Trockenheit gefährdet Aufforstung und sorgt für akute Brandgefahr

Kreis Höxter. "Grundsätzlich bin ich ein optimistischer Mensch", sagt Harald Gläser, Förster des Brakeler Bürgerwaldes. "In der Coronakrise sehe ich vermehrt Kinder, die zusammen mit ihren Eltern den Wald erkunden. Viele Menschen denken derzeit: Gott sei Dank gibt es den Wald. Hier können wir uns frei bewegen." Doch in den Ausdruck von Freude mischt sich auch Bedauern. Denn vielerorts haben die Naturgewalten Wunden in den Bestand gerissen. Wie am Abzweig zur Modexer Waldschule. Gläser blickt in die Ferne und weist damit schon auf das Problem. Denn wo noch vor drei Jahren stattliche, teils 80 Jahre alte Fichten die Sicht versperrten und dicht an dicht die Wege unter sich verdunkelten, ragen jetzt Wurzelteller und Stümpfe aus dem aufgewühlten Boden - fast soweit das Auge reicht. Seit September 2019 ist Gläser Förster für den Brakeler Stadtwald - Gläser prägte den Begriff "Bürgerwald". In dem 1.550 Hektar großen Forst stellt sich der 58-Jährige seitdem einer Mammutaufgabe. Allein im Raum Modexen gebe es 64 Hektar Schadfläche, fast 90 Fußballfelder, sagt Gläser. Heißt: Wo sonst Fichten standen, sind jetzt keine mehr. Eine Kombination verschiedener Katastrophen ist dafür verantwortlich: Orkan Friederike schmiss im Januar 2018 Fichten um und sorgte für viel Totholz. Eine gedeihliche Grundlage für die "massive" Vermehrung verschiedener Borkenkäferarten, vornehmlich Buchdrucker und Kupferstecher. Possierliche Namen für Plagegeister, gegen die es kein Heilmittel gibt. "Lockstofffallen mit Pheromonen helfen nicht: Durch das Überangebot an Botenstoffen in der Luft fliegen die Käfer an den Fallen vorbei zu den Fichten." Auch chemische oder synthetische Mittel versprechen keine Abhilfe - schlicht weil sie den Käfer kaum erreichen. Der sitze eben unter der Borke, schildert Gläser und weist auf eine gesunde Fichte, deren Stamm, umgeben von nadelbewährten Ästen, kaum zu sehen ist. "Das ist das vierte Jahr in Folge mit Frühjahrstrockenheit" Würden sich Fichten sonst mit klebrigem Harz gegen Schädlinge wehren, verhindere der Wassermangel derzeit eine ausreichende Produktion. Der Niederschlag im Februar habe den langjährigen Durchschnitt zwar um mehr als das Dreifache übertroffen und der März machte eine Punktlandung. "Im April fehlen aber 70 bis 80 Liter Regen pro Quadratmeter", sagt der gebürtige Hembsener. "Das ist das vierte Jahr in Folge mit Frühjahrstrockenheit." Derzeit gebe es keine Baumart, bei der sich der Wassermangel nicht bemerkbar mache. Besonders wo Stürme und Borkenkäfer ein forstliches Trümmerfeld hinterlassen haben, droht jetzt akute Waldbrandgefahr. Allein im Bereich Modexen seien 195 Hektar betroffen. Durch relativ hohe Temperaturen und Ostwind würden die brachliegenden Flächen zusätzlich ausgetrocknet. Reisig und vertrocknetes Gras, das zwischen Gläsers Händen raschelt: perfekte Nahrung für die Flammen. "Buchen- oder Eichenwälder brennen im Prinzip nicht", sagt Gläser. Besonders gefährdet sei neben den Kahlstellen aber vor allem junges Nadelgehölz, das viel brennbares Harz produziert und noch den Wuchs von Gras zwischen den Stämmen zulässt. Mammutbäume im Bürgerwald "Deswegen ist in Wäldern das Rauchen verboten", sagt Gläser. "Gleiches gilt für alles, was eine Entzündung verursachen könnte. Wie Grillen oder das Wegschnippen von Zigarettenstummeln aus dem Auto." Glasflaschen auf dem Waldboden wirkten wie ein Brennglas und abgestellte Autos mit ihren heißen Katalysatoren könnten trockenes Gras entzünden. "Selbst, wenn im Mai richtig Regen kommen würde, kann es für die neuen Kulturen zu spät sein", befürchtet Gläser. Die stehen in den Startlöchern. 14 Hektar wollte er bis jetzt wiederaufgeforstet haben. 20 sind schon geschafft. Teils mit exotischen Sorten. Gläser kniet sich neben ein kleines unscheinbares Bäumchen. Daraus wird später ein stattlicher Mammutbaum von 100 Metern Höhe. 14 Baumsorten seien im Bürgerwald gepflanzt worden - in der Hoffnung, dass sie das sich verändernde Klima besser vertragen: Flatterulmen, Lebensbäume, Kirsch- und Wildapfelbäume sowie Douglasien. "Um aufbrechen zu können, brauchen deren Knospen Wasser", sagt Gläser; und zwar jetzt. Willkommene Hilfe bei der Wiederaufforstung Bei der Bewässerung springt dem Förster gewissermaßen die Coronakrise zur Seite. Seit Donnerstag erhalten Gläser und seine fünf Kollegen nicht nur Unterstützung von der Brakeler Feuerwehr, sondern auch von sechs Mitarbeitern des Bäderteams. "Wir hätten sonst zu Hause gesessen. Da kann man lieber mithelfen", sagt Beate Steinborn aus Altenbergen und schwenkt einen Feuerwehrschlauch über die neue Kulturen im Bereich hinter der Köhlerhütte. Lohnunternehmer holen mit zwei Traktoren und großen Fässern gereinigtes Wasser aus dem Brakeler Klärwerk und Mitglieder der Brakeler Feuerwehr sorgen mit Pumpen für den nötigen Druck. Bis Montag will Gläser so einen Großteil der neuen Kulturen bewässert haben. Corona sei eine Katastrophe sagt er. Zumindest jetzt verschafft sie ihm jedoch dringend nötige Hilfe.

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