Experte bestätigt: Reichsbürger sind in Beverunger Ortsteil aufgetaucht

Beverungen-Dalhausen. 27 Reichsbürger sind zum Stichtag 31. Dezember im Kreis Höxter aktiv. Das geht aus der Jahresbilanz &bdquo;politisch motivierte Kriminalität 2022“ des polizeilichen Staatsschutzs des Polizeipräsidiums Bielefeld hervor, das für die politische Kriminalität im Kreis Höxter zuständig ist. Es sprechen viele Anzeichen dafür, dass in diesen Tagen ein weiterer Reichsbürger dazugekommen ist. Viele Fragen bleiben allerdings noch offen. Das sagen Experten zu einem Haus in Dalhausen, das offenbar von einer Reichbürgergruppierung erworben worden ist. Was ist überhaupt passiert? Vor dem betreffenden Haus in der Urentalstraße wurden Hinweise angebracht. &bdquo;Haus der deutschen Hanse – Hansahaus“, steht auf einem Schild. In einem lokalen Anzeigenblatt werden Anzeigen geschaltet, von denen eine mit einer Kontakt-Mail-Adresse versehen ist, die auch als Kontakt-Mail auf verschiedenen Internetseiten mit fragwürdigem Inhalt erscheint. In einer Anzeige heißt es: &bdquo;Interessenten für die Gründung einer Partei gesucht“: Die E-Mail-Adresse darunter taucht, ebenso wie die Handynummer, die am Haus an der Urentalstraße als Kontakt angegeben ist, etwa auf der Seite &bdquo;kaiserreichdeutschland“ auf. Das ist nach eigenen Angaben die &bdquo;Homepage des Heiligen Römischen Reichs“, sie thematisiert demnach den &bdquo;Neuaufbau des Reiches“. Anwohner aber auch offizielle Vertreter der Stadt zeigen sich verunsichert: Wer oder was ist da plötzlich in der Nachbarschaft aufgetaucht? Was wollen sie ausgerechnet in Dalhausen? Was wollen sie überhaupt? Was sagen verschiedene Behörden? Die Kreispolizeibehörde ist einer Meldung aus der Bevölkerung über die denkwürdigen Aushänge an dem Haus nachgegangen. Was passiert nun? &bdquo;Die Polizei kann in diesem Fall tätig werden, indem sie die Ermittlungen aufnimmt und den Sachverhalt prüft“, sagt Pressesprecher Edison Buch auf Nachfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Federführend bei solchen möglichen Delikten, die politische Kriminalität betreffen, ist der Staatsschutz in Bielefeld. Der beantwortet eine Anfrage der &bdquo;NW“ so: &bdquo;Dem Staatsschutz Bielefeld ist seit einigen Wochen bekannt, dass die ’Deutsche Hanse’ um Mitglieder wirbt.“ Derzeit bestünden &bdquo;keine Hinweise darauf, dass von der ’Deutschen Hanse’ konkrete Gefahren ausgehen“. Straftaten im Sachzusammenhang seien nicht in Bearbeitung. Welche Rolle spielt der Kreis Höxter? Sicherheitsbehörden rechnen in der Region Ostwestfalen-Lippe weiterhin Hunderte Personen der Szene der sogenannten Reichsbürger zu. Der Bielefelder Staatsschutz spricht in seinem Jahresbericht für 2022 von insgesamt 383 Personen. 201 seien sicher dem Milieu zuzurechnen, bei 182 weiteren Personen gebe es Hinweise darauf. Im Jahr zuvor war die Zahl noch deutlich höher und lag bei 468 Szene-Anhängern. Laut der jüngsten Zahlen spielt der Kreis Höxter dabei aber eher eine untergeordnete Rolle: 27 Personen werden hier der Szene zugeordnet, Hotspot mit 75 Personen ist der Kreis Minden-Lübbecke, gefolgt vom Kreis Herford mit 74 Personen, im Kreis Paderborn leben laut der Erhebung 58 Reichsbürger. Jannik Kohl von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL, sieht die Zahlen kritisch, &bdquo;insbesondere der Rückgang von Reichsbürgerinnen im Vergleich zu der Statistik des Vorjahres entspricht nicht unserer Wahrnehmung aktueller Entwicklungen.“ Die Berater gehen davon aus, dass die Bewegung derzeit für viele Menschen an Attraktivität gewinne. &bdquo;Wir wissen auch nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist“, betont er. Gerade in einem ländlichen Kreis wie Höxter seien viele Bereiche von der Präventionsarbeit noch wenig erfasst worden. Was sind die Ziele der &bdquo;Hanse“ und wer ist das? Wer sich hinter der E-Mail-Adresse verbirgt, die im Zusammenhang mit der &bdquo;Deutschen Hanse“ immer wieder auftaucht, ist nicht abschließend geklärt. &bdquo;Klar wird aus den Websites, die über die E-Mail-Adresse erreichbar sind, dass diese zur extremen Rechten gehören. Dabei finden sich unterschiedliche, jedoch alle zur extremen Rechten gehörende, sich teilweise widersprechende Ideologiefragmente“, sagt ein Mitglied des Vereins &bdquo;Argumente & Kultur gegen Rechts“ aus Bielefeld auf Nachfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Daher lasse sich auch nicht einschätzen, ob der oder die Mieter des Hauses auch die Betreiber der Internetseiten und Nutzer der E-Mail-Adresse sind oder nur auf sie verweisen. &bdquo;Das macht, hinsichtlich der zu erwartenden ideologischen Festigung einen Unterschied.“ Auf den verschiedenen Seiten fänden sich &bdquo;sowohl germanisch-esoterisch-rassistische aus dem Bereich einer religiös begründeten Ariosophie, aus selektiver Geschichtsdeutung und Reichsideologie abgeleitete Konstruktionen, die eine Schnittmenge zu den Reichsbürgern haben, Bezüge auf eine christlich-faschistische Tradition sowie auf den christlichen Deutschritterorden“ aufwiesen. Wie stark die Einbindung in die Strukturen der extremen Rechten ist, könne allein über eine Recherche im Internet nicht ermittelt werden; &bdquo;deutlich sind jedoch Bezüge zur NPD, die jetzt ’Die Heimat’ heißt“. Festzustellen sei, sagt ein Sprecher des Vereins, &bdquo;dass die Beiträge im Netz zu unterschiedlichen Zeiten geschrieben wurden, aber alle ähnlich aufgebaut“ seien. Der Verein &bdquo;Argumente & Kultur gegen rechts“ trägt laut Selbstauskunft Informationen über die die extreme Rechte zusammen, über Bewegungen, Organisationen und Parteien, über Jugend- und Musikkulturen, Zeitschriftenprojekte, Verlage und diverse andere Medien. Wie sollten Anwohner reagieren? Jannik Kohl ist von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL. Die verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, &bdquo;Menschen individuell zu beraten und zu unterstützen sowie Grundlagen und Voraussetzungen für ein vielfältiges, gleichberechtigtes und demokratisches Zusammenleben aller Menschen in NRW zu schaffen“. Schwerpunkt ist dabei die Beratung im Falle von rechter oder rassistischer Zwischenfälle oder Übergriffe. &bdquo;Mein erster Ratschlag ist: Informieren Sie sich. Welches Weltbild wird von den Menschen vertreten“, sagt Kohl auf die Frage, wie mit einem Reichsbürger in der Nachbarschaft umzugehen ist. Das könne aber nur ein erster Schritt sein. &bdquo;Danach sollte man sich mit Menschen, die ein demokratisches Weltbild vertreten, vernetzen.“ Gemeinsam könnten Zeichen gesetzt werden gegen die Ideologie, die die Rechten verbreiten wollen – &bdquo;und für die Demokratie“. Ansprechpartner für die Entwicklung möglicher Formate und Veranstaltungen sei die Mobile Beratung. &bdquo;Man könnte zum Beispiel ein Nachbarschaftsfest feiern, das die Fahnen der Demokratie hochhält oder aber eine Informationsveranstaltung organisieren“, gibt er Beispiele dafür, wie solche Zeichen aussehen könnten. &bdquo;Eine Musterlösung gibt es da nicht, es kommt immer darauf an, wie die Verhältnisse vor Ort sind.“ Stattdessen werde eine Lösung meist gemeinsam mit den Menschen vor Ort entwickelt. Die Mobile Beratung komme dafür auch direkt in den betroffenen Gemeinden vorbei. &bdquo;Meist machen wir zuerst ein kurzes Beratungsgespräch, je nach Bedarf schließen sich weitere an.“ Beratungen könnten dabei auch ausdrücklich vertraulich erfolgen, &bdquo;ohne dass wir wissen, wie der zu Beratende heißt“. Die Beratungsstelle wird unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert, hat ihren Sitz in Herford und ist erreichbar unter Tel. 05221 1745725. Wer einen Termin haben möchte, müsse allerdings mit Wartezeiten rechnen, der Beratungsbedarf sei recht hoch, heißt es auf der Homepage der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus.

Meistgelesen