
Löhne. Vor eineinhalb Jahren hat Alex Janzen noch das ganz normale Leben eines 15-Jährigen geführt. Dann geht es dem jungen Löhner auf einmal immer schlechter. Schließlich die niederschmetternde Diagnose: Leukämie. Nun, ein Jahr später leidet Alex unter zahlreichen Folgen von Komplikationen während der Chemotherapie, aber er hat überlebt. Damit er nun endlich wieder nach Hause kann, muss seine Familie das Haus barrierefrei umbauen, ein rollstuhlgerechtes Auto anschaffen und mehr. Längst nicht alles übernimmt die Krankenkasse. Darum sammeln Familie und Schule von Alex nun Spenden, um zumindest einen Teil der anstehenden Kosten zu stemmen, bevor er aus der Reha entlassen wird.
Während Ljubow Janzen die Geschichte ihres Sohnes erzählt, bleibt sie gefasst. Dennoch ist ihr anzumerken, wie sehr dieses eine Jahr auch ihr und der gesamten sechsköpfigen Familie zugesetzt hat. Sie beschreibt, wie es Alex seit August 2023 immer schlechter geht. Er hat Kreislaufprobleme, Herzrasen und hat immer weniger Energie. Sie geht mit ihm von Arzt zu Arzt, zweimal ins Krankenhaus. Die Ärzte vermuten die Pubertät als Ursache. Aber Alex wird immer müder, schläft teilweise Tag und Nacht, verliert seinen Appetit. „Das ist doch nicht normal für einen 15-Jährigen“, sagt sie. „Und es wurde immer schlimmer.“
Im Februar 2024 fährt sie mit Alex ins Klinikum nach Minden. „Er war richtig blass und schweißgebadet.“ Vor Ort stellt die behandelnde Ärztin hohes Fieber fest, verschiedene Untersuchungen werden gemacht. Am Ende ist dann klar: Es ist Leukämie. Aber Alex ist froh. Er hat endlich Klarheit. Er bekommt eine Bluttransfusion, die ihn stabilisiert und er fasst Mut. „Ich trete den Krebs in den Arsch“, sagt er zu seiner Mutter zum Start der Chemotherapie.
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Chemotherapie muss trotz schwerer Komplikationen weitergehen
Diesen Willen verliert er selbst dann nicht, als die erste Komplikation eintritt, ein Schlaganfall. Trotz seines schlechten Zustands beruhigt er seine Mutter: „Mama, mach dir keine Sorgen, ich schaffe das schon irgendwie.“ Daran habe sie sich festgehalten, als sich nur einen Tag später sein Zustand weiter verschlechtert.
Alex erleidet eine Hirnblutung, fällt ins Koma und muss sofort operiert werden. Seine Schädeldecke wird entfernt. Fast fünf Wochen bleibt Alex danach im Koma, weitere sechs Wochen verbringt er auf der Intensivstation. „Wir wussten nicht, ob er überlebt“, sagt Ljubow Janzen, die die Bilder von ihrem Sohn an unzähligen Schläuchen nicht mehr vergessen kann. Die Chemo muss trotz seines schlechten Zustands fortgesetzt werden, weitere Komplikationen treten auf, darunter Nierenversagen und eine Lungenembolie. Alex geht es sehr schlecht.
An vieles aus dieser Zeit, auch einige Wochen nach dem Koma, erinnert sich Alex heute nicht mehr. Ungefähr 40 Prozent seines Gehirns seien durch die Blutung zerstört worden. „Aber er hat es geschafft“, sagt seine Mutter. Zur weiteren Behandlung wird der inzwischen 16-Jährige im Mai 2024 nach Kassel verlegt, wo der nächste Block der Chemotherapie startet, wieder mit vielen Komplikationen. Der Portkatheter, über den Alex seine Medikamente bekommt, ist entzündet und muss in einer Not-OP entfernt werden. An diesem Punkt ist Alex verzweifelt, starke Schmerzen quälen ihn, aber er übersteht auch den letzten Teil dieser Phase der Chemotherapie.
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16-jähriger Löhner bekommt 31 Narkosen in einem Jahr
Danach geht es zurück nach Minden. „Dort sollte ihm die Schädeldecke wieder eingesetzt werden“, berichtet seine Mutter. Als Alex dort ankommt, empfangen ihn Ärzte und Pfleger mit Applaus. „Jeder wollte ihn sehen“, erinnert sich Ljubow Janzen. Nach sechs Stunden OP kommt Alex wieder zu sich und bricht in Tränen aus: „Ich habe überlebt.“
Im November 2024 geht er zur Reha nach Bremen, wo er die Erhaltungsphase der Chemotherapie fortführt. Die dauert noch voraussichtlich bis Juni 2026. Erstmals kann sich um die Folgen der Komplikationen gekümmert werden, vor allem durch den Schlaganfall und die Hirnblutung. Das durch den Schlaganfall ausgelöste Spitzfußsyndrom muss operiert werden. Inzwischen hat Alex 31 Narkosen innerhalb dieses einen Jahres hinter sich.
Gedächtnis und Gleichgewichtssinn sind gestört, aber: „Alex ist trotzdem geistig völlig da“, sagt seine Mutter. „Und vor Kurzem hat er mit sehr viel Mühe ein paar kleine Schritte gemacht.“ Im April, so der Plan, kann Alex nach Hause zurückkehren.
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Barrierefreies Haus und neues Auto für Alex aus Löhne
Bis dahin ist im Haus der Janzens jedoch noch viel zu tun. Da Alex auf einen Rollstuhl angewiesen ist, muss das Haus barrierefrei umgebaut werden. Die Liste ist lang: Neues Badezimmer, neue Toilette, breitere Türen, rutschfester Fußboden im Erdgeschoss, eine Treppe, die den Einbau eines Treppenlifters ermöglicht. Auch eine behindertengerechte Küche wünscht sich Ljubow Janzen: „Er soll alles so selbstständig wie möglich bewältigen können.“ Wo es geht, versuchten die Janzens, Möbel und Materialien wiederzuverwenden, sagt sie. „Wir wollen mit dem gespendeten Geld vorsichtig umgehen.“
Neben einem Platz, wo Alex seine Therapieanwendungen machen kann, braucht auch sein kleiner, sechsjähriger Bruder einen Ort für sich und mögliche Freunde, die zu Besuch kommen. „Der ist ja auch noch da“, sagt Ljubow Janzen. Dazu kommt, dass die Familie eigentlich ein neues Auto benötigt, in dem neben Alex und seinem Rollstuhl alle Platz finden können. Vielleicht auch, um Alex dann seinen großen Wunsch zu erfüllen: mit der Familie ans Meer zu fahren.
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Zwei Spendenaufrufe für Familie aus Löhne
Weil all das sehr teuer ist, hat Ljubow Janzens Cousine vor einiger Zeit schon eine Kampagne auf GoFundMe ins Leben gerufen. Und auch die Bertolt-Brecht-Gesamtschule sammelt für Alex, der dort bis zu seiner Krankheit zur Schule gegangen ist. Organisiert wird der Spendenaufruf unter anderem von Lehrer Jan Welz. Er hat eine Zeit lang Alex’ Klasse in Hauswirtschaft unterrichtet. „Wir wissen natürlich von Alex Situation“, sagt er.
Im Kollegium machten sich viele der Kolleginnen und Kollegen Gedanken um ihn. „Darum haben wir den Spendenaufruf gestartet, um Alex einen Helm für Rollstuhlbasketball zu finanzieren.“ Der 16-Jährige habe vor seiner Krankheit gerne Basketball gespielt. Da aber nach dem Wiedereinsetzen der Schädelplatte noch Lücken vorhanden sind, braucht er einen Spezialhelm, der sehr teuer ist. „Wir wollen Alex das ermöglichen“, sagt Welz.
Dieser Spendenaufruf für Alex läuft über den Förderverein der BBG. Wer unterstützen möchte, findet ihn hier.
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