Schießerei in Lauenförde: Angeklagter nennt endlich sein Motiv

Lauenförde/Hildesheim. Die sogenannte &bdquo;Bluttat von Lauenförde“, ein laut Anklage versuchter Mord, galt bisher als eine Eifersuchtstat. Ermittler und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass Luan D. (alle Namen geändert) am Abend des 29. Januar viermal auf Amir H. schoss, weil er davon überzeugt war, das Opfer habe eine Affäre mit seiner, Luan D.s, Frau. Amir H. hatte dies in seiner Aussage vor dem Landgericht Hildesheim bereits abgestritten. An Prozesstag drei äußerte sich der Angeklagte Luan D. per Verteidigererklärung zu den Vorwürfen. Und was er zu Protokoll gibt, wirft ein anderes Licht auf den Abend des 29. Januar. Luan D. gibt zu, geschossen zu haben. &bdquo;Mein Mandant räumt ein, gegen 18.57 Uhr in körperverletzender Absicht vier Schüsse auf Amir H. Abgegeben zu haben“, verliest Rechtsanwalt Sebastian Ballauf. Die Motivation zur Tat sei aber nicht &bdquo;aus einem Gefühl der Eifersucht“ entstanden, sondern aus &bdquo;Sorge um die Gesundheit der Familie D.“ Amir H. Habe seinen Mandanten mehrfach im Vorfeld der Tat beleidigt, bedroht, einmal sogar mit vorgehaltener Waffe, und auch geschlagen, führt Ballauf aus. Am Tattag dann sei Luan D. in einem &bdquo;emotionalen Ausnahmezustand“ gewesen. Auf fast leeren Magen habe er den Großteil einer Flasche Raki getrunken und sei zum Opfer gefahren. &bdquo;Wenn bestimmte Vokabeln fallen, werden wir als Strafkammer immer hellhörig“, sagt Rainer de Lippe, Vorsitzender des Schwurgerichts. Lesen Sie auch: &bdquo;Da habe ich meinen Tod gesehen“: Opfer der &bdquo;Bluttat von Lauenförde“ sagt aus Er bittet Verteidiger Ballauf, sollte ein psychopathologisches Gutachten gewünscht sein, das feststellen könnte, ob Luan D. zum Zeitpunkt der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit &bdquo;erheblich beeinträchtigt“ war, dieses dann kurzfristig zu äußern. Obgleich die Kammer bisher nicht den Eindruck habe, dass eines notwendig sei. &bdquo;Ich hatte hier bis auf ein, zwei Ausnahmen noch nie einen Angeklagten sitzen, der sich nicht in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden hätte“, sagt de Lippe, &bdquo;man ist aufgeregt“. Verteidiger: &bdquo;Mein Mandant bereut seine Tat“ In einer wie auch immer gearteten emotionalen Aufgewühltheit jedenfalls fährt Luan D. zu Amir H. Die Waffe habe er aus &bdquo;Eigensicherungsgründen“ mitgenommen, fährt Ballauf fort: &bdquo;Er hat die Tat nicht geplant und war nicht maskiert“. Zudem habe sein Mandant &bdquo;aus eigenem Antrieb“ nicht weiter geschossen, was zeige, dass keine Tötungsabsicht vorgelegen habe. Denn den 49-Jährigen zu töten, wäre seinem Mandanten möglich gewesen, hätte er es gewollt. Es seien noch ausreichend Kugeln in der Pistole gewesen und das Opfer war bereits schwer verletzt. &bdquo;Mein Mandant kann kaum in Worte fassen, wie sehr er seine falsche Tat bereut.“ Mehr gibt es erst mal nicht. Nicht, weil der Verteidiger etwas zurückhalten wollen würde, wie er am Ende des Termins durchblicken lässt, sondern weil er selbst nicht mehr habe. Die Hintergründe dazu wiederum seien dem Gericht ja bekannt. Sein Mandant werde sich aber auf jeden Fall noch zur Vorgeschichte der Tat und zu seiner Person einlassen. Lesen Sie auch: Paar aus dem Kreis Höxter kommt Lauenförder Bluttat-Opfer zu Hilfe Bisher ist kaum mehr bekannt, als dass Luan D. 67 Jahre alt und Lauenförder ist. Genau, Lauenförder. Luan D. ist Lauenförder, hat zum Tatzeitpunkt in Lauenförde gelebt und auch Jahre zuvor schon die niedersächsische Seite der Weser sein Zuhause genannt. In der ersten Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Hildesheim, formuliert noch am späten Abend des Tattages, hieß es jedoch, der festgenommene Tatverdächtige sei Beverunger, sei auch an seiner Wohnanschrift in Beverungen festgenommen worden. Die Polizei Höxter bestätigte der &bdquo;NW“ überdies, Höxteraner Kräfte hätten diesseits des Flusses Amtshilfe geleistet. Wer brachte Thema Eifersucht ins Spiel? Wie kam es zu diesen Fehlinformationen? Auf Anfrage recherchiert Polizeisprecher Jörg Niggemann, dass Beamte der Kreispolizeibehörde Höxter Amtshilfe bei dem Großeinsatz in Lauenförde geleistet hätten, einige waren auch bei der Festnahme des nunmehr Angeklagten dabei. Der Zugriff habe allerdings tatsächlich auf Lauenförder Gebiet stattgefunden. Und das kaum einen Steinwurf vom Tatort entfernt. Das steuert ein Polizist bei, der bei der Polizei Holzminden arbeitet und der erste Beamte am Tatort, der Bahnhofstraße in Lauenförde, war. Als der Polizist – alarmiert wegen &bdquo;Knallen und einer verletzten Person“ – eintraf, entdeckte er Amir H. im Kofferraum eines Autos sitzend, umsorgt von einigen Ersthelfern. Der Polizist stellt dem Opfer erste Fragen. &bdquo;Er nannte mehrfach den Namen Luan D. als Täter“, berichtet der Polizeibeamte dem Gericht. Als mögliches Motiv habe eine angebliche Affäre mit der Frau des Täters im Raum gestanden. &bdquo;Ich weiß aber nicht mehr, ob das vom Opfer kam oder von der Familie“, sagt der Zeuge. Denn kurz nach ihm seien Eltern, Schwester und Nichte von Amir H. eingetroffen. Auch Familie des Angeklagten vor Ort Außerdem, berichtet der Polizist aus Holzminden weiter, habe Amir H. sich an Fragmente des Kennzeichens des Täterautos, eine dunkle S-Klasse, erinnern können. In Kombination mit dem Namen, den das Opfer genannt hatte, ergaben Ermittlungen zwei Kennzeichen, die auf Luan D. beziehungsweise die Familie D. zugelassen waren. Und so kam dann wohl auch &bdquo;Beverungen“ ins Spiel. Die Polizei Höxter berichtet auf Anfrage der &bdquo;NW“, dass die Abfrage eines Autokennzeichens zu einer Halter-Adresse in Beverungen geführt habe. Außerdem stand kurz nach der Tat im Raum, der flüchtige mutmaßliche Täter habe über die Weserbrücke auf die nordrhein-westfälische Seite fahren wollen. So war es dann aber nicht. Beide Autos der Familie D. standen, direkt hintereinander geparkt, in einer Seitenstraße der Bahnhofstraße in Lauenförde. Es sind, erinnert sich der Mann von der Polizei Holzminden, drei Höxteraner Kollegen, die die Autos entdecken. Im ersten Fahrzeug, der Mercedes S-Klasse, saß Luan D., im zweiten Wagen Luan D.s Frau Vjona, ein Sohn sowie ein Freund des Sohnes. Als der Polizist hinzu kam, hätten &bdquo;alle Personen gefesselt auf dem Boden gelegen“. Verletzungsbild passt nicht zu Schuss mit normaler Waffe Nachdem die eine Frage beantwortet ist, wieso ein Beverunger plötzlich kein Beverunger mehr ist, sondern schon immer ein Lauenförder war, wirft das Gutachten der Leiterin der Rechtsmedizin in Dortmund eine neue Frage auf. Der vierte Schuss aus einer halbautomatischen scharfen Pistole soll das Opfer laut Anklage ins linke Auge getroffen haben. Amir H. verlor den Augapfel und damit das Augenlicht. Im Schädel wurden, wie Rechtsmedizinerin Katharina Jellinghaus ausführt, aber weder ein Steck- noch ein Durchschuss gefunden. Viel mehr passe das Verletzungsbild zu einer Schreckschuss- oder Gaspistole (wir berichten noch).

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