Gerichtsstreit mit Bad Driburger Graf eskaliert im Stadtrat

Bad Driburg. Schon allein die Tatsache, dass ein laufender Gerichtsstreit in aller Ausführlichkeit in einem Stadtrat diskutiert wird, ist überaus bemerkenswert und ungewöhnlich. Weil es dabei um sehr viel Geld für die Stadt Bad Driburg geht, kochten die Emotionen von Bürgermeister Burkhard Deppe und den Oppositionsparteien im Rat über. Versuche, die Debatte zu versachlichen, scheiterten immer wieder. Den eigentlich Beteiligten, Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff, ließ der Rat trotz seiner Bitte in dem anderthalbstündigen Wortgefecht nicht reden. Es geht vor allem die Frage, wer wann den entscheidenden Fehler gemacht hat, der jetzt die Stadt viel Geld kosten könnte. ÖDP und SPD sehen die Verantwortung bei der Verwaltungsspitze, der Bürgermeister und sein Beigeordneter Michael Scholle wollen diese aber gern weiterschieben. Dazu später mehr. Hintergrund ist, dass Bad Driburg eigentlich nur eine Kurstadt ist, weil der Graf einen privaten Kurpark betreibt – mit entsprechend hohen Kosten. Die Stadt profitiert sehr von diesem Status, nimmt einige Millionen Euro an Kurtaxe ein, von dem sie einen Teil an die Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen-Sierstorpff (UGOS) weiterleitet, weil sich der Kurpark allein nicht rechnet. All das ist in einem Heilbadvertrag und weiteren damit zusammenhängenden Verträgen geregelt. Bad Driburger Graf will Konkurrenz ausschließen Die schließen eigentlich auch aus, dass weitere Kurparkanlagen in Bad Driburg entstehen – um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Aber genau das hat die Stadt Bad Driburg auf dem Areal der ehemaligen Eggelandklinik vor – inklusive der Nutzung von Thermalquellen, mit denen dort zum Beispiel ein Kneippbecken betrieben werden soll. Lesen Sie auch unseren Kommentar: &bdquo;Der Driburger Bürgermeister vergibt eine Chance“ Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff stimmte dem zu. Er sei, wie er im Gespräch mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“ erklärte, sehr an einer guten Entwicklung Bad Driburgs interessiert. Vor allem als Gesundheitsstandort, der immerhin rund 5.000 Menschen sozialversicherte Arbeitsplätze biete. Das Recht der Stadt, die vorhandenen Quellen am Eggelandareal zu nutzen, wollte er sich allerdings bezahlen lassen – um, wie sein Anwalt Hasso Werk erklärt, den Kurpark mitzufinanzieren. Es geht um eine Dreiviertelmillion Euro Die Stadt ging auf den Deal ein, der Stadtrat stimmte mehrheitlich in einer Sondersitzung am 29. März 2021 zu. Das Datum wird noch von wichtiger Bedeutung sein. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Stadt der UGOS jährlich 50.000 Euro für die Nutzung der Quelle zahlen muss – und zwar 15 Jahre lang. Hochgerechnet steht damit ein Betrag von 750.000 Euro im Raum. Ein paar Wochen später fielen der SPD und der ÖDP auf, dass der Stadtverwaltung bei dem Vertrag ein grober Fehler unterlaufen ist: Denn die Vereinbarung war geschlossen worden, weil die Stadtverwaltung annahm, dass auf dem Gelände hinter dem Eggelandareal eine Dienstbarkeit zugunsten des Grafen eingetragen war. Der Graf wiederum beteuert, davon ausgegangen zu sein, auf sein Recht zu verzichten, Bohrungen zur Erschließung einer Mineralquelle durchzuführen. Der Graf klagt gegen die Stadt Bad Driburg Das Problem: Diese Dienstbarkeit gibt es im Grundbuch gar nicht. Die Stadt hätte die Quelle auf dem Eggelandareal einfach nutzen können, ohne in Summe 750.000 Euro an den Grafen zu zahlen. Lesen Sie auch: Streit mit Grafen um Quellennutzung: Stadt Bad Driburg will Details erläutern Am 29. April machen SPD und ÖDP sowohl Bürgermeister Burkhard Deppe als auch den Beigeordneten Michael Scholle vor einer weiteren Ratssitzung auf den teuren Fehler aufmerksam. Zugleich schalteten sie die Kommunalaufsicht ein. Es dauerte allerdings wiederum einige Wochen – nämlich, bis die Verwaltungsspitze den Vertrag wegen des Fehlers offiziell angefochten hat. In der Folge zahlte sie auch kein Geld an den Grafen. Der wiederum pochte mit Verweis auf den unterschriebenen Vertrag auf sein Geld und zog vor Gericht. Der größte Knackpunkt Vor dem Landgericht Paderborn gab es Mitte Juli die entscheidende Verhandlung und der Vorsitzende Richter Johannes Mertens machte mehr als deutlich, dass er Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff klar im Recht sieht, wie aus seinem Hinweisbeschluss hervorgeht. Sprich: Die Stadt muss zahlen. Hintergrund: Zoff vor Gericht: Graf und Stadt Bad Driburg streiten über Mineralquellen Als &bdquo;größten Knackpunkt“ sah er seinerzeit die lange Zeitdauer zwischen dem Zeitpunkt, als die Stadt Ende April 2021 von dem Fehler erfuhr und dem Zeitpunkt der offiziellen Anfechtung Ende Mai. Denn damit die Anfechtung rechtsgültig ist, muss sie unverzüglich erfolgen. Der Richter zweifelte daran, dass ein Monat Zeit unverzüglich ist. Und genau das, warum die Stadtspitze so lange gewartet hat, wurde Burkhard Deppe in der hochemotionalen Ratssitzung auch von der ÖDP-Fraktionschefin Petra Flemming-Schmidt gefragt. Obwohl Deppe mehrfach erklärte, das Thema mit größter Transparenz behandeln zu wollen, antwortete er auf diese entscheidende Frage nicht wirklich. ÖDP sieht Versagen der Stadtverwaltung Er informierte kurz, dass es zunächst ein Schriftverkehr mit Stellungnahmen mit dem Anwalt des Grafen gegeben habe, und ging sofort zum Angriff über. Er warf ÖDP und SPD vor, sie hätten die Verwaltung doch schon früher informieren können, immerhin müssten sie schon einige Tage von dem Fehler gewusst haben. Deppe war auch deshalb hörbar schwer angefressen, weil die ÖDP in einer Presseveröffentlichung zuvor der Stadtverwaltung &bdquo;ein Versagen“ vorgeworfen hatte. Denn der Fehler im Vertrag hätte &bdquo;der Beigeordnete der Stadt Bad Driburg Michael Scholle als Volljurist eigentlich selber leicht anhand der Grundbucheintragung und Kataster-Unterlagen feststellen können“. Dass Deppe nun der ÖDP und SPD inkorrektes Handeln vorwarf und die Sozialdemokraten als &bdquo;oberlehrerhaft“ titulierte, regte Thomas Arens von der SPD so richtig auf. &bdquo;Beklagt ist die Stadt Bad Driburg. Auf der Anklagebank im Landgericht haben Sie und Herr Scholle gesessen und nicht die SPD-Fraktion und nicht die ÖDP-Fraktion.“ Deppe weißt Verantwortung zurück Um das eigentliche Thema, den aktuellen Stand des Klageverfahrens, ging es in der Folge wenig. Vielmehr behagten sich Bürgermeister und Oppositionsparteien auf wenig sachlichem Niveau, während die CDU weitgehend schwieg oder dann und wann ihrem Bürgermeister auf den Tisch klopfend den Rücken stärkte. Der Verwaltungschef redete sich bisweilen in Rage, so dass Martina Denkner von den Grünen zwischenzeitlich sogar anbot, eine Sitzungsunterbrechung zu beantragen, damit er sich sammeln könne. Zuvor hatte die Ratsfrau erklärt, dass niemand im Rat die Absicht habe, den Bürgermeister hier vorzuführen. &bdquo;Allerdings tun Sie das gerade selber.“ Kanzlei prüft eigene Mitschuld Deppe wiederum steht fest auf dem Standpunkt, dass &bdquo;zum aktuellen Zeitpunkt niemandem in der Verwaltung ein Vorwurf zu machen“ sei. Es sei der Verwaltung in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die Unterlagen selbst zu prüfen. Erst ein wiederum ungewöhnlicher Auftritt des Juristen Daniel Wittig von der Kanzlei Brandi, der die Stadtverwaltung in diesem Rechtsstreit vertritt, brachte wieder Sachlichkeit in die Debatte. Er machte nicht nur deutlich, dass er kaum Chancen sieht, dass die Stadt den Rechtsstreit mit dem Grafen noch gewinnt, sondern auch, dass die Verwaltungsspitze wohl nicht alleinverantwortlich für den groben Fehler im Vertrag ist. Denn die Stadt hatte die Kanzlei vor dem Vertragsabschluss tatsächlich mit der Prüfung der Unterlagen beauftragt und dazu auch, wie Deppe anhand von E-Mails belegte, die Grundbuchauszüge zugeschickt. Es wird deshalb zurzeit geprüft, ob nicht der Kanzlei der eigentliche Fehler unterlaufen ist und sie deshalb an die Stadt Schadensersatz zahlen müsste. Diese hat dafür eine Haftpflichtversicherung, die ebenfalls schon in die Prüfung involviert sei. Urteil wird Anfang Oktober erwartet Wann es dazu ein Ergebnis gibt, ist noch unklar. Fest steht aber, dass das Landgericht Paderborn am 4. Oktober sein Urteil im Rechtsstreit zwischen Graf und Stadt verkünden wird. Während sich die AfD nach eigenem Bekunden auf ein Urteil freut, wohl weil es eine Demütigung für die Verwaltungsspitze wäre, appellierten die anderen Parteien unisono an den Grafen und die Verwaltung, alles daran zu setzen, vorher doch noch einen Vergleich zu erzielen. Die bisherigen Angebote der Stadt, wie eine über mehrere Jahre verteilte Zahlung eines geringeren Betrages und eine weitergehende Kooperation etwa bei der Grünpflege lehnte der Graf bisher ab. Beide Seiten betonten aber weiter Gesprächsbereitschaft. .responsive23-3I8qvxoy8t1ar1Up-map-bad-driburg-quellenstreit { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-3I8qvxoy8t1ar1Up-map-bad-driburg-quellenstreit { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-3I8qvxoy8t1ar1Up-map-bad-driburg-quellenstreit { padding-top: 142.86%; } }

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