Dieser Mann rettet seltene Eulen-Babys

Rödinghausen. An die erste Begegnung erinnert sich Erhard Nolte noch genau: &bdquo;Ich hatte ein Portemonnaie ausgelegt. Mit Schnur. Das alte Kinderspiel...“, erzählt er. Im hohlen Stamm einer alten Kopfweide habe er sich verstecken wollen. Aber der Baum sei schon belegt gewesen – von drei jungen Steinkäuzen, die ihn mit großen Augen anstarrten. Die kleinen Eulen müssen ihn nachhaltig beeindruckt haben – rund 70 Jahre später ist Nolte im Bünder Land und darüber hinaus als Steinkauz-Schützer Nummer 1 bekannt. Ihm und seinem kleinen Team von Mitstreitern ist es zu verdanken, dass im Kreis Herford in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt so etwas wie eine kleine Population entstanden ist. &bdquo;Eine typische Steinkauz-Region sind wir hier eigentlich nicht“, sagt der Rödinghauser, der der zierlichen Eule vor allem mit der Anbringung hoch spezialisierter Nistkästen auf die Sprünge geholfen hat (und das nach wir vor tut). An die große Glocke hat er sein Engagement aber nie gehängt, im Gegenteil. Und wenn er drüber redet, bleibt er fast immer im Ungefähren – vor allem, wenn es um die Angabe von Brutplätzen geht. Zu groß ist seine Sorge, dass die Orte von Vogelliebhabern aufgesucht und die Eulen vertrieben werden könnten. Umso erfreulicher, wenn der rührige Naturschützer mit dem markanten Schnauzbart dann doch mal bereit ist, eine Steinkauzgeschichte zu erzählen. Zugetragen hat sie sich im Hochsommer dieses Jahres – und sie begann mit dem Anruf eines ihm befreundeten Architekten, der sich gerade auf einer Baustelle auf einem bis dato unbewohnten Bauernhof &bdquo;bei Spenge“ (da ist sie wieder, die Vorsicht des Erhard Nolte) zu schaffen machte. Der Mann hatte dort drei junge Eulen gefunden, vermutlich von den Eltern verlassen, wegen der plötzlichen Unruhe vor Ort. Wer könnte da besser helfen als Erhard Nolte? &bdquo;Ich habe immer ein paar gefrorene Mäuse auf Lager“ Letzterer reagierte zunächst allerdings zurückhaltend. &bdquo;Ich hatte in diesem Sommer so viele Pfleglinge zu versorgen – da wollte ich eigentlich alles Weitere ablehnen“, so der Mann, der schon unzähligen Findelkindern per Handaufzucht ins Leben geholfen hat. Vorsichtshalber ließ er sich vom Architekten ein Foto der jungen Eulen schicken. Und siehe da: Es handelte sich um drei Steinkauz-Kinder. Sogenannte Ästlinge. So heißen die Jungvögel, die schon die Bruthöhle verlassen haben, aber noch nicht voll flugtüchtig und selbstständig sind. Das änderte natürlich alles. &bdquo;Bring sie mir her!“, habe er dem Architekten gesagt. Von den angekündigten drei Küken kamen allerdings nur zwei bei Nolte an. &bdquo;Die Dritte ist mir ausgebüchst“, ließ ihn der Architekt wissen. Weil Nolte nicht wusste, wann die jungen Vögel zum letzten Mal Futter bekommen hatten, nahm er zunächst eine sogenannte &bdquo;Zwangsfütterung“ vor, das heißt, er stopfte jedem Vogel anderthalb Mäuse in den Schnabel. &bdquo;Ich habe immer ein paar tiefgefrorene Mäuse auf Lager“, so Nolte. Am nächsten Tag waren die Jungvögel gut bei Kräften. &bdquo;Ich bin dann mal zur Baustelle gefahren, um mir alles anzugucken“, erzählt der Naturschützer, der dann doch einigermaßen überrascht war, weil das Gelände alles andere als ein typisches Steinkauz-Habitat war. &bdquo;Aber das Haus war bis dahin unbewohnt und damit ein ruhiger Ort gewesen“, sucht Nolte nach möglichen Gründen für die Platzwahl der Steinkäuze. Wildkamera filmt traurige Szenen In der darauffolgenden Nacht brachte Nolte die zwei jungen Käuzchen in einer vergitterten Kiste zurück zur Baustelle und stellte sie an einem sicheren Ort ab. Seine Hoffnung: Wenn die Jungen lautstark nach Futter betteln, kommen vielleicht die Eltern zurück und übernehmen ihren Job wieder. &bdquo;Dann hätte man sie vor Ort wieder freilassen können und alles wäre seinen normalen Weg gegangen“, erklärt der Rödinghauser. Um die Geschehnisse vor Ort zu überwachen, wurde eine Wildkamera aufgestellt. Die Auswertung der Bilder am nächsten Morgen geriet zu einer emotionalen Angelegenheit: &bdquo;Die Altvögel waren nicht zurück gekommen“, erzählt Nolte. Wohl aber das dritte Küken, das dem Architekten weggelaufen war. &bdquo;Das Tier hatte vermutlich lange kein Futter mehr bekommen, es war körperlich mittlerweile deutlich schwächer als die beiden anderen“, erzählt Nolte, der am nächsten Tag auch Gewölle aus Stroh und anderen nicht essbaren Dingen fand, die das Tier in seiner Verzweiflung offenbar verschlungen und wieder ausgewürgt hatte. &bdquo;Auf dem kurzen Film versuchten die Tiere, am Gitter zueinander zu kommen und sich gegenseitig zu wärmen“, erzählt Nolte. Ein Unterfangen, das nicht gelingen konnte. Am nächsten Morgen war das dritte Küken wieder verschwunden. &bdquo;Und es ist auch nicht wieder aufgetaucht“, sagt Nolte. &bdquo;Man weiß es nicht, aber vermutlich ist es gestorben.“ Nolte beschloss, die zwei verbliebenen Käuzchen zur professionellen Handaufzucht in die Wildtier- und Artenschutzstation ins niedersächsische Sachsenhagen zu bringen. &bdquo;Unter der Bedingung, dass ich sie wiederbekomme, wenn sie bereit zur Auswilderung sind“, sagt Nolte. Etwa zweieinhalb Wochen später konnte er die Eulen wieder abholen. &bdquo;Und ich bekam sogar noch eine Dritte dazu“, erzählt Nolte und lacht. In Niedersachsen, so habe man ihm gesagt, gebe es kaum Steinkäuze, die Bedingungen im Kreis Herford seien sicher die besseren. Zusammen mit dem neuen (Adoptiv)-Geschwisterchen ging es also wieder zurück in den Kreis Herford. Mit einer gewissen Freude in der Stimme schildert der 76-Jährige den Moment der Auswilderung: &bdquo;Ich hatte wieder eine Wildkamera installiert. So konnte ich am nächsten Tag sehen, wie die Käuze den Kasten verließen und neugierig die Äste und Zweige im Baum inspizierten.“ Dann seien sie in der Dunkelheit verschwunden. Wo dieses Happy End stattgefunden hat? Irgendwo im Kreis Herford. Genaueres verrät Erhard Nolte nicht.

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