Brakel. Aus einer Allianz ist eine kleine Schlammschlacht geworden: Christoph Schünemann will nicht als Mitglied der Fraktion Liste Zukunft im Rat der Stadt Brakel sitzen. Die Wählergemeinschaft erfährt aus den Medien davon, will einiges nicht auf sich sitzen lassen und fordert Schünemann auf, sein Mandat nicht anzunehmen.
Bei der Kommunalwahl vor rund zwei Wochen kandidierte Schünemann sogar noch als Bürgermeisterkandidat für die Liste Zukunft. Wegen "unüberbrückbarer Differenzen" habe er sich jetzt aber entschieden, die Wählergemeinschaft zu verlassen. "Meinen Sitz im Rat werde ich selbstverständlich behalten", sagt er im Gespräch mit nw.de. Schließlich sei er den Menschen, die ihn gewählt hätten, verpflichtet.
Welche Differenzen unüberbrückbar waren, will Schünemann nicht so genau ausführen. Allerdings sagt er: "Ich bin ein Mann des Wortes." Und gerade an denen, also an Worten, scheint es aus seiner Sicht in der Beziehung zur Liste Zukunft gemangelt zu haben. "Das letzte Mal habe ich am 14. September, also einen Tag nach der Wahl, mit Stefan Heilemann gesprochen", sagt Schünemann. Danach habe es nur noch Kontakt per WhatsApp gegeben. Das reiche ihm persönlich aber nicht. "Ich muss die Stimme der Leute hören."
"Leider hat er ziemlich aufgedreht"
Die Liste Zukunft hat laut Pressesprecher Peter Beller durch Medien vom Austritt Schünemanns erfahren. Und die Zeit nach der Wahl will man auch etwas anders erlebt haben. Das geht aus einer Mitteilung hervor. "Nach dem ernüchternden Ausgang der Bürgermeisterwahl hatten wir ihm geraten, das Ganze erst einmal zwei Wochen sacken zu lassen", so Beller. "Leider hat er im Gegenteil dazu ziemlich aufgedreht."
Die Wählergemeinschaft führt dazu eine WhatsApp-Nachricht Schünemanns vom 17. September an. Darin heiße es: "Es ist noch nicht vorbei! Erst am Abend der 1. Ratssitzung des neuen Stadtrates! Die werden versuchen mich nicht zu einen der Stellvertretenden Bürgermeister zu wählen! Unser Ziel sollte sein, das Christoph Schünemann Stellvertretender Bürgermeister und Stefan Heilemann der Fraktionsvorsitzender der Liste Zukunft wird. Die anderen im Stadtrat müssen erst mal die Wahl am 13.09.2020 verstehen!" (Rechtschreibung wie von der Liste Zukunft zitiert, Anm. d. Red.)
Heilemann habe am nächsten Tag in einer Sprachnachricht erklärt, dass man Schünemann vorschlagen könne, wenn dieser darauf bestehen würde, dies dann aber voraussichtlich zur Folge habe, dass dann beide Stellvertreter des Bürgermeisters von der CDU kommen würden. So endete der Wählergemeinschaft zufolge der Kontakt zwischen Schünemann und Heilemann.
Eine Stil-Frage
Ebenfalls strittig scheint in der Causa Schünemann/Liste Zukunft zu sein, wer mit wem die Puppen hat tanzen lassen. Während Schünemann nach der Trennung von der Liste Brakel sagt, er sei keine Marionette, wie es ihm teils vorgehalten worden sei, fühlen sich seine Ex-Wählergemeinschaftskollegen ihrerseits "ausgenutzt".
Sie bestreiten, dass Schünemann an irgendwelchen Fäden hing: Egal, worum es thematisch gegangen sei, Christoph Schünemann sei der Hauptakteur in sämtlichen Videos der Liste Zukunft in den sozialen Medien gewesen. Jeder Schritt der Veröffentlichung sei im Vorfeld mit Schünemann abgesprochen gewesen. "Oftmals konnte Christoph es nicht erwarten, dass die Videos online gingen." Schon vor Veröffentlichung habe er sie an seine WhatsApp-Kontakte verteilt.
Apropos soziale Medien: Schünemann sagt, er sei darüber entsetzt gewesen, wie auf ebenjenen Kanälen miteinander umgegangen werde und kommentiert: "Das ist nicht mein Stil." Der Begriff wiederum verursacht offenbar Schnapp-Atmung bei den ehemaligen Kollegen. Sie führen daraufhin ins Feld, was ihrer Meinung nach Schünemanns Stil sei: Statt dabei zu helfen, die Wahlwerbung abzuhängen, sei er im Cabrio spazieren gefahren, heißt es.
Er habe Bücher mit Widmungen verschenkt, "als ob er zum Bürgermeister gewählt worden sei". Und wegen eines Schreibfehlers einen Disput mit einem städtischen Mitarbeiter gehabt. Obwohl dieser schnell berichtigt worden sei, habe Schünemann ein Foto des fehlerhaften Aushangs ganztägig über WhatsApp an seine zahlreichen Kontakte verbreitet - so auch an Bürgermeister Hermann Temme, den Chef der Stadtverwaltung.
"Ich lasse das alles jetzt erst mal auf mich zukommen"
Schünemann habe sich auf Drängen der Wählergemeinschaft "zähneknirschend" entschuldigt, aber am folgenden Tag den korrekten Aushang samt Kommentar verschickt. "Wir haben Christoph klar gesagt, dass das so nicht unser Stil ist und uns davon distanziert und uns für Christophs Verhalten entschuldigt", wird Liste-Zukunft-Ratsmitglied Bernd Stieren-Knoke zitiert.
Ab diesem Zeitpunkt sei Christoph Schünemann für niemanden von Liste Zukunft mehr erreichbar gewesen. Entsprechend habe er auch bei der konstituierenden Fraktionssitzung unentschuldigt gefehlt. Zunächst wird Schünemann also als fraktionsloses Mitglied in den Rat einziehen. Ob er sich früher oder später doch noch dazu entscheidet, sich einer Fraktion anzuschließen, schließt er zumindest nicht kategorisch aus: "Ich lasse das alles jetzt erst einmal auf mich zukommen."