Diese Dachdecker retteten der Ziege bei Beverungen das Leben

Beverungen. Seit Mittwochmorgen steht das Telefon von Bernd Berger nicht mehr still. Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender rufen bei dem Dachdeckermeister aus Bad Karlshafen an. Doch nicht ihn wollen sie sprechen, sondern seine beiden Mitarbeiter Emran Dawodi und Kazim Adeli. Die beiden gebürtigen Afghanen haben in einer Aktion, die sowohl mutig als auch waghalsig zugleich war, eine Ziege vor einem langsamen und qualvollen Tod gerettet. Die Geschichte begann Mitte der vergangenen Woche. Anwohner der Hannoverschen Klippen zwischen Beverungen und Bad Karlshafen meldeten sich bei den Behörden und berichteten davon, dass eine Ziege auf einem Felsvorsprung in gut 80 Metern Höhe stehe und von dort nicht mehr wegkomme. In den folgenden Tagen erlangte der Vierbeiner immer größere Bekanntheit. Gleichzeitig verschlechterte sich die missliche Lage der Ziege zusehends. Ähnlicher Vorfall in afghanischem Heimatdorf Denn der Felsvorsprung bot nur wenig Nahrung und keinerlei Trinkmöglichkeit. Zudem setzte die nasskalte Witterung der vergangenen Tage dem Paarhufer zu. Zuletzt lag das Tier nur noch auf dem Felsbalkon, konnte sich kaum auf den Beinen halten. Mittlerweile nahm man sich auch bei der Stadt Beverungen der Sache an. Die Verwaltung stand in engem Kontakt unter anderem mit dem Kreisveterinäramt. "Wir hatten Maßnahmen in Planung und haben uns dafür mit Baumkletterern abgesprochen", sagt Ralf Meibom, stellvertretender Abteilungsleiter für Schule, Ordnung und Soziales bei der Stadt Beverungen. Doch bevor diese überhaupt ans Werk gehen konnten schritten Dawodi und Adeli zur Tat. Die beiden gebürtigen Afghanen kamen vor mehr als vier Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland. Der 23-Jährige Dawodi macht im Dachdeckerbetrieb von Bernd Berger zurzeit eine Ausbildung, ist im zweiten Lehrjahr. Der 36-jährige Adeli arbeitet ebenfalls als Dachdecker, hat in seinem kleinen Heimatdorf die kleine Schule mit 200 Schülern geleitet. Er erzählt von einem ähnlichen Vorfall, der sich nahe seines Dorfes zugetragen hatte. Dort hatte sich eine Kuh zwischen zwei Felsen eingeklemmt. Adeli half damals, das Tier zu befreien. Schicksal der Ziege von Anfang an verfolgt In Bad Karlshafen, ihrem neuen Zuhause, hatten die beiden gebürtigen Afghanen von Beginn an das Schicksal der Ziege auf dem Felsvorsprung verfolgt. Als das Tier nach mehreren Tagen immer noch in luftiger Höhe kauerte, verabredeten sich die beiden am Dienstagabend und holten sich ein Seil, sowie einen Sicherungsgurt aus Bergers Betrieb. Damit fuhren der 23- und der 36-Jährige dann zu einem Punkt, oberhalb der Hannoverschen Klippen. Von hier schlugen sie sich dann durch das Gehölz. Nach einem beschwerlichen Weg näherten sie sich dem Felsvorsprung unweit des Weser-Skywalks. Nun begann die waghalsige Rettungsaktion. Während Adeli das Seil an einem Baum befestigte, legte sich Dawodi den Sicherungsgurt an. Ohne Helm, Steigeisen, Karabinerhaken oder andere Kletterausrüstung, seilte sich der Dachdecker-Azubi ab. Oberhalb verblieb der ältere Adeli, der das Seil sicherte. "Gefährlich war es schon" Als Dachdecker haben die beiden keine Höhenangst. Gefährlich sei es trotzdem schon gewesen, sagt Emran Dawodi, der nach einigen Augenblicken auf dem Felsvorsprung ankam, auf dem die Ziege kauerte. Das scheue Tier erschrak zunächst, hatte an der Felswand jedoch keine Fluchtmöglichkeit. "Ich habe auf das Tier eingeredet und es ganz schnell an den Beinen gepackt." Das völlig erschöpfte Tier leistete kaum Gegenwehr. "Es kam mir so vor, als hätte die Ziege mehr Durst als Hunger gehabt." Danach habe Dawodi das erschöpfte Tier auf einen einen kleinen Vorsprung über dem eigentlichen Felsbalkon gestellt. Von dort verschwand die Ziege dann im Wald in Richtung Würgassen. "Wenn man sich das bei Tageslicht anschaut, dann sieht es sehr gefährlich aus", wiederholt Dawodi, der nach seiner und Adelis Rückkehr erst einmal seine Freundin trösten musste. Diese hatte ihn, laut eigener Aussage, unter Tränen angefleht, nicht zur Ziege zu steigen. Doch die beiden Afghanen waren von vorneherein überzeugt, dass die Aktion gelingen werde. "Wenn man will, kann man alles schaffen", sagt Dawodi. Berger ist stolz auf seine Mitarbeiter Dachdeckermeister Bernd Berger, der erst am Dienstagabend nach der erfolgreichen Rettung von der Aktion erfuhr, ist stolz auf seine Mitarbeiter. "Aus meiner Sicht haben die beiden alles richtig gemacht. Warum sollte man in dieser Situation noch warten?". Auf diese Frage hat Ralf Meibom von der Stadt Beverungen eine Antwort: "Wir hatten im vergangenen Jahr schon einmal eine Ziege, die sich dorthin verirrt hat. Nach wenigen Tagen hat es das Tier aus eigener Kraft vom Felsvorsprung geschafft." Das sei der Grund gewesen, weshalb die Stadt nicht sofort Maßnahmen eingeleitet hätte. Und während Emran Dawodi und Kazim Adeli, die vor allem in den sozialen Netzwerken viel Lob und Zuspruch für ihre Aktion bekommen, jederzeit wieder ein Tier von dem Felsvorsprung retten würden, rät Meibom von solchen Klettertouren auf eigene Faust ab. "Das ist ein sehr schwieriges Gelände. Das hätte man Fachleuten überlassen sollen."

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