Nach anfänglicher Skepsis: Warum eine Krankenschwester trotzdem Heilpraktikerin wird

Rödinghausen. Schulmedizin und alternative Medizin werden oft in Konkurrenz zueinander gesehen. Während einige Schulmediziner Heilpraktiker und Homöopathen belächeln, schaut man umgekehrt argwöhnisch auf diejenigen, &bdquo;die allzu schnell chemische Keulen verschreiben“ würden. Für Birgit Westphal sind das zwei Pole, die sich aber nicht gegenüberstehen, sondern die sich gegenseitig ergänzen. Nach diesem Prinzip verfährt sie und macht als Heilpraktikerin auf Hausbesuch das Wohnzimmer ihrer Patienten zur individuellen Praxis. Birgit Westphal ist beruflich in der Schulmedizin groß geworden. 1989 absolvierte sie ihr Staatsexamen als Krankenschwester, arbeitete danach im Klinikum Herford und dann im Klinikum Melle. &bdquo;Die Kraft der Pflanzen habe ich aber schon immer geschätzt“, sagt sie, obwohl sie sich aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung dennoch eine gewisse Skepsis gegenüber der alternativen Medizin bewahrt hatte. Ein Erlebnis mit ihrer damals erst einige Monate alten Tochter gab ihr zu denken. Das Mädchen hatte oft eine Mittelohrentzündung und nach einigen Besuchen beim Kinderarzt hörte Birgit Westphal dann, dass man wohl nicht mehr um ein so genanntes Paukenröhrchen, das ins Ohr eingesetzt wird, herumkommen würde. &bdquo;Ich suchte erst mal nach einer anderen Möglichkeit“, sagt sie, überwand ihre Skepsis und versuchte es dann tatsächlich bei einer Heilpraktikerin, die ihr die berühmten Globuli-Kügelchen mitgab. &bdquo;Ich solle fünf kleine Kügelchen in Wasser auflösen und meiner Tochter löffelweise etwas von der Flüssigkeit geben. Und wo das Baby zuvor damals vor Ohrenschmerzen kaum noch Schlaf fand, habe die Tochter kurz darauf mittags wieder drei Stunden durchgeschlafen. War das ein Placebo-Effekt? &bdquo;Das konnte nur Zufall sein“, war Birgit Westphal überzeugt. Bekannte sagten, dass es der Placebo-Effekt gewesen sein musste – aber bei einem Säugling, der nicht weiß, was er bekommt? &bdquo;Das Problem war nach kurzer Zeit behoben und ich musste nie wieder ein Gespräch über Paukenröhrchen führen“, sagt die Heilpraktikerin, die heute trotz des damaligen Resultats davon überzeugt ist, dass der Besuch beim Arzt dennoch zunächst richtig war. 2015 begann Birgit Westphal dann neben ihrer Tätigkeit als Krankenschwester mit der Heilpraktikerausbildung und musste im Sommer 2017 damit wegen einer Krebserkrankung abbrechen. &bdquo;Mir hätte damals keiner mit homöopathischen Mitteln oder ganzheitlichen Verfahren kommen müssen“, sagt sie. &bdquo;Natürlich brauchte ich eine Chemotherapie und wenn ich die nicht bekommen hätte, wäre ich heute vermutlich auch nicht mehr hier“, sagt die 57-jährige Mutter von zwei Töchtern und einem Sohn und ergänzt: &bdquo;Ich kann als Heilpraktikerin nur mit Ärzten zusammenarbeiten.“ Hingegen findet sie die zum Teil strengen gesetzlichen Abgrenzungen &bdquo;gut und richtig“. &bdquo;Ich darf als Heilpraktikerin zum Beispiel keine übertragbaren Erkrankungen behandeln, was absolut nachzuvollziehen ist“, sagt Westphal. Wenn sie etwas verschreibt, dann handelt es sich ausschließlich um apothekenpflichtige Arzneien, die selbst zu bezahlen sind – nicht aber um rezeptpflichtige, die ganz oder zum Teil von den Kassen bezahlt werden. Ausbildung neu begonnen Die dreieinhalbjährige Ausbildung zur Heilpraktikerin nahm Birgit Westphal dann 2020 – im ersten Coronajahr – wieder auf. &bdquo;Ich habe nach meiner Krebserkrankung damit wieder ganz von vorn angefangen“, sagt sie und absolvierte ihre Prüfung im vergangenen Jahr. Das genügte ihr aber noch nicht, weshalb sie sich speziell im Fachbereich der Gynäkologie fortbildete. Die Frauenheilkunde ist gesetzlich erst seit 2001 auch für Heilpraktiker zugänglich. Auch die Osteopathie, die Akupunktur und die Spagyrik beherrscht Birgit Westphal. &bdquo;Spagyrik ist eine sehr alte Art der Heilpflanzenzubereitung, also eine Form der Phytotherapie, nur dass Paracelsius diese schon kannte und wohl auch die alten Kräuterfrauen und Hebammen, bevor dieses Wissen für lange Zeit in der Versenkung der Hexenverbrennung verschwand“, erklärt Westphal. Zeit und Geduld sind wichtig &bdquo;Natürlich kann ich bei den typischen Frauenbeschwerden Schmerzmittel nehmen. Das hilft kurzzeitig auch, aber es löst doch das Problem und die Ursache nicht. Und die Ursache zu finden, das ist mein Job“, sagt sie. Praxisräume hat sie nicht – noch nicht, denn zunächst will die 57-Jährige nur im Rahmen von Hausbesuchen praktizieren. &bdquo;Später, wenn es sich finanziell trägt, würde ich auch Praxisräume anmieten“, sagt sie. Je nach Symptomen, ob verspannter Nacken oder unerfüllter Kinderwunsch, kann ein erstes Gespräch zwischen 15 Minuten und eineinhalb Stunden dauern. Aber: Die &bdquo;kleine rosa Pille“ habe sie nicht, die gegen alle Beschwerden hilft. Besonders bei gynäkologischen Problemen ist Zeit und Geduld nötig, um der Ursache auf den Grund zu gehen.

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