Rödinghausen

Wie der Karneval vor 50 Jahren nach Rödinghausen kam

Vor einem halben Jahrhundert fand es ein geborener Bottroper in Rödinghausen ein wenig zu langweilig. Aus diesem Gedanken wurde eine ganze Karnevalsbewegung.

Rödinghausen ist zwar kein traditioneller Karnevalsort, aber auf eine Garde – wie hier im Rosengarten 1972 – wurde nie verzichtet. | © privat

04.02.2020 | 05.02.2020, 12:28

Rödinghausen. Beim Wort „Karneval" denken viele sofort an alberne Kostüme und Helau und Alaaf. Beim Rödinghauser Karneval bekommt jeder Akt, jede Tanzgruppe, jede Bütt und jede Comedy-Einlage ihr ganz persönliches „Rödinghausen Helau" – allerdings nie ein Alaaf.

Auch sonst haben die jährlichen Prunksitzungen wenig mit den traditionellen Karnevalsumzügen zu tun, die jedes Jahr aus Köln im Fernsehen übertragen werden. Das heißt aber noch lange nicht, dass in Rödinghausen tatsächlich etwas fehlt. Stattdessen feiert die Gemeinde am Wiehen seit 50 Jahren einen familiären, bunten Karneval mit ostwestfälischem Charme.

Die Geschichte beginnt bereits 1969: Peter Schneider sen., ein gebürtiger Bottroper, ist die Kultur in Rödinghausen nicht genug. In der Winterjahreszeit fehlt ihm ein Fest und so gründet er den Gesangsverein MC Frohsinn am Wiehen und feiert 1970 im damaligen Rosengarten den ersten Karneval.

Später kommt eine Tanz- und Trachtengruppe dazu, aus der sich die heutige Showtanzgruppe entwickelt. 2009 löst sich der Gesangsverein schließlich auf und überlässt Karneval und den Heimatverein der Tanzgruppe. 2017 stirbt Peter Schneider sen. Er hinterlässt die bunte Familientradition des Rödinghauser Karnevals.

Viele, die als Kinder einsteigen, bleiben dabei

Ein Jahr nach dem ersten Karneval rief Sohn Peter Schneider jun. den ersten Kinderkarneval mit einer Gruppe von 15 Jugendlichen ins Leben. Der Kinderkarneval besteht ebenfalls bis heute und ist das Geheimrezept des Vereins, da der Nachwuchs sich hier bereits selbst auf der Bühne ausprobieren kann. „Ohne den Kinderkarneval wäre der Karneval nicht geblieben. Viele, die als Kinder einsteigen, bleiben auch später dabei", erklärt Schneider jun., dessen ganze Familie heute involviert ist. Tochter Jessica Mey ist Vorsitzende des Vereins und organisiert die Prunksitzungen bereits seit 2007.

Das war nicht immer leicht, und der Verein kann auf schwere Zeiten zurückblicken. „Natürlich passieren immer wieder Missgeschicke. Wir hatten gebrochene Nasen, gerissene Kassettenbänder, eingebrochene Bühnen", erzählt Mey von Pannen. Allerdings gab es auch dunklere Jahre. „Wir hatten Jahre, in denen wir keine zwei Sitzungen voll bekommen haben", erinnern sich Mey und Cornelia Streuter, die 2007 und 2008 den Karneval gemeinsam organisierten und damals vor einigen Herausforderungen standen.

"Ihr macht meinen Karneval kaputt"

„Wir wollten das ganze Konzept ändern, wahrscheinlich ein wenig zu radikal, weil wir wussten, dass wir etwas tun müssen, um den Karneval zu retten", erzählt Streuter. Peter Schneider sen., der gemeinsame Opa, war davon nicht begeistert. „Ihr macht meinen Karneval kaputt", sagte er damals.

Langlebige Tradition: Bis zum heutigen Tag wird jede Prunksitzung von der Garde eröffnet. Foto: Louisa Kohnert - © Louisa Kohnert
Langlebige Tradition: Bis zum heutigen Tag wird jede Prunksitzung von der Garde eröffnet. Foto: Louisa Kohnert | © Louisa Kohnert

Mittlerweile haben sich die Gruppen und der ganze Verein aber weiterentwickelt. Aus anfänglich 16 Mitgliedern sind 160 geworden, davon stehen etwa 70 jedes Jahr auf der Bühne. Die Moritaten aus den 70er Jahren und ihre lustigen Lieder gibt es nicht mehr, doch De Klööner machen der Musik-Tradition bis heute alle Ehre. Die Tramps sind durch die Igelspeier ersetzt worden, und auch einige andere Programmpunkte sind mit den Jahren verschwunden. Dafür sind neue dazugekommen, die wie die Wiehenperlen und die Kellerasseln teilweise schon seit über 20 Jahren bestehen.

Heute füllt der Verein ein Programm mit 20 verschiedenen Musik-, Tanz-, Comedy- und traditionellen Bütt-Akten. Die Programmpunkte locken mittlerweile knapp 200 Gäste pro Sitzung an. Vor einigen Jahren wurde eine dritte Prunksitzung hinzugefügt, und der Verein ist stolz auf diesen Verlauf. „Meine Lieblingserinnerung ist, als Opa beim Karneval in Warendorf Jahre später einen Ehrenorden verliehen bekam und zu mir sagte: ’Den hast du dir verdient, das ist nicht mein Orden.’ Nach den harten Jahren war das berührend", erzählt Mey.

Bodo Richter, dessen Vater 1969 eines der Gründungsmitglieder des MC Frohsinn war und der ebenfalls bereits als Kind in den Karneval hineinwuchs, sagt: „Für mich ist das Schönste immer, wenn Peter und ich nach der Sitzung von der Bühne gehen und ein Bier trinken. Und dann kommen die ganzen Leute wieder rein, und man feiert mit den Gästen gemeinsam."

"Jeck to the Future"

Viel persönlicher, kleiner und ganz anders als ein Karnevalsumzug in Köln, aber nicht weniger erfolgreich. „Wir sind ja immer noch in Ostwestfalen, hier kannst du auch nicht alles machen. Und vieles, was bei uns lustig ist, würde woanders gar nicht funktionieren", findet Mey. Streuter fügt hinzu: „Es muss auch nicht jedem gefallen, wenn die, denen es gefällt, das nächste Mal neue Leute mitbringen."

Mit dieser Einstellung besteht der Verein bereits seit 50 Jahren und schaut gern auf die Vergangenheit zurück. „Im Großen und Ganzen bedeutet Karneval Familie", so Mey. „Eine Familie, in die jeder gerne aufgenommen wird", ergänzt Richter, der in diesem Jahr erneut als Sitzungspräsident fungieren und die Gäste auf eine Reise durch das vergangene Jahrhundert mitnehmen wird.

„Jeck to the Future – 50 Jahre großes Kino" ist das Motto, das auf 50 Jahre Vereinsleben zurückblicken soll. „Aus einer Person entstanden, in einer Großfamilie geendet", zieht Richter ein Fazit über diesen besonderen Verein und so heißt es auch in diesem Jahr wieder: „Ein dreifach donnerndes Rödinghausen Helau!"