Borgentreich

Kirche beendet Flüchtlingsberatung in Borgentreich und Bad Driburg

Engagement in den Unterbringungseinrichtungen in Bad Driburg und Borgentreich hört auf. Superintendent Volker Neuhoff kritisiert Landesregierung scharf und spricht von einem „zutiefst irritierenden Vorgang“.

Die Diakonie Paderborn-Höxter der evangelischen Kirche beendet ihr Angebot der psychosozialen Erstberatung in der Zentralen Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge des Landes NRW am Standort Borgentreich. | © Nicole Niemann

13.10.2020 | 13.10.2020, 07:00

Kreis Höxter. Die Diakonie Paderborn-Höxter der evangelischen Kirche beendet ihr Angebot der psychosozialen Erstberatung in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Bad Driburg und Borgentreich. Darüber informierte Superintendent Volker Neuhoff bei der konstituierenden Sitzung des Kirchenparlaments des evangelischen Kirchenkreises Paderborn-Höxter, der Synode.

Der neue Kreissynodalvorstand des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn besteht aus (v. l.) Evelyne Schubert, Pfarrer Gunnar Wirth, Irmgard Alboth, Scriba Pfarrer Wolfgang Neumann, Superintendent Volker Neuhoff, Jürgen Engelmann, Rolf Hellweg und Wolfgang Dzieran. - © EKP/Oliver Claes
Der neue Kreissynodalvorstand des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn besteht aus (v. l.) Evelyne Schubert, Pfarrer Gunnar Wirth, Irmgard Alboth, Scriba Pfarrer Wolfgang Neumann, Superintendent Volker Neuhoff, Jürgen Engelmann, Rolf Hellweg und Wolfgang Dzieran. | © EKP/Oliver Claes

„Aufgrund der politischen Rahmenbedingungen finanzieller und inhaltlicher Art sieht sich die Diakonie Paderborn-Höxter gezwungen, die von ihr aufgebaute – vom Land NRW selbst anerkannte und zur Regel erhobene – Arbeit der Psychosozialen Erstberatung und das übernommene Beschwerdemanagement in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen Bad Driburg und Borgentreich zum 31. Dezember zu beenden", erklärte der Superintendent. Der Kirchenkreis bedauere es sehr, dass die Politik des NRW-Familienministeriums die Arbeit der Wohlfahrtsverbände erschwert und sie daran hindert, diese erfolgreiche und wichtige Arbeit weiter fortzusetzen. Dies gehe zu Lasten der geflüchteten und zum Teil vulnerablen Menschen in den Einrichtungen, die aufgrund der Vorgaben des Ministeriums in Zukunft auf qualitative Begleitung verzichten müssen.

Würde die Diakonie diese Arbeit fortsetzen, müsste sie mehr als 60.000 Euro Eigenmittel aufbringen, informierte Neuhoff. Er halte es für „einen zutiefst irritierenden Vorgang, wenn ein Ministerium ein Modellprojekt zur Regel erhebt und zugleich die Initiatoren des Projektes durch realitätsferne Finanzierungsrichtlinien ausbootet". Welches Gewicht hätten die Stimmen der Wohlfahrtsverbände und von Abgeordneten, der Diakonie RWL oder des Evangelischen Büros in der Ministerialbürokratie?", zeigte sich Superintendent Neuhoff ebenso wie Diakonie-Vorstand Jutta Vormberg „fassungslos".

Die verschobene Synode

Mit Corona bedingter Verspätung hatte die eigentlich für Juni geplante konstituierende Sitzung der Synode des Evangelischen Kirchenkreises am Wochenende stattgefunden. Auf der Tagesordnung standen der Bericht von Superintendent Volker Neuhoff, die Berichte aus den Kirchengemeinden sowie nach der Kirchenwahl am 1. März die Wahlen der Mitglieder des Kreissynodalvorstandes, der Delegierten für die Landessynode und zu den einzelnen Ausschüssen des Kirchenkreises für die Synodalperiode 2020 bis 2024.

Zu der halbtägigen Synode waren mit dem nötigen Abstand 78 stimmberechtigte und sieben beratende Mitglieder zusammengekommen. Die Abgeordneten der 14 evangelischen Kirchengemeinden und der Gemeinsamen Dienste vertreten über 78.000 evangelische Christinnen und Christen in den Kreisen Höxter und Paderborn. In seiner Andacht zum Auftakt der Synode ging Pfarrer Karl-Ludwig Wendorff (Kirchengemeinde Altkreis Warburg) auf Gottesdienste und kirchliches Leben unter Corona-Bedingungen ein. Er appellierte, vorsichtig zu bleiben und weiterhin kleine Gottesdienste mit Abstand zu feiern: „Als Kirche haben wir einen fürsorgenden Auftrag und müssen die schützen, die uns anvertraut sind", betonte Wendorff.

Die Situation in den Gemeinden

Gemeindeleben vor und während Corona, gewollte und nicht freiwillige Veränderungsprozesse beinhalteten die Gemeindeberichte, so Synodalassessor Gunnar Wirth. Die Gemeinden hätten aufgrund der Beschränkungen durch Corona neues Terrain betreten und kreative, auch digitale Formen ausprobiert. Daneben gebe es als Herausforderung Strukturveränderungen durch das Zusammenlegen einzelner Kirchengemeinden. Die Stimmungen reichten von Bedenklichkeiten bis hin zu frohgemuten Aufbrüchen, wobei das Positive überwiege, fasste Wirth zusammen.

„Kirche verändert sich. Das tut sie seit 2000 Jahren. Und das ist gut so", stellte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn, Volker Neuhoff, zu Beginn seines Berichts fest. Die Botschaft des Evangeliums wolle in jede Zeit hinein aktualisiert werden. Die äußere Form von Kirche sei tatsächlich zweitrangig, solange die Kommunikation des Evangeliums geschehe. „Mitgliederbindung, Finanzierungsfragen, Personalentwicklung, Beteiligungsformen und social media werden uns sehr stark beschäftigen", nannte Neuhoff die praktischen Veränderungen in den nächsten Jahren.

Die Corona-Pandemie wirke dabei wie ein Brennglas und stelle die Frage sehr deutlich: „Warum und wo und wie und mit wem und für wen seid ihr Kirche?" Veränderung brauche neben Bereitschaft auch Kraft. „Unsere Kirche ist nicht systemrelevant", so der Superintendent. Die Kirche sei aber in ihrem Kern „existenzrelevant", stimmte er dem EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Bedford-Strohm, zu.

Kriminalisierung von Geflüchteten

Im Umgang mit Geflüchteten empfindet Neuhoff eine „Kriminalisierung von Flucht und Geflüchteten": „Menschen werden haftbar gemacht dafür, dass sie aus Notsituation fliehen, und sie werden in Haft genommen, um sie abzuschieben. Vor Bedrohung Geflüchtete werden selbst als Bedrohung empfunden. Und sie werden in Bedrohungssituationen zurückgeschickt." Kirchenasyl sei eine besondere Aufgabe für eine Kirchengemeinde. Hier wurde für den Kirchenkreis Paderborn ein solidarisches System aus finanzieller und ehrenamtlicher Unterstützung angeregt.

Das ist die neue Spitze

Die Synodalen wählten den neuen Kreissynodalvorstand des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn. Wiedergewählt wurden Synodal-Assessor Pfarrer Gunnar Wirth (Weser-Nethe-Kirchengemeinde), Scriba Pfarrer Wolfgang Neumann (Emmer-Nethe-KG) und die Synodalältesten Evelyne Schubert (KG Schloß Neuhaus), Jürgen Engelmann (KG Büren-Fürstenberg) und Wolfgang Dzieran (KG Bad Lippspringe). Neu gewählt wurden die Synodalältesten Irmgard Alboth (KG Paderborn) und Rolf Hellweg (Emmer-Nethe-KG). Sie folgen auf Helga Weber-Kruck und Wilfried Hauenschild, die altersbedingt aus ihren Ämtern ausgeschieden sind. Superintendent Volker Neuhoff, dessen Amtszeit acht Jahre beträgt, stand nicht zur Wahl. Wiedergewählt wurden auch die Abgeordneten des Kirchenkreises für die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen. Es sind die nicht-theologischen Abgeordneten Susanne Bornefeld, Wolfgang Dzieran und Dirk Appelt sowie der theologische Abgeordnete Pfarrer Ulrich Richter. Superintendent Volker Neuhoff ist durch sein Amt Mitglied der Landessynode. Außerdem wählten die Synodalen die Mitglieder der einzelnen Ausschüsse des Kirchenkreises (Finanz-Ausschuss bis Tansania-Ausschuss) sowie die Synodalbeauftragten für einzelne Arbeitsbereiche („Christen und Juden" bis „Tageseinrichtungen für Kinder").