Ärztemangel: Wie ein Praxenkollaps im Kreis Höxter verhindert werden kann

Bad Driburg. Dem ländlichen Raum droht ein Praxenkollaps. Das ist keine wahlkampftaktische Panikmache, sondern so steht es in einem medizinischen Verbandsmedium. Werbung in eigener Sache ist das nicht. Ärzteschaft und Patienten sind gleichermaßen verunsichert. Aber wie dramatisch ist das Problem im Kreis Höxter tatsächlich? Ist es schon fünf vor zwölf, oder erst viertel vor und gibt es Wege, den Kollaps zu vermeiden? Das sollte eine von hiesigen Ärzten und dem Bad Driburger Landtagsabgeordneten Matthias Goeken organisierte Podiumsdiskussion klären. Das Interesse an dem Thema war groß. Nahezu alle der rund 50 Plätze im Foyer der Seniorenresidenz Medicare waren besetzt. &bdquo;Man könnte meinen, so schlecht ist die Situation im Kreis Höxter gar nicht, mal abgesehen von Kinderarztpraxen, wo es jetzt schon ein fast 30-prozentiges Defizit für den Kreis gibt“, sagte der Leiter der kassenärztlichen Vereinigung, Ulrich Polenz (Allgemeinmediziner aus Paderborn). Problem: überalterte Praxenstruktur Auch wenn die Versorgungsquote aktuell vor allem in vielen fachärztlichen Bereichen offiziell sogar über 100 Prozent liegt, der Kreis also tendenziell sogar überversorgt scheint, liegt das Problem in einer überalterten Praxenstruktur. &bdquo;Die Hälfte aller 81 niedergelassenen Ärzte im Kreis Höxter werden in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Patienten deutlich zu, weil die Zahl der älteren Menschen immer weiter steigt“, warnte Polenz. Es braucht also eher mehr statt weniger Arztpraxen. &bdquo;Hinzu kommt, dass der Praxenschlüssel für Fachärzte bei eins zu 35.000 Einwohner liegt, während eine Hausarztpraxis mit eins zu 1.600 gerechnet wird“, wandte die Bad Driburger HNO-Fachärztin Eva Eckhardt ein. Wartezeiten von drei bis vier Monaten seien in ihrer Praxis die Regel. Partnervermittlung für Nachfolger Im Kreis Soest, wo die Gesamtsituation weniger dramatisch ist als im Kreis Höxter, hat man sich dieser Problematik bereits vor fünf Jahren zugewandt. Bei der kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat man die Position eines Arztlotsen geschaffen, der seither 30 Praxisschließungen verhindert hat, indem er passende Nachfolger generiert hat. Dabei fließen weder Provisionen, noch werden Headhunter-Methoden angewandt. Das ganze funktioniert eher wie eine Partnervermittlung. &bdquo;Eine Praxisübernahme ist immer eine ökonomische Entscheidung, aber es geht auch um die richtige Chemie zwischen den Parteien“, sagt Arztlotse Marcel Frischkorn. Trotzdem müssen die Ärzte ja irgendwo herkommen. &bdquo;Es gibt in Krankenhäusern und Kliniken immer Ärzte, die sich verändern wollen, aber nicht wissen, wie sie es anstellen sollen, denn Praxisführung wird an den medizinischen Fakultäten ja nicht unterrichtet, dort setze ich an“, erklärte Frischkorn. Modell Marienmünster zukunftsfähig? Das klassische Modell der freiberuflich geführten Arztpraxis wird oft als überholt und unzeitgemäß betrachtet. Im Kreis Soest glaubt man an seine Zukunftsfähigkeit. &bdquo;Mediziner kennen ihren Marktwert und wollen zwischen 8.000 und 12.000 Euro verdienen, das lässt sich in diesem System am besten darstellen“, ist Frischkorn überzeugt. In diesem Zusammenhang wurde auch das Modell Marienmünster diskutiert. Um den Verlust der einzigen Hausarztpraxis in Vörden zu verhindern, hat die Stadt als erste im Kreis Höxter ein kommunales medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gegründet. Der Vorteil: Mediziner können sich ganz ihrer ärztlichen Tätigkeit zuwenden, haben feste Arbeitszeiten, und werden von der Stadt bezahlt. &bdquo;In Baden-Württemberg, wo dieses Modell häufig praktiziert wurde, sind die meisten pleite gegangen, weil sich das wirtschaftlich alles nicht gerechnet hat“, wusste Frischkorn zu berichten. Mehr Ärzte durch Nachwuchsförderung Für das Modell in Marienmünster spricht aber unter anderem, dass die Stadt ihre Kurortförderung von jährlich 50.000 Euro einrechnen kann. Eine weitere Möglichkeit, die Ärzteschaft zu erhöhen, wäre den Nachwuchs besser zu fördern. So ist an der Uni Bielefeld eine medizinische Fakultät eingerichtet worden, um in OWL mehr Mediziner anzusiedeln. Zudem wurde eine Landarztquote eingeführt. Wer sich verpflichtet, zehn Jahre eine Landarztpraxis zu betreiben, darf auch ohne Numerus Clausus Medizin studieren. Landtagsabgeordneter Matthias Goeken: &bdquo;Es ist richtig, den Zugang zur Medizin nicht allein von der Abinote abhängig zu machen, 182 Studierende gehen aktuell diesen Weg.“ Weitere Podiumsdiskussion geplant Die ärztliche Versorgung in Brakel kann man durchaus als gefährdet betrachten. Neukunden müssen damit rechnen, in den Hausarztpraxen und bei Zahnärzten abgewiesen zu werden. Das meint zumindest der CDU-Stadtverband und will diese besorgniserregende Entwicklung nicht unkommentiert hinnehmen und lädt zu einer weiteren Podiumsdiskussion ein. Dass sich auch die Krankenhäuser in einer wirtschaftlich angespannten Situation befinden ist Grund genug, sich mit Experten in einer Podiumsdiskussion auszutauschen und nach Wegen zu suchen, um dieser negativen Entwicklung entgegenzutreten, so der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Hermann Steinhage. Teilnehmer zu dem Thema sind Jens Grothues als Vorstand des Hausärzteverbandes, KHWE-Geschäftsführer Christian Jostes, Bürgermeister Hermann Temme, Zahnarzt Tom Kunath Bundestagsabgeordneter Christian Haase und Ansgar von der Osten von der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 23. November, um 19 Uhr in der Aula der Gesamtschule Brakel, Am Bahndamm 30-34, statt.

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