Der Herr der Mikrofon-Puschel: Schulze-Cleven gibt sein Unternehmen ab

Brakel. Ein Schreibtisch soll ja viel über den Menschen, der an ihm sitzt, aussagen. Da gibt es die Ordentlichen, für die jeder Kugelschreiber, jeder Notizblock einen festen Platz hat. Und dann gibt es Archibald Schulze-Cleven. Unsortierte Stapel an Papieren türmen sich vor ihm auf. "Ich finde Vieles selbst nicht wieder", sagt er, hat dafür aber eine ganz pragmatische Lösung: "Was unten liegt, hat sich meist ohnehin erledigt." Diese nach außen hin wie Chaos anmutende Arbeitsweise zeigt Erfolg. Er hat sein Unternehmen zu einem weltweit führenden Anbieter von Windschützen gemacht. Jahrzehntelang leitete er die Schulze-Brakel Schaumstoffverarbeitungs GmbH, nun geht der 77-Jährige in den Ruhestand. Im Rentenalter ist Schulze-Cleven schon länger. Und ebenso lange treibt er sich mit Überlegungen herum, das Unternehmen abzugeben. "Aber es ist nicht so einfach, für eine mittelständische Firma einen Nachfolger zu finden", sagt er. Inzwischen ist seine Suche beendet. Ein Mann mit klarer Haltung Ab dem 1. Oktober ist Jens Rumsfeld der neue Chef. Rechtlich wird er eine neu gegründete Firma führen, alle 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernimmt Rumsfeld. "Darüber bin ich ganz schön froh", sagt Schulze-Cleven. "Und überhaupt darüber, dass die Firma in Brakel bleibt. Herr Rumsfeld hat erkannt, dass das Wertvolle der Firma ihr Know-how ist." Damit gibt er sein Lebenswerk in andere Hände. Mehr als ein halbes Jahrhundert hat er für das Unternehmen an der Warburger Straße gearbeitet, seit dem Tod seines Vaters Paul Schulze 1980 in der Chef-Position. Sein Vater ist auch eines seiner Vorbilder. Sieben Männer, deren Wirken er wertschätzt, hängen auch in den letzten Tagen als Unternehmer an den Wänden seines Büros: der Gründer der Republik Türkei Atatürk, Nelson Mandela, Joachim Gauck, Papst Franziskus, Winston Churchill, Otto von Bismarck und eben sein Vater. Auch sie sind es, die Schulze-Clevens Handeln prägten. Und zwar nicht nur auf unternehmerischer Seite, politisch äußert er sich ebenfalls. Als zum Beispiel Anfang 2020 der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Hilfe der AfD zum Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt wurde, hisste er vor seiner Firma die Deutschland-Flagge auf halbmast. Und in der Corona-Pandemie kritisierte Schulze-Cleven zuletzt im ARD-Magazin "Report aus Mainz", dass Politiker wegen des Wahlkampfs beim Infektionsschutz in Betrieben nicht durchgriffen. Aufträge in der ganzen Welt Da stand Archibald Schulze-Cleven selbst vor einer Fernsehkamera, normalerweise sind es aber seine Windschütze aus Schaumstoff, die es weltweit ins TV schaffen. Da sei zum Beispiel in Deutschland das ZDF. Für RTL hat die Brakeler Firma passend zum Wahlabend am Sonntag die Änderung des Sender-Logos auch auf den Mikrofonen sichtbar gemacht. Und im Ausland? Genau weiß der 77-Jährige gar nicht, in wie viele Länder sein Unternehmen die Mikrofonüberzüge bereits geliefert hat. Mehr als 70 seien es aber auf jeden Fall. "Ich saß einmal in Moskau in einem Hotel, habe durch das TV-Programm gezappt und auch beim zwölften Kanal waren nur Windschütze von uns zu sehen. Das war ein schönes Gefühl", erzählt er stolz. Wie nach Moskau hat es ihn in seinem Berufsleben oft ins Ausland gezogen. Lieber vor Ort mit dem Direktor des usbekischen Fernsehens sprechen als unpersönlich am Telefon oder per Mail – so seine Haltung. Auf diese Weise, bei Reisen in mehr als 100 Länder, hat er sich ein Netz aus Kontakten aufgebaut, von Dschibuti bis in die USA. Noch genug Aufgaben im Ruhestand Sein Nachfolger übernimmt nun dieses Kontaktbuch der weltweiten TV-Branche. "Ich stehe ihm bei Fragen noch drei Jahre zur Verfügung, wie wir es abgemacht haben. Ich will mich aber nicht einmischen", sagt Schulze-Cleven. Von einen auf den anderen Tag keine Einmischung in das Unternehmen? "Das fällt mir leicht", ist er sich sicher. Aufgaben hat er auch nach seinem Abgang genug. Jeder und jedem seiner dann ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchte er, wenn sie es wünschen, ein Zwischenzeugnis schreiben. "Ich kenne sie ja deutlich länger, wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft." Manch ein Mitarbeiter ist schon seit 40 Jahren dabei. "Da wird einem erst bewusst, wie die Zeit vergeht", meint der 77-Jährige. Im Ruhestand möchte er, der Mitglied in der Deutsch-Arabischen Gesellschaft ist, sich Zeit für Reisen nehmen sowie für seine Oldtimer. Und dann wären da noch seine Schreibtische – in der Firma sowie im Bielefelder Homeoffice. "Zuhause sieht es noch schlimmer aus", sagt er mit einem Lächeln im Gesicht. "Fürs Aufräumen veranschlage ich ein Jahr."

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