Bad Driburg. Obwohl bundesweit Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Rehakliniken händeringend Pflegefachkräfte suchen, sperren sich zwei Bundesministerien gegen die Ausweitung von Ausbildungskapazitäten. So formulieren es jedenfalls die Gräflichen Kliniken in Bad Driburg. Demnach lehnen das Bundesfamilienministerium und das Bundesgesundheitsministerium es ab, die rund 1.000 Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation als Ausbildungsträger für Pflegeberufe zuzulassen.
„Nachvollziehbar ist das für uns nicht“, erklärt Marko Schwartz, Geschäftsführer der Gräflichen Kliniken Bad Driburg, in einer Mitteilung. Nach seiner Überzeugung erfüllen viele deutschen Reha-Kliniken die sachlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Pflegeausbildung. Würden die bei ihnen vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten genutzt, könnten vermutlich Tausende zusätzliche Ausbildungsplätze für Pflegefachleute und Pflegeassistenzberufe geschaffen werden.
Und das wäre laut Branchenverbänden dringend erforderlich, denn Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigten, dass in zehn Jahren deutschlandweit bereits 90.000 Pflegekräfte fehlen werden. Bis zum Jahr 2049 könnte sich diese Zahl auf 280.000 verdreifachen. Dieser Entwicklung wollte vermutlich auch die aktuelle Bundesregierung entgegensteuern und legte in ihrem Koalitionsvertrag den Regierungsauftrag fest, dass die Reha-Einrichtungen als Ausbildungsträger zugelassen werden sollen.
Kritikpunkt: Reha-Kliniken von Gesetz nicht bedacht
„Die zuständigen Bundesministerien sehen sich an diesen Auftrag aber offenbar nicht gebunden. Denn in den bisherigen Gesetzgebungsverfahren, in denen eine Anpassung möglich gewesen wäre, blieben die Reha-Kliniken ausgeschlossen“, bemängeln die Gräflichen Kliniken. So sei es auch im aktuell geplanten „Gesetz über die Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegeassistenzausbildung“.
Während das am Gesetzentwurf beteiligte Bundesarbeitsministerium (BMAS) eine Zulassung der Reha-Kliniken befürworte, lehne das Familien- und das Gesundheitsministerium dies ab. „Sie wollen lediglich die Möglichkeit schaffen, dass 160 Stunden der Pflegeausbildung in einer Reha-Einrichtung absolviert werden können“, heißt es in der Mitteilung des Gräflichen Kliniken.
Klinik-Chef: Begründung des Ministeriums „geradezu absurd“
Und weiter: „Als Grund für ihre Ablehnung nennen die beiden Ministerien, dass gemäß der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Ausbildungsträger mehr als 50 Prozent der praktischen Ausbildung in der eigenen Einrichtung anbieten soll und nicht durch Kooperationen mit anderen Ausbildungsträgern.“ Zudem gebe es bereits genug Träger für die Pflegeausbildung, weitere würden deshalb nicht benötigt.
Diese Argumente lässt Geschäftsführer Marko Schwartz nicht gelten: „Wie die Gräflichen Kliniken Bad Driburg können die meisten deutschen Rehabilitationseinrichtungen viele der Ausbildungsinhalte abdecken, nur in wenigen Teilbereichen wären Kooperationen mit benachbarten Krankenhäusern erforderlich.“ Das machten andere Ausbildungsbetriebe aber auch, deshalb ist die Begründung der Ministerien in den Augen von Marko Schwartz „geradezu absurd“.
50-Prozent-Grenze bei Ausbildung „willkürlich“
Und dass Ausbildungsangebote fehlten, sei ganz offensichtlich. „Wir können eine wirklich attraktive und hoch qualifizierte Pflegeausbildung anbieten. Hier bei uns wären sicherlich 15 Ausbildungsplätze im Jahr möglich.“ So wie die Gräflichen Kliniken könnten überall in Deutschland die Reha-Einrichtungen zur Reduzierung des Pflegekräftemangels gerade in ländlichen Regionen beitragen“, meint er.
Ob es bei den Bundesministerien noch zu einem Sinneswandel kommt, hält er für ungewiss. Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK), der die politischen Interessen der Krankenhäuser und Reha-/Vorsorgeeinrichtungen in privater Trägerschaft vertritt, hat bereits mehrfach die Politik auf Bundesebene angeschrieben und ein Einlenken gefordert. Aus Sicht des Verbandes ist es „völlig unverständlich ist, wie die Ministerien zu der Auffassung gelangen können, es gäbe genügend Ausbildungsstätten, da der offensichtliche Mangel an Pflegekräften doch das Gegenteil belegt“.
Auch die willkürliche Grenze von 50 Prozent der praktischen Ausbildung in der eigenen Einrichtung hält der BDPK für realitätsfern. Pflegeeinrichtungen dürften auch keine Ausbildungsträger sein, da sie einen Großteil der Pflegeausbildung in Kooperationen erbringen. Daran werde deutlich, dass es wichtiger sei, dass die vorgesehenen Ausbildungsinhalte aus der geltenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vermittelt würden.