Wetter im Kreis Höxter 2021: Sommertag im März und Frühling an Silvester

Herr Sander, seit mehr als 20 Jahren analysieren Sie die Messwerte der Wetterstation in Drenke. War 2021 ein ungewöhnliches Wetterjahr? Hermann-Josef Sander: Keinesfalls. Gewiss, es gab zahlreiche Abweichungen von langjährigen Referenzwerten, besonders im ersten Halbjahr, doch sind auch erhebliche Schwankungen bei den Messwerten völlig normal. Obendrein blieb unser Gebiet von katastrophalen Unwettern verschont. Welcher Monat bleibt in Ihrer Erinnerung besonders haften? Zweifellos der Februar, den große Temperaturgegensätze kennzeichneten. Er begann mit Maximaltemperaturen bis 10,1 Grad Celsius, doch in der zweiten Monatswoche pendelte die jeweilige Höchsttemperatur zwischen minus 2,3 und minus 7,7 Grad Celsius, die Spanne der niedrigsten Temperaturen reichte beim Luftfrost von minus 12,5 bis minus 17,8 Grad. Kein neuer Rekord, am 7. Februar 2012 waren ebenfalls minus 17,8 Grad gemessen worden. Am Boden herrschten sogar Temperaturen von minus 11,5 bis 23,6 Grad Celsius – die bislang niedrigste Bodentemperatur von minus 19,5 Grad aus dem Januar 2009 wurde somit deutlich unterschritten. Wie verlief der Februar darüber hinaus? Nichtsdestoweniger fiel der Februar insgesamt um 0,5 Grad zu warm aus, nicht zuletzt dank hoher zweistelliger Temperaturen bis zu 18 Grad in der letzten Februarwoche. Nicht ungewöhnlich: Auch im Februar 2019 erreichte das Temperatur-Maximum 17,7 Grad. Der Februar bewies zugleich, dass es unserer hoch technisierten Gesellschaft immer schwerer fällt, adäquat auf winterliche Verhältnisse zu reagieren. Gab es in anderen Monaten ähnliche Ausreißer? Zum Beispiel im März. Die Temperaturen in den ersten beiden Dekaden waren mit einem Mittel von 3,7 Grad eher unterkühlt, doch verabschiedete der Monat sich nahezu frühsommerlich: Mit 21,7 Grad am 30. März wurde erstmals die 20-Grad-Marke geknackt, einen Tag später mit 24,0 Grad die bislang höchste März-Temperatur seit Bestehen der Wetterstation gemessen.In der Kernstadt ließ sich mit 25,0 Grad sogar der erste Sommertag des Jahres verzeichnen. Oder im April. Es gab es nicht einen einzigen Tag mit 20 Grad, aber an acht Tagen Frost und in 16 Nächten noch leichten Bodenfrost. Einen Tag nach Ostern überraschte morgens sogar eine Schneedecke. Mit einem Mittel von 5,9 Grad war es der bislang kühlste April in Drenke. Wie waren die Temperaturen im Sommer? Der Juni ist noch zu erwähnen, der Sommermonat des vergangenen Jahres schlechthin. Er zeigte sich mit elf Sommer- und drei Hitzetagen mit der Maximaltemperatur von 33,6 Grad und einem Mittel von 19,1 Grad als zweitwärmster, mit 114,3 Millimeter Niederschlag – fast 100 Prozent über dem vieljährigen Soll – als zweitnassester.Zwar gab es nur elf Tage mit Niederschlag, darunter aber zwei Tage mit 26,4 mm bzw. 26,5 mm und einen Tag mit 20,3 mm. Und mit 266,2 Sonnenscheinstunden war er zugleich zweitsonnenscheinreichster Juni seit 1999. Und dann kam der Winter... Den Dezember möchte ich auch nicht ausklammern. Er war beinahe um 3,0 Grad zu mild. Doch gab es einen Hauch von weißen Weihnachten. An beiden Weihnachtstagen – und damit erstmals wieder seit 2010 – herrschte leichter Dauerfrost mit ein bisschen Schnee. Dagegen gab es am Silvestertag mit 13,5 Grad nicht nur die höchste Monatstemperatur, sondern zugleich die höchste Temperatur, die an einem Jahresende seit Bestehen der Wetterstation gemessen wurde. Das vergangene Jahr wird als eines der wärmsten bezeichnet. Gilt das auch für Drenke? Bis auf den April, der mit dem Mittel von 5,9 Grad um 2,1 Grad zu kalt, und den Mai, der mit 10,8 Grad um 1,2 Grad zu kühl war, sind alle anderen Monate deutlich zu warm gewesen. In sechs Monaten lag die Abweichung zwischen 0,2 und 0,9, in drei Monaten bei 1,1 Grad. Die höchste Abweichung von 4,1 Grad gab es im Juni, der ein Mittel von 19,1 Grad erreichte.2021 lag die Jahresmitteltemperatur von 9,2 Grad zwar um 0,7 Grad über dem langjährigen Sollwert, aber noch um 1,7 Grad unter dem bislang höchsten Jahresmittel von 10,9 Grad des Jahres 2000. Die Jahresmitteltemperatur bewegte sich in den letzten 22 Jahren zwischen 7,8 (2010) und 10,9 Grad (2000) und liegt im Durchschnitt bei 9,6 Grad, somit um 1,1 Grad über dem langjährigen Referenzwert der Jahre 1961 bis 1990. Lässt sich bei der Anzahl der Sommer- und Hitzetage ein Trend erkennen? Nein. Im Durchschnitt der vergangenen 22 Jahre gab es pro Jahr 29,7 Sommer- und 8,6 Hitzetage. Im Rahmen dessen war 2021 mit insgesamt 25 Sommer- und 3 Hitzetagen eher unterdurchschnittlich. Herausragend sind natürlich die Jahre 2003 mit 43 Sommer- und 15 Hitzetagen sowie 2018 mit 45 Sommer- und 33 Hitzetagen. Aber zu erwähnen sind auch das Jahr 2000 mit nur 19 Sommer- und 5 Hitzetagen sowie 2007 mit 24 Sommer- und 2 Hitzetagen.Das Mittel für die jeweiligen drei Sommermonate in den vergangenen 22 Jahren liegt übrigens mit 17,2 Grad um 1,2 Grad über dem langjährigen Wert. 1.587,2 Sonnenscheinstunden entsprachen weitgehend dem vieljährigen Soll von 1.600 Stunden. Zum Vergleich: 2002 hatte die Sonne nur 1.054,7 Stunden, 2018 indes 2.128,8 Stunden geschienen. Hat die Zahl und Heftigkeit der Stürme zugenommen? Keineswegs. 2021 gab es zwei Stürme: im März das Sturmtief &bdquo;Klaus“ mit 94,0 km/h und im Oktober &bdquo;Hendrik“ mit 96,0 km/h. Stürme mit mehr als 100 km/h hat es letztmals im März 2019 gegeben, nämlich &bdquo;Dragi“ mit 109,3 km/h und &bdquo;Eberhard“ mit 122 km/h.2005 waren drei Stürme mit Windgeschwindigkeiten zwischen 104 und 106 km/h verzeichnet worden. 2015 waren es vier mit Maximalböen zwischen 102,0 km/h und 122,2 km/h, 2018 zwei mit 113,0 km/h und 144,5 km/h (&bdquo;Friederike“). War das vergangene Jahr zu trocken oder eher zu nass? 603,7 Millimeter Niederschlag (2002: 1036 mm; 2018: 490,4 mm) entsprachen nahezu exakt dem langjährigen Referenzwert von 607 mm. Dennoch: Das gesamte erste Halbjahr war – erfreulich für die Vegetation – um rund 40 Prozent zu nass, das zweite um 35 Prozent zu trocken. Von den vergangenen 22 Jahren sind übrigens vier zu trocken, 18 zu nass gewesen. Lässt sich in Drenke eine Tendenz hinsichtlich der Zunahme von Starkregen feststellen? Keinesfalls. In den vergangenen 22 Jahren fielen 77 Male mehr als 20 mm Niederschlag innerhalb von 24 Stunden, rein statistisch also 3,5 Male pro Jahr: darunter 57 Male zwischen 20 mm und 30 mm, 14 Male zwischen 30 mm und 40 mm, zwei Male zwischen 40 mm und 50 mm und vier Male zwischen 51,3 mm und 55,8 mm.Insgesamt sind signifikante Schwankungen festzustellen: Gab es 2002 11 Tage, an denen zwischen 20,1 mm und 27,3 mm fielen sowie einen Tag mit 36 mm und einen Tag mit 55,8 mm, war 2006 hingegen nur ein einziger Tag zu verzeichnen, an dem mit 20,6 mm mehr als 20 mm überschritten wurden. Auch 2009 gab es lediglich 3 Tage mit Werten zwischen 20,2 mm und 23,3 mm. Sehen auch Sie die Flutkatastrophe vom vergangenen Juni an Ahr und Erft als untrüglichen Hinweis auf Klimaveränderungen? Die Frage, ob einzelne extreme Wetterereignisse als Anzeichen für Veränderungen des Klimas gewertet werden können, lässt sich seriös nicht beantworten. Insofern ist es erst recht nicht seriös, wenn das Umweltbundesamt schon vor Jahren dazu riet, extreme Wetterereignisse als &bdquo;Aufmerksamkeitsfenster“ zu nutzen,um dafür zu werben, &bdquo;Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel“ durchzuführen. Ich bin skeptisch gegenüber Langzeitprognosen und -szenarien, denn langfristige Entwicklungen lassen sich nicht fortschreiben, weil die Unsicherheiten zu groß sind. Statistik übertüncht diese Unsicherheiten lediglich, und Simulationen von Großrechnern sollten niemals das eigene Nachdenken ersetzen. Es ist einfach unredlich, mit Prognosen gewünschte Lösungen zu erzwingen. Sie beziehen sich häufig auf Wetterereignisse in der Vergangenheit, warum nicht auf Szenarien, die sich mit möglichen künftigen Entwicklungen beschäftigen? Der französische Schriftsteller André Malraux (1901 bis 1976) meinte einmal: &bdquo;Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“. Gerade der Blick in die Vergangenheit zeigt deutlich, dass es gern als Jahrhundertereignisse bezeichnete Wetterextreme schon immer gegeben hat – oft sogar mit Folgen, die diejenigen von heute weit in den Schatten stellen.Und bereits lange vor der Industrialisierung gab es weitaus stärkere Phasen der Erwärmung als heute. Der Mensch wünscht sich Beständigkeit, doch Natur ist dynamisch, ein kontinuierlicher Prozess, unterliegt ständiger Veränderung. Konstanten, ein Standardwetter, an dem man sich orientieren könnte, gibt es nicht. Statistik bleibt letztlich bloße Konstruktion.

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