Nach Obdachlosen-Mord: Angeklagter Bielefelder lernte im Krieg mit Messer umzugehen

Bielefeld/Hannover. Es ist eine unvorstellbare Tat. Mindestens acht Mal soll der Bielefelder Zarko D. (53) auf Hals und Nacken eines Obdachlosen im Stadtwald Eilenriede in Hannover eingestochen haben. Der im Viertel bekannte Obdachlose hatte auf einer Parkbank geschlafen, war dann in der Nacht von D. aufgeschreckt und getötet worden. Das hat der Bielefelder im November 2024 bereits selbst gestanden. Ohne jede Sorge überführt zu werden, meldete er sich bei der Kripo und gestand die Tat. Im laufenden Prozess vor dem Landgericht Hannover klären sich die ersten Rätsel rund um den ungewöhnlichen Fall auf. Aber es tauchen auch neue auf – ein partieller Gedächtnisverlust etwa. Zarko D. wisse bis heute nicht, was ihn zu der Tat bewegt habe, sagte er bereits zum Prozessauftakt. Noch am Tage (es war Anfang Juli 2021) sei ihm der Obdachlose in dem Wald aufgefallen. Die Ausrufe des psychisch auffälligen Obdachlosen wirkten auf manche Menschen erschreckend und aggressiv, heißt es in den Medien in Hannover. Aber alle betonen: Dirk S. sei dennoch friedlich gewesen. Der Bielefelder habe aber beobachtet, wie er mit seinen lauten Selbstgesprächen einer Kindergartengruppe Angst gemacht habe und später auch zwei Mädchen. Der Bielefelder war in der Nacht auf den 6. Juli 2021 in den Stadtwald zurückgekehrt und fand den Obdachlosen erneut. Diesmal lag er versteckt auf einer Parkbank. Er habe &bdquo;nicht böse über ihn gedacht“, wie er sagt. Trotzdem habe er plötzlich Angst vor ihm verspürt, sein Messer ergriffen und mehrfach zugestochen. Dirk S. verblutete an Ort und Stelle. Bielefelder Anwältin: &bdquo;Er hat gelernt, einen Menschen zu töten“ Seine Bielefelder Strafverteidigerin Kerstin Koch betont: &bdquo;Mein Mandant ist im Krieg groß geworden. Er hat schon als junger Mann als Soldat im Jugoslawienkrieg gekämpft und dort auch gelernt, wohin man mit einem Messer stechen muss, um einen Menschen zu töten.“ Sie spricht von einer spontanen, ungeplanten und impulsiven Tat. Und sie betont, dass das Opfer nicht arglos gewesen sei, weil es zum Tatzeitpunkt nicht geschlafen, sondern auf den Angreifer noch reagiert habe. Deshalb halte sie die Anklage wegen Mordes aus Heimtücke durch die Staatsanwaltschaft gegen ihren Mandanten für falsch. Am zweiten Prozesstag wird deutlich, warum der Fall überhaupt aufgeklärt werden konnte. Die Mordkommission Hannover hatte den Fall nach dreieinhalb Jahren vergeblicher Ermittlungen und einem ergebnislosen Aufruf bei &bdquo;Aktenzeichen XY“ schon als Cold Case abgelegt. Seine Betreuerin ruft für den Bielefelder die Polizei an Doch am 21. November 2024 bittet der gebürtige Kroate seine gerichtlich bestellte Betreuerin (sie ist für D.s Behördengänge zuständig), bei der Polizei anzurufen. Er macht dies ohne jeden spürbaren Fahndungsdruck. Seine Helferin erklärt der Leitstelle, dass D. &bdquo;etwas Schlimmes“ gemacht habe und nun aussagen wolle. Kurz darauf klicken die Handschellen und Zarko D. redet sich die Last der vergangenen dreieinhalb Jahre von der Seele: Er habe sehr unter der Tat gelitten, täglich vom Opfer geträumt, schwere Depressionen gehabt und schließlich den einzigen Ausweg aus seiner psychischen Krise in einem Geständnis gesehen. Zum Thema: &bdquo;Spontaner Entschluss“: Bielefelder soll Mord an schlafendem Obdachlosem gestanden haben &bdquo;Jetzt bin ich im Knast, jetzt bin ich frei“, soll er nach Angaben der Hannoverschen Allgemeinen im Gerichtssaal gesagt haben. Während der Verhandlung wurde deutlich, dass D. nach der Tat eine Teil-Amnesie erlitten hatte. &bdquo;Mein Mandant spricht gut Deutsch. Aber plötzlich hat er die deutsche Sprache verloren und mit Erinnerungslücken zu kämpfen gehabt.“ Kriegsgräuel im Jugoslawienkrieg könnten Spuren hinterlassen haben Was bedeutet es, dass D. eine gesetzliche Betreuerin für bestimmte behördliche Dinge benötigte und dass er plötzlich seine deutsche Ausdrucksfähigkeit verlor? Haben die Kriegsgräuel, die er als junger Mann miterleben musste, tiefe Spuren bei dem Bielefelder hinterlassen, die bis heute Einfluss auf sein Leben haben? Und haben diese seelischen Einschränkungen möglicherweise seine Tat begünstigt oder seine Schuldfähigkeit eingeschränkt? &bdquo;Dazu wird der psychiatrische Gutachter in der nächsten Sitzung vermutlich Erklärungen liefern“, sagt die Bielefelder Anwältin. Der Prozessauftakt: Angst als Auslöser für tödliche Messerstiche auf Obdachlosen Zarko D. sagte seiner Verteidigerin: &bdquo;Ich weiß, dass ich Strafe verdient habe.“ Seine Anwältin erklärt, dass in diesem Verfahren vieles bereits geklärt sei. &bdquo;Die entscheidende Frage ist, wie mein Mandant zu bestrafen ist.“ Ein Gutachter soll nun beim nächsten Verhandlungstag für weitere Aufklärung sorgen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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