Träume vom Millionen-Gewinn: Plante Störmer einen Coup an der Börse?

Rödinghausen. Die letzten Monate in der Geschichte des Küchenherstellers Störmer gleichen einer Achterbahnfahrt. Während das einstige Traditionsunternehmen derzeit von Insolvenzverwalter Manuel Sack abgewickelt wird, plante man im Umfeld des Küchenherstellers aus Rödinghausen Ende 2022 offenbar den ganz großen Finanz-Coup: einen Börsengang in New York. Nach Informationen der Neuen Westfälischen wollte man unter anderem an die Börse, um den finanziell angeschlagenen Küchenhersteller wieder auf Kurs zu bringen. Mit dem Börsengang an der &bdquo;Wall Street“ hoffte man auf einen dreistelligen Millionenbetrag – und sehnte sich wohl auch nach Big Business am Wiehengebirge. Anstatt eines Schuldenbergs in zweistelliger Millionenhöhe, von dem Manuel Sack in einem aktuellen Bericht an die Gläubiger schreibt, prognostizierte man schon für die kommenden Jahre dreistellige Millionengewinne – und das pro Jahr. Gelingen sollte der Coup mithilfe eines Finanzkonstrukts mit dem Namen SPAC. Die Abkürzung steht für &bdquo;Special Purpose Acquisition Company“. Auf Deutsch: eine Akquisitionszweckgesellschaft. Gut, das klingt immer noch kompliziert. Vereinfacht kann man sagen, dass Unternehmen dieser Art, die in der Regel kein Geschäftsmodell haben, nur zu dem Zweck gegründet werden, um ein anderes Unternehmen zu übernehmen. Wie das Geschäft ablaufen soll Obwohl sie nicht wirtschaftlich tätig sind, können diese Unternehmen an die Börse gehen. Dafür werden in den meisten Fällen Aktien im Wert von 10 US-Dollar ausgegeben. Wofür das Geld verwendet wird, wird selten genau definiert. Ist aber genug Geld von risikofreudigen Investoren eingesammelt, beginnt die Suche nach einer passenden Firma. Für diese hat das SPAC-Modell den Vorteil, ohne Umwege an die Börse und damit an die großen Geldtöpfe der Investoren zu gelangen. Die Geldgeber hoffen derweil auf eine hohe Rendite, tragen aber auch das Risiko einer Investition in eine wirtschaftliche Wundertüte. Zurück nach Rödinghausen und zur Störmer AG: Unter dem Namen &bdquo;Inti“ wurde im Jahr 2022 eine Dachgesellschaft mit Sitz in Berlin gegründet, unter denen sich unter anderem die Firmen Störmer (Küchenhersteller), Architecto (3D-Lösungen), Eschebach (Möbelhersteller) und Montas (Montagedienste) vereinen sollten. Mit digitaler Technik wollte man die Branche revolutionieren. Ein Hauch von Silicon Valley lag auch am Wiehengebirge in der Luft und ein Internetportal berichtete zwischenzeitlich, dass man sich Internet-Riesen wie Amazon und Zalando zum Vorbild genommen habe. Lesen Sie weitere Wirtschaftsnachrichten aus Rödinghausen Doch wie sollte nun der Börsengang gelingen? Hier kommt wieder ein SPAC und die an der New Yorker Börse notierte &bdquo;Redwoods Acquisition Corporation“ ins Spiel. So wollte &bdquo;Inti“ unter den Redwoods-Mantel schlüpfen. In Dokumenten, in dem für das Geschäft geworben wird, ist euphorisch von einer &bdquo;Winning Business Combination” die Rede: also einem erfolgreichen Unternehmenszusammenschluss. Hochglanz-Prospekte und gute Zahlen Der Optimismus lässt sich wohl mit dem Geld erklären, das in diesen Fällen im Umlauf ist: Laut einer Absichtserklärung zwischen Inti und Redwoods, die am 29. November 2022 zumindest von der deutschen Seite unterschrieben worden ist, soll der SPAC einen dreistelligen Millionenbetrag in US-Dollar eingesammelt haben. Geld, das auf einem Treuhandkonto liegt und das man gerade mit Blick auf die Finanzlage bei Störmer gut hätte gebrauchen können. Im Inti-Umfeld soll man gehofft haben, mit den Börsen-Millionen den finanziell angeschlagenen Küchenhersteller wieder auf Kurs zu bringen. Schließlich soll der damalige Störmer-Vorsitzende Stefan Hofemeier schon Mitte 2022 vor Zahlungsschwierigkeiten gewarnt und sogar eine Insolvenz in Eigenverwaltung geplant haben. Den Redwoods-Investoren wollte man das Geschäft mit Inti schmackhaft machen. Hochglanzaufnahmen in einem Prospekt zeigen schicke Immobilien auf den Bahamas, in Boston oder in New York City. In einer Tabelle sind Showrooms in China aufgelistet, die Ende 2022 oder Anfang 2023 eröffnet werden sollten. Zudem werden zahlreiche Daten, Statistiken und Prognosen genutzt. In einer der vielen Tabellen gehen die Verfasser von einem rasanten Wachstum und riesigen Gewinnen der Inti-Gruppe aus. Alle Hintergründe finden Sie auf unsererThemenseite "Küchenfirma Störmer in der Krise" Warum das Geschäft platzt So wird für das Jahr 2024 ein &bdquo;EBITDA“, also ein Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände, von 63,5 Millionen Euro aufgezeigt. Ein Jahr später sollten es schon satte 165 Millionen Euro sein. Und für das Jahr 2026 rechnete der dann börsennotierte Konzern mit einem Überschuss von sogar 219 Millionen Euro. Werte, die übrigens auf einer Machbarkeitsstudie einer bekannten Unternehmensberatung beruhen sollen. Doch das erhoffte Geschäft platzt. Laut einer sogenannten &bdquo;Registrierungserklärung“ der &bdquo;Redwoods Acquisition Corporation“ soll sich das Inti-Management, das in dem Dokument als &bdquo;Target 4“ (Ziel 4) bezeichnet wird, gegen den Deal entschieden und dem Management in den Vereinigten Staaten die Entscheidung am 24. Februar 2023 mitgeteilt haben. Warum es zum Ausstieg aus dem Deal gekommen ist, ist unklar. Anstatt auf dem New Yorker Börsenparkett landet man zumindest bei Störmer in Rödinghausen auf dem harten Boden des Bielefelder Amtsgerichts. Mitte Juni wird dort das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Die Achterbahnfahrt endet mit einem Crash. Und etwa 160 Mitarbeiter sind ihre Jobs los.

Meistgelesen