Wie sich ein Löhner Familienbetrieb in 100 Jahren gewandelt hat

Löhne. Im Haus der Familie Eßer sitzen drei Generationen am großen Esstisch. Fotoalben und gerahmte Familienfotos liegen darauf. Auf einem der Schwarz-Weiß-Bilder ist ein fein gekleidetes Paar zu sehen, das vor der Kulisse eines Bergsees in den Alpen posiert. &bdquo;Das sind Otto und Käthe, die Ersten aus der Familie, die in Ulenburg waren“, sagt Karl-Wilhelm Eßer über seine Großeltern. 100 Jahre ist es jetzt her, dass Otto Eßer den gütlichen Teil der Ländereien der Ulenburg erstand und damit den Familienbetrieb an diesem Ort begründete, den heute seine Urenkelin Katharina Eßer und ihr Mann Kim Marc Brockmeyer weiterführen. In 100 Jahren hat sich die Welt enorm verändert, vor allem auch die Landwirtschaft. Und so wundert es auch nicht, dass sich auch der Ulenburger Landbau, der Betrieb der Familie Eßer, im Laufe der Jahrzehnte mehrfach gewandelt hat. Eine Anpassungsfähigkeit, die noch weit über die 100 Jahre in Ulenburg zurückreicht, wie aus den Berichten der Eßers deutlich wird. Landwirtschaft betrieben ihre Vorfahren schon seit 1842. Damals noch in Mettmann bei Düsseldorf. Nach dem Ersten Weltkrieg führte es die Eßers dann über einige Umwege nach Ulenburg. Otto Eßer erwarb den gütlichen Teil der Ländereien der Ulenburg von der Familie von Borries. Das Schloss wurde vom Wittekindshof erworben. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford Zweite Generation konzentrierte sich auf Gemüseanbau Von Anfang an habe die Direktvermarktung dazugehört, berichtet Karl-Wilhelm Eßer. Otto Eßer zog unter anderem mit dem Pferdegespann von einer Kötterstelle zur nächsten, um dort Stroh, Heu, Futterrüben und Kartoffeln zu verkaufen. &bdquo;Damals gab es ja noch unfassbar viele kleine Höfe“, ergänzt Tochter Katharina. Das sei kein Vergleich zur heutigen Landwirtschaft. Mitte der 30er-Jahre übernahm Ottos Sohn Heinz die Leitung des Betriebs und konzentrierte sich auf andere Herausforderungen. &bdquo;Jede Generation musste eine neue Antwort darauf finden, was die Gesellschaft brauchte“, meint Katharina Eßer. Und in der Nachkriegszeit seien viele aus dem Osten Geflüchtete nach Löhne gekommen. &bdquo;All diese Menschen brauchten Arbeit und mussten ernährt werden“, erklärt sie. Also konzentrierte sich Heinz Eßer auf den Gemüseanbau, wofür auch die zusätzlichen Hände gut gebraucht werden konnten. Lesen Sie auch: In diesen Läden in Löhne gibt es Regionales So kam der Bio-Anbau zum Löhner Familienunternehmen Die alte Hofstelle wurde derweil 1969 verkauft. Auf ihr waren einst neben den Wohngebäuden auch ein Kuhstall, ein Gemüsegarten, eine Schreinerei und eine Schmiede zu finden. Auch einen Schafstall gab es ursprünglich mal. All das wurde aber inzwischen nicht mehr wirklich gebraucht. Den Zierpflanzenbereich der Gärtnerei baute Heinz Eßer dafür aus. Von seinen drei Söhnen sollte eigentlich der Älteste, Heinz-Georg, den Betrieb weiterführen. Er starb jedoch kurz vorher überraschend an Leukämie. Der zweite Sohn, Joachim, hatte früh einen anderen Weg für sich gewählt. Also übernahm Karl-Wilhelm Eßer ab Mitte der 70er-Jahre diese Aufgabe. Er hatte ursprünglich Zierpflanzengärtner gelernt. Unter seiner Leitung gab es erste Schwerpunkte im Bio-Anbau. Eßer übernahm zunächst zusammen mit seinem Partner Gerhard Flachmeier die Obst-Plantagen von Hans Blomeyer. Die Zierpflanzengärtnerei wurde 1980 verpachtet. Daraus ging die Bioland-Gärtnerei Ulenburg hervor. Früher gab es bei der Erdbeerernte mehr Selbstpflücker Überhaupt passierte in den 80ern sehr viel. Karl-Wilhelm Eßers Frau Irene gründete 1985 den Bioladen &bdquo;Fruchtboden“. Dass sie noch einen eigenen Beruf in der evangelischen Erwachsenenbildung hatte, sei bei ihren Schwiegereltern damals nicht nur auf guten Willen gestoßen. Aber: &bdquo;Ich wollte mich auch einbringen“, erinnert sie sich. Bei der Direktvermarktung zu unterstützen lag da nahe. Und daraus wurde schließlich der Bioladen. Mehr zum Thema: Warum es im Löhner Bioladen nicht mehr exklusiv nur Bio-Produkte gibt Auch Erdbeeren spielten schon in dieser Zeit eine wichtige Rolle, damals sei noch viel mehr auf Selbstpflücken gesetzt worden. &bdquo;Das waren teilweise so viele Leute, dass wir, wenn eine Seite des Felds voll war, die anderen auf die andere Seite schicken mussten. Die kamen sich entgegen und in der Mitte gabs dann Streit“, erinnert sich Karl-Wilhelm Eßer und lächelt. Auch Katharina Eßer erinnert sich noch gut daran, wie die Erdbeerernte abgelaufen ist, als sie noch Kind war. Seit 2012 ist sie selbst die Chefin. &bdquo;Ich habe nach dem Abi klassisch Gärtnerin im Obstbau gelernt und dann Produktionsgartenbau studiert“, sagt die 39-Jährige. Warum es Bio-Erdbeeren im Freilandanbau schwer haben Seitdem hat sie den Betrieb weiter auf Beerenobst spezialisiert, Blaubeeren und Himbeeren dazugenommen. Seit 2017 werden die Produkte auch veredelt, zum Beispiel als Secco oder Fruchtaufstrich. Der Fokus auf die Beeren sei sehr bewusst gewählt. &bdquo;Wir sind dann gut, wenn wir uns spezialisieren“, meint Katharina Eßer. Bio sind die Erdbeeren zwar nicht, man setze aber auf so viele Methoden des ökologischen Landbaus wie möglich. Eine komplette Umstellung sei nicht wirtschaftlich. Das sei unter anderem witterungsbedingt. Gerade in der Blüte seien die Pflanzen sehr anfällig für Pilzbefall. Ganz ohne Chemie sei es darum im Freilandanbau schwierig. Lesen Sie auch: Darum können die Löhner Erdbeerbauern dieses Jahr besonders früh ernten Man darf gespannt sein, wie sich der Ulenburger Landbau in Zukunft noch entwickelt. Vielleicht setzt eine oder einer aus der fünften Generation noch einmal andere Schwerpunkte. Jetzt ist es aber noch zu früh für Jacob (10), Till (8) und Elli (5), sich darüber Gedanken zu machen.

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