Ein Löhner Haus voller Erinnerung: Zwischen Wurstküche, Zapftheke und Bücherregalen

Löhne. Stefan Prieß zeigt auf ein Fenster im Obergeschoss des Hauses, vor dem er steht. &bdquo;Da oben wurde ich geboren“, sagt er. Nicht nur für Stefan Prieß persönlich steckt im Inneren des Gebäudes an der Lübbecker Straße 49 eine Menge Geschichte. Auch viele Löhnerinnen und Löhner verbinden wohl ihre ganz eigenen Erinnerungen mit dem Haus. In den vergangenen knapp 100 Jahren gingen Generationen von Bürgerinnen und Bürgern dort ein und aus - wenn auch im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen. Dort, wo heute Bianca Meiser &bdquo;Blumen für die Seele“ verkauft, wurden vorher nicht nur Bücher angeboten, auch eine Gaststätte und eine Pferdeschlachterei waren dort schon ansässig. &bdquo;Die Menschen, die reinkamen, waren immer wie Familie“, sagt Stefan Prieß, als er über sein Elternhaus spricht. 1929 habe sein Großvater das Haus gebaut. Verantwortliches Bauunternehmen war die Firma Stühmeyer, die damals wie heute nur einen Steinwurf entfernt ansässig war. Ernst und Paula Bunte errichteten dort ihr neues Zuhause samt Pferdeschlachterei - und legten damit den Grundstein für das Geschäftshaus gegenüber des heutigen Festplatzes. Fleischermeister Ernst Bunte, der aus Bünde nach Löhne zog, richtete im Keller seinen Schlachtraum ein, daneben eine Wurstküche, Pökelkammern und allerlei Hilfsräume zur Fleischverarbeitung. Alte Erinnerungen an Probierstückchen aus der Pferdeschlachterei &bdquo;Hier, hinter dem rechten Schaufenster, lag der Verkaufsraum für die Fleischwaren“, sagt der Löhner, während er zwischen Sträußen und Pflanzen steht. &bdquo;Gerne erinnern sich auch heute noch ältere Menschen daran, wie sie damals hier eingekauft haben und ein Probierstückchen Wurst bekamen“, sagt Stefan Prieß. Später wurde ein modernes Schlachthaus mit Kühlhaus ergänzt, dort, wo heute hinter dem Gebäude Autos parken, waren die Tiere untergebracht. &bdquo;Hier war die Wurstküche“, sagt Stefan Prieß, der heute in Ostscheid lebt, und deutet dahin, wo heute ein Anhänger unter einem Carport steht. Lesen Sie auch: Bücher bei Prieß gibt es seit über 125 Jahren Anfang der 1960er-Jahre legte die Familie Bunte die Messer zur Seite. Die Schlachterei schloss und das Haus bekam eine neue Rolle: Es wurde zur &bdquo;Dortmunder Hansa-Stube“. &bdquo;Die Dortmunder Hansa-Brauerei wurde als Partner gewonnen. Verschiedene Pächter haben die Gaststätte betrieben“, weiß Stefan Prieß. Der ehemalige Verkaufsraum für Pferdefleischwaren wich also der Zapftheke. An der Stelle, an der heute Bianca Meisers Tresen steht, war die Gaststube. &bdquo;Wie zu der Zeit üblich, wurden neben frisch gezapftem Bier und Kurzen auch Frikadellen, Soleier und Salzgurken angeboten“, berichtet Prieß, der noch die Einrichtung vor Augen hat. &bdquo;Es gab einen Raumtrenner aus Bambusröhren als Sichtschutz. Und an der Wand war eine blassbeige Tapete mit Streifen.“ Inhaber der Buchhandlung legt Tarotkarten Nach einer Renovierung mit neuem Raum- und Nutzungskonzept zog 1970 mit der Buchhandlung Prieß wieder Einzelhandel in das Haus ein. Sie war schon 1888 im ehemaligen Ostpreußen von Wilhelm Prieß gegründet worden, hatte ihren Hauptsitz an der Lübbecker Straße 23, doch die besseren Parkmöglichkeiten und der größere Raum überzeugten, bald ganz auf den Standort an der Lübbecker Straße 49 zu setzen. Geführt wurde die Buchhandlung von Heinz Georg Prieß und seiner Frau Ilse, geborene Bunte. Damit schlugen die Familiengeschichten einen Bogen: Die Tochter der Schlachter-Familie führte gemeinsam mit ihrem Mann das neue &bdquo;Haus der Bücher“. Lesen Sie auch: Dieser Buchladen wird in fünfter Generation geführt Hier wurde nun nicht mehr geschlachtet oder gezapft, sondern geblättert, gestöbert und gekauft. Bücher, Zeitschriften, Schul- und Bürobedarf füllten die Regale. Lotto-Tippscheine, kleine Glückslose und saisonale Artikel, von Schulbüchern bis Weihnachtskugeln, erweiterten das Sortiment. Für Freunde und Bekannte gab es außerdem hin und wieder auch spirituelle Hilfe: &bdquo;Mein Vater hat hier gerne auch Tarotkarten gelegt als Freundschaftsdienst“, erzählt Stefan Prieß. Von Wurstwaren zu Worten und Weihnachtskugeln 2014 übernahm schließlich Björn Schütte, Enkel von Ilse und Heinz Georg, das Geschäft und zog mit dem &bdquo;Haus der Bücher“ an die Steinstraße. Die Familie Prieß verkaufte das Gebäude, seit 2021 blühen die &bdquo;Blumen für die Seele“ im geschichtsträchtigen Gebäude. &bdquo;Ich habe auch schon diverse Geschichten gehört. Fast alle Kundinnen und Kunden haben persönliche Erinnerungen an die Gaststätte oder die Buchhandlung“, sagt Bianca Meiser. Besonders die &bdquo;tolle Beziehung zu den Kunden“ habe die Geschäfte seiner Familie ausgemacht, meint auch Stefan Prieß. Sein Vater etwa habe &bdquo;so viele kommen und gehen sehen“, in all der Zeit seien auch viele Freundschaften entstanden. Er sei den Löhnerinnen und Löhnern dankbar, sagt Prieß. Krankheiten, Verluste, schöne Momente, alles hätten die Menschen mit ihnen geteilt, sagt Stefan Prieß. &bdquo;Man kannte das Leben der Leute.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

Meistgelesen