Ist der Mordvorwurf in „Bluttat von Lauenförde“ vom Tisch?

Lauenförde/Hildesheim. Die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich sehr schnell festgelegt und dem versuchten Tötungsdelikt in Lauenförde einen Namen gegeben: versuchter Mord. Die sogenannte &bdquo;Bluttat von Lauenförde“ wurde später auch als solcher angeklagt und seit einigen Wochen vor dem Schwurgericht am zuständigen Landgericht Hildesheim verhandelt. Doch Rainer de Lippe, Vorsitzender Richter, ließ jetzt durchblicken, dass die Kammer der Anklage in diesem Punkt nicht folgt. Mord unterscheidet sich juristisch durch ein sogenanntes Mordmerkmal vom Totschlag. Prominente Beispiele für Mordmerkmale sind die niedrigen Beweggründe, Habgier oder eine Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Im Fall von Luan D. (alle Namen geändert), der auf der Anklagebank sitzt, gingen die Ermittlungsbehörden von Heimtücke aus. &bdquo;Die Heimtücke ist vom Tisch“, fasst Rechtsanwalt Steffen Hörning, der das Opfer der Bluttat, Amir H., vor Gericht vertritt, zusammen. Richter de Lippe habe den &bdquo;rechtlichen Hinweis“ gegeben, dass auch eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Betracht komme. Das Gericht sei Hörning zufolge demnach überzeugt, dass Amir H. am Abend des 29. Januar nicht gänzlich arglos war, als Luan D. ihn mit einer Schusswaffe angriff. Hörning erinnert, dass H. des Angeklagten gewahr wurde, als dieser mit gezogener Waffe vor ihm stand. Das Opfer rief seinem Angreifer nach eigener Aussage noch Dinge zu wie &bdquo;Lass das! Tu das nicht!“ Die erste Kugel, so offenbar die Lesart des Gerichts, traf den 49-Jährigen also nicht in kompletter Arglosigkeit. Interesse an Verurteilung wegen versuchten Mordes Als Nebenklagevertreter hat Steffen Hörning aber natürlich ein Interesse daran, dass Luan D. doch wegen versuchten Mordes verurteilt wird. &bdquo;Ich überlege mir, ob ich noch in die Offensive gehe“, erklärt er im Gespräch mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Zwar hat er bei der Heimtücke wohl keinen Ansatzpunkt. Möglicherweise sei aber ein anderes Mordmerkmal erfüllt: die niedrigen Beweggründe. Lesen Sie auch: &bdquo;Bluttat von Lauenförde“: Version des Angeklagten überzeugt vor Gericht nicht Es muss – nicht zuletzt, nachdem die polizeilichen Aussagen der Ehefrau Luan D. vor Gericht verlesen worden waren – davon ausgegangenen werden, dass der 67-Jährige aus Eifersucht auf einen vermeintlichen Nebenbuhler schoss. Luan D. soll Amir H. verdächtigt haben, eine Beziehung zu seiner Ehefrau Vjona D. unterhalten zu haben. H. hatte dies von Beginn an abgestritten. Ein von Eifersucht getriebener Versuch, einen anderen Menschen zu töten, kann als Mordmerkmal gelten. Wobei es hier tricky wird. Das grundsätzliche praktische Problem mit den Mordmerkmalen: Sie müssen nachgewiesen werden. Das Gericht muss zweifelsfrei überzeugt sein, dass im Kopf eines oder einer Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat dieses oder jenes vorging. Wie berichtet, streitet Luan D. das Eifersuchtsmotiv ab. Und auch den Tötungsvorsatz. Im Prozess um die Bluttat gibt es noch ein Problem Doch es gibt noch ein weiteres Problem. &bdquo;Für Luan D. ist Eifersucht wohl kein niedriger Beweggrund“, sagt Hörning. Und vor einem solchen Hintergrund existierten Urteile des Bundesgerichtshofs, die die niedrigen Beweggründe in einem derart gelagerten Fall nicht als Mordmerkmal akzeptierten. Aber – natürlich – gebe es auch gegenteilige Urteile, die herausstellten, dass die Maßstäbe des Landes, der Gesellschaft gelten müssten, in dem ein Verbrechen verübt wurde. Der Hannoveraner Rechtsanwalt wolle sich mit der Staatsanwaltschaft besprechen, wie er weiter vorgehen wolle. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Denn beim nächsten Hauptverhandlungstermin, Dienstag, 27. August, um 9 Uhr soll bereits plädiert werden. Dann müsste die Anklägerseite eine Argumentation parat haben, um eine Verurteilung Luan D.s wegen versuchten Mordes zu begründen. Laut Hörning habe das Gericht in Aussicht gestellt, dass sogar das Urteil noch am selben Tag fallen könne. Klappe dies aus Zeitgründen nicht, hätten die Prozessbeteiligten noch einen weiteren Termin Anfang September in der Rückhand. Die Suche nach der Tatwaffe von Lauenförde geht weiter Ob bis dahin auch noch die Fragen geklärt werden können, die die Aufarbeitung der vier Schüsse an der Bahnhofstraße in Lauenförde aufgeworfen hat, bleibt abzuwarten. Wo ist die Tatwaffe? Hatte sie einen Fehler oder wie kommt es, dass es laut Rechtsmedizin kein Geschoss war, das Amir H. das Augenlicht auf dem linken Auge nahm? Worum ging es in dem Streit in einer Bäckerei in Lauenförde? Und warum wurden neben dem Angeklagten auch seine Frau, ein Sohn und einer dessen Kumpels unweit des Tatorts von der Polizei aufgegriffen? Lesen Sie auch: &bdquo;Da habe ich meinen Tod gesehen“: Opfer der &bdquo;Bluttat von Lauenförde“ sagt aus Apropos: Laut Hörning war es ein Höxteraner Polizist, der am Abend des 29. Januar zufällig auf das Auto Luan D.s stieß, nach dem gefahndet wurde. Der Ermittler hatte Luan D. ein Zeichen gegeben, rechts ranzufahren, dem der Angeklagte auch gefolgt sei. &bdquo;Weil der Beamte allein war, hat er die Schusswaffe gezogen“, gibt Hörning die Aussage wider. Anschließend nahm der Höxteraner den Lauenförder fest.

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