Ruhe vor dem Sturm: Wie Kinder im Raum Beverungen den Zweiten Weltkrieg erlebten

Beverungen/Lauenförde. Den Ostersonntag erlebte die Bevölkerung im Raum Beverungen und Lauenförde am 1. April 1945 zwar in Sorge und Angst, aber noch friedlich. Doch es war nur die Ruhe vor dem Sturm, denn das Näherrücken der Kriegsfront hatte sich schon längst angekündigt. Eine Woche später lag die Weserbrücke in Trümmern und in Lauenförde entwickelte sich noch einmal ein letzter sinnloser Kampf zwischen amerikanischen und deutschen Soldaten an der Weser. Zuvor gab es am 6. April 1945 erbitterte Gefechte in Amelunxen und Tietelsen, später dann in Haarbrück, Herstelle und Wehrden (8. April). Soldaten starben auf beiden Seiten, die Alliierten rückten allerdings zügig vor Richtung Weser. Zu groß war ihre Übermacht. Der Einmarsch der US-Truppen in Beverungen gelang ohne Gegenwehr, doch die Brücke zwischen Beverungen und Lauenförde brachten sie nicht mehr wie gehofft unter ihre Kontrolle. 45 Zentner Sprengstoff verwandelten die erst 1902 fertiggestellte Weserbrücke am frühen Morgen des 7. Aprils 1945 in einen Trümmerhaufen. Lesen Sie auch: Zweiter Weltkrieg: Höxters letzte Tage im April 1945 Ohne Vorwarnung hatten Pioniere der Wehrmacht das Bauwerk zerstört. Zahlreiche Gebäude im Umfeld der Brücke wurden dabei beschädigt. Unter anderem das Krankenhaus und das Elektrizitätswerk in Beverungen. Keine 24 Stunden nach der Brückensperrung überquerten jedoch die ersten US-Soldaten die Weser zwischen Beverungen und Lauenförde. Lauenförder Verein hat Schüleraufsätze gefunden und ausgewertet Dabei stießen sie auf fanatischen Widerstand. Genau einen Monat vor der deutschen Kapitulation starben dadurch weitere 15 Soldaten der US-Armee sowie 20 deutsche Soldaten, viele wurden zum Teil schwer verwundet. Besonders tragisch war zudem der Tod eines deutschen Zivilisten, der beim Löschen eines Dachbrandes von den Landsleuten getötet wurde. Das könnte Sie interessieren: Gedenken an den folgenreichsten und tödlichsten Bombenangriff im Kreis Höxter Wie die Bevölkerung die direkten Kriegstage an der Weser erlebte, recherchierte der Heimat- und Geschichtsverein Lauenförde (HGV) anhand von besonderen Quellen. Der Verein konnte Schüleraufsätze aus der Nachkriegszeit von 1948 bis 1953 lesen, in denen die Kinder aus Lauenförde und Beverungen &bdquo;die traumatischen Erlebnisse erstaunlich klar und kindlich nüchtern schilderten“, sagt Erich Gauding vom HGV. Er zeigt als erstes einen Aufsatz von dem Schüler Rolf (auch Nachnahmen wird verzichtet), der die Tage vor den direkten Kampfhandlungen beschrieb: &bdquo;Das Osterfest 1945 konnten wir nicht besonders feiern, denn man hörte die Front immer näher kommen. Am hiesigen Bahnhof stand eine schwere Flak, die fortwährend über unser Dorf hinweg schoss. Die Weserbrücke sollte gesprengt werden. Die Sprengladung hing schon darunter. Deshalb gingen wir noch einmal nach Beverungen. Hier hatten sie große Panzersperren gebaut.“ So erinnert sich Harry sich an die Tage vor der Sprengung Auch der Schüler Harry erinnerte sich unter anderem an die Tage vor der Brückensperrung: &bdquo;In jeder Nacht sahen wir den Feuerschein am Himmel der in der Nähe brennenden Gehöfte. Feindliche Tiefflieger und Aufklärer summten den ganzen Tag in der Luft herum.“ Die Situation direkt vor der Brückensperrung beschrieb ein zwölfjähriger Junge aus Beverungen wie folgt: &bdquo;Wir mussten auf Anweisung des Polizisten Grunert zu meinem Onkel in die Mühlenstraße, da unser Haus zu nahe an der Brücke lag.“ Er schreibt zudem, dass der Tierarzt Böhm die Sprengung verhindern wollte und dies fast mit seinem Leben bezahlt hätte. Zudem berichtet er, dass die &bdquo;Amis“ hinter ihrem Haus eine Feldküche aufgebaut hatten und das ein amerikanischer Soldat ihre Standuhr erfolgreich reparierte. Die Feldküche blieb auch einer Schülerin aus Beverungen in Erinnerung. Sie schrieb: &bdquo;Es war alles sehr praktisch und modern. In großen Öfen, in Form eines Schrankes mit vielen Schubfächern, wurde gekocht. Geheizt wurde mit Benzin. Einen Topf gab es selten. Nach jedem Gang wurde das Essgeschirr in Apparaten, in denen das Wasser dauernd kochte, gespült.“ Dieses Mädchen erlebte die Kämpfe an der Weser aus nächster Nähe Kinder, wie zum Beispiel Renate, mussten die Kämpfe auch aus nächster Nähe erleben: &bdquo;Hier an der Weser spielte sich ein schwerer Nahkampf ab. Mit Messern stachen zwei sich in den Hals und mussten beide ihr Leben lassen. Sie waren beide verblutet. Die toten Amerikaner, wir wissen nicht wie viele, haben sie weggefahren und begraben. Die deutschen Soldaten ließen die Amerikaner liegen.“ Auch intreressant für Sie: Zwischen Widerstand und Kapitulation: Warburgs letzte Kriegsstunden Bodo schrieb zum 8. April 1945: &bdquo;Es war ein ohrenbetäubender Lärm. Wir konnten den Keller nicht mehr verlassen. Wir hörten zunächst ein lautes Geschrei, dann Fußtritte und Stöße mit dem Gewehrkolben gegen die Tür. Sie suchten nach deutschen Soldaten, Schusswaffen und Munition. Als sie nichts fanden, befahlen sie uns, im Keller zu bleiben, und gingen weiter. Haus bei Haus kämmten sie durch.“ Und der Schüler Ernst-Otto beschrieb folgende Szenerie in seinem Aufsatz: &bdquo;Einer unserer Soldaten musste doch ein bisschen vorwitzig gewesen sein, denn er lief schnell zur Nähe des Friedhofes. Aber im selben Augenblick traf ihm ein Schuss in der Stirn. Überall schrien verwundete Soldaten um Hilfe. Einer hatte einen Bauchschuss bekommen und jammerte fürchterlich. Aber niemand konnte ihm helfen.“ Schüler erinnert sich, was nach dem Einmarsch der Amerikaner passierte Die Stunden nach dem Kampf in Lauenförde schrieb ein Junge auf, der zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre alt gewesen sein soll. &bdquo;Durch die Gardinen hindurch sahen wir auf die Straße. Es wurden gerade SS-Leute abgeführt. Die beiden Scheiben unserer Schaufenster waren bei der Brückensprengung kaputt gegangen. Am Abend kamen 30 Amerikaner in unseren Laden, um sich etwas auszuruhen. Am anderen Morgen zogen sie weiter. Im Garten meiner Tante lag ein toter Soldat. Er hatte eine Kugel durch den Kopf gekriegt und hatte so ein schnelles Ende. Es war ein Leutnant im Alter von ungefähr 40 Jahren. Er wurde auf dem Friedhof zu Lauenförde beigesetzt.“ Das passt zum Thema: Als Höxter am Abgrund stand: Kriegsende vor 75 Jahren Eine Junge, der im April 1945 acht Jahre alt war, hielt in seinem Aufsatz fest: &bdquo;Nach dem Einmarsch der Amerikaner hatten wir natürlich keine Schule. Keine Flieger kamen mehr. Wir Kinder hatten es eigentlich gut”, schrieb er und berichtete, dass die amerikanischen Soldaten den Kindern Semmeln, Bonbons, Konservendosen, Schokolade und Kaffee schenkten, teilweise sogar Geld. &bdquo;Als fast alle wieder wegzogen, mussten wir wieder zur Schule gehen. Aus diesem Schuljahr habe ich nur wenige Erinnerungen. Wir machten gar keinen Ausflug und hatten auch keine Bücher zum Lernen.“ Die 3. US-Panzerdivision überquerte nach den Kampfhandlungen schließlich die Weser in Beverungen und stieß von Lauenförde aus weiter in Richtung Solling und Harz vor. Der Vormarsch gelang schnell. Bereits am 10. April 1945 besetzte die US-Armee Northeim.

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