, wurde jedes kleinste Detail Millimeter genau ausgeführt. Es ist ein bisschen so wie bei den Steinmetzen im Mittelalter, die in schwindelnder Höhe der Kirchenfassaden fein gemeißelte Figuren hinterlassen haben, die niemand sehen kann, außer Gott. So bekommt Elfenkönigin Titania für jede Aufführung ein Schlangentatoo auf den Körper geklebt, das sich über die Brust zum Hals hochzieht. Kein Mensch im Publikum nimmt es bewusst war, aber es wirkt trotzdem, nur weil es da ist. 15 Aufführungen Der Sommernachtstraum wird bis zum 3. September, noch 15 Mal aufgeführt. Infos zu Karten und Terminen gibt es auf der Homepage der Freilichtbühne (freilichtbuehne-boekendorf.de). Dort lassen sich Karten auch direkt online buchen.

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