Protest während Ratssitzung: Löhner Mütter wollen Betriebskindergarten erhalten

Löhne. Der Mai des Jahres 1975 ist für Löhne ein aufregender und wichtiger Monat. Nicht nur wird gewählt, mit einer Demonstration im Rathaus, neuen Aufträgen für Westaro und der Idee eines Löhner Freizeitparks ist in der Werrestadt einiges los. Die Neue Westfälische hat ins Archiv geschaut und die wichtigsten Ereignisse zusammengetragen. Demonstration im Rathaus Vor 50 Jahren sind die politischen Auseinandersetzungen noch anders verlaufen als heute. So auch als Mütter und Kinder für den Erhalt eines Betriebskindergartens demonstrieren wollen. Statt dies auf einem öffentlichen Platz oder vor dem Rathaus zu tun, begeben sie sich nämlich direkt in den großen Sitzungssaal des Rathauses, der sich eigentlich für die Amtseinführung des neuen Baurats zusammengefunden hat. Den Stadtdirektor Karl-Heinz Gaul, seinen Stellvertreter und die Amtsleiter trifft das vollkommen unvorbereitet. Der Kindergarten, um den es geht, wird von der Firma &bdquo;Condola“ betrieben. Als zusätzliche soziale Leistung hat Bernhard Hellweg ihn Ende der Sechzigerjahre gegründet. Die Kosten 120.000 Mark sind dem Fabrikanten mittlerweile aber zu groß geworden, sodass er, zusätzlich zu den etwa 40.000 Mark Einnahmen durch die Mütter, Hilfe von der Stadt erbittet. Die Unterstützung sei für private Kindergärten allerdings nicht vorgesehen, erklären die Verantwortlichen der Stadt. Dennoch hat der Kreistag eine Förderung von knapp 9.000 Mark beschlossen, die den Eigenanteil Hellwegs jedoch nicht auf seine gewünschten 20.000 Mark reduzieren. Die Mütter wollen sich ebenfalls stärker beteiligen. Trotzdem protestieren sie für Hilfen durch die Stadt. Gaul gibt ihnen unmissverständlich zu verstehen: &bdquo;Sie fordern eindeutig Sonderrechte für sich.“ Die Neue Westfälische sieht den Grund für das Problem damals woanders. Bei der Gründung des Betriebskindergartens sind arbeitende Frauen selten und um überhaupt welche beschäftigen zu können, muss eine Betreuung ihrer Kinder gewährleistet werden. Das ist 1975 allerdings anders, Arbeitgeber haben eine breitere Auswahl und können auch solche Frauen einstellen, die keinen Bedarf an betrieblicher Kinderbetreuung haben. Besonders brisant ist, dass gekündigte Frauen wegen ihrer Kinder auch keinen neuen Job annehmen können und sie somit keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben. Das könnte auch die offensichtliche Verzweiflung der Mütter erklären. Landtags-, Kreis- und Kommunalwahlen Mindestens genauso kontrovers sind 1975 die Wahlen in der Werrestadt, im Kreis und im Land. Im Vorfeld hat die CDU sich Hoffnungen auf einen Wahlsieg und eine Regierungsübernahme gemacht. Mit 47,1 Prozent der Stimmen hat die CDU in NRW zwar auch die Wahl gewonnen, allerdings hat die seit 1966 regierende Koalition aus SPD und FDP 45,1 beziehungsweise 6,7 Prozent geholt und kann damit weiterregieren. Während die CDU und FDP leicht dazugewinnen, verliert die SPD etwas. Auf Kreisebene sieht es ähnlich aus. Hier gewinnt zwar klar die SPD, die mit 48,6 Prozent ihr Ergebnis aber leicht verschlechtert. Die FDP verliert ebenso und kommt auf 8,5 Prozent. Nur die CDU kann sich über moderate Zugewinne freuen und erhält 42,9 Prozent der Stimmen. In Löhne kann die SPD ihre absolute Mehrheit behaupten, wenn auch nur knapp. Die 23 von insgesamt 45 Sitzen erhält sie dank 49,63 Prozent der Stimmen. Zuvor hat sie 54,50 Prozent erhalten. Die CDU verbessert ihr Ergebnis von 1969, das bei 35,57 Prozent gelegen hat, auf 41,98 Prozent. Die FDP bekommt 8,39 statt 9,93 Prozent. Damit steht einer erneuten Wahl von Bürgermeister Heinrich Schneider Ende Mai nichts im Wege. Direktwahlen des Bürgermeisters durch die Bevölkerung finden erst seit 1999 statt. Lesen Sie auch: Vor 50 Jahren: Weltpolitik sitzt auf Löhner Stühlen Aufträge für Westaro Die Firma Westaro-Möbel hat im April vor 50 Jahren internationale Aufträge für ihren Chefsessel bekommen. Für die kleine Werrestadt ein großes Ereignis. Allerdings ist nicht nur der Chefsessel sehr gefragt, wie die die NW im Mai in Erfahrung bringt. Sondern auch ein preisgünstigeres Modell mit guter Qualität, das eine verkleinerte Version darstellt. Dem Inhaber Peter Wählen zufolge habe dieses andere Modell neue Geschäftsverbindungen mit Ländern wie Saudi-Arabien, Südafrika und Island hervorgebracht. Zudem sei die Hamburger Staatsoper interessiert gewesen und habe einen Auftrag vergeben. Löhner Freizeitpark Das, was heute die KI ist, dürfte 1975 der Computer gewesen sein. Magische Dinge, die eine Antwort auf alles zu haben scheinen. Und so hat die Stadtsparkasse eines dieser allwissenden Gerätschaften im April zu dem Ergebnis kommen lassen, dass Löhne &bdquo;eine langweilige Stadt ohne ausreichende Freizeiteinrichtungen“ sei. Grundlage ist eine Bürgerbefragung. SPD-Ratsmitglied Hermann Lielje regt daher an, dass Löhne dringend eine Freizeitgesellschaft brauche. In einem Artikel der Neuen Westfälischen erläutert der er, dass einem als &bdquo;verantwortungsbewusster Kommunalpolitiker“ beim Lesen des Computertests zwei Generalthemen auffielen. Das erste Thema betrifft die Innenstadt, die langweilig sei und weiterentwickelt werden müsse. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Das zweite Thema allerdings sei, dass Löhne fast keine Freizeitangebote habe. Laut Computertest sind 91,36 Prozent der Löhner dieser Ansicht. Es könne also nicht ausreichen, nur Sportstätten wie Schwimmbäder oder Tennisplätze in der Stadt bereitzustellen. Stattdessen brauche es vielleicht die Möglichkeit sonntags hinauszufahren. Die Lösung könne die Gründung einer Freizeitgesellschaft sein, die einen Freizeitpark nördlich der Werre vom Haus Gohfeld bis hin zur Reithalle schafft. Seen, ein Campingplatz, Anlagen für Wassersport, Spielmöglichkeiten, Restaurants und andere Einrichtungen sollten dadurch möglich sein und das Leben der Löhnerinnen und Löhner verbessern. Aus dem Vorschlag ist schließlich nichts geworden, der Bereich dient heute als Feld. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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