Eine frühe Kämpferin gegen das Abtreibungsverbot kam aus Löhne

Löhne. Es ist ein Thema der Frauenbewegung, das sich bis heute durchzieht: das Recht, über den eigenen Körper entscheiden zu dürfen – und dabei eben auch darüber, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Eine, die ganz früh dafür gerungen hat, war die Ärztin und Sexualreformerin Martha Ruben-Wolf. Sie wurde 1887 in Löhne geboren. An sie soll in Zukunft mit einer Gedenktafel an der Werretalhalle erinnert werden. Frauen, die vor 100 Jahren abtreiben wollten und nicht besonders privilegiert oder reich waren, hatten wenig Möglichkeiten. Sie gingen zu &bdquo;Engelmacherinnen“ oder nahmen Selbstabtreibungen vor, zum Beispiel mithilfe von Stricknadeln oder Kleiderbügeln. Nicht selten ging das schief. Die tragischen Todesfälle führten nach dem Ersten Weltkrieg zu einer intensiven gesellschaftlichen Debatte über das Abtreibungsverbot, den Paragrafen 218. An dieser Debatte nahm auch Martha Ruben-Wolf teil. Medizinerin und Kommunistin Martha wurde als Kind des jüdischen Kaufmanns Moritz Ruben und der Schriftstellerin Regina Ruben am 17. Juni 1887 in Löhne ganz in der Nähe des Bahnhofs geboren. Vermutlich habe die Familie nur kurz in Löhne gelebt, schätzt der Löhner Stadtarchivar Mathis Nolte in einer Kurzbiografie über sie. Zur Schule ging sie in Hamburg, wo sie auch ihr Abitur machte. Danach studierte sie ab 1908 in Berlin, Würzburg und München Medizin. 1915 promovierte sie. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete die junge Ärztin im Lazarett. Danach praktizierte sie als Gynäkologin in Berlin und beriet auch ungewollt schwangere Frauen. Sie und ihr Mann, der Arzt Lothar Wolf, traten in den 20er-Jahren in die KPD ein. Martha Ruben-Wolf wurde zur Mitbegründerin des Roten Frauen- und Mädchenbunds. 1928 kandidierte sie für die KPD für den preußischen Landtag. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie auch das Buch &bdquo;Abtreibung oder Verhütung?“, das nach kurzer Zeit vergriffen war. Ruben-Wolf flüchtet ins Moskauer Exil Martha Ruben-Wolf war Teil der Sexualreform-Bewegung der 20er-Jahre. 1930 gehörte sie zu den Organisatoren des internationalen Kongresses der Weltliga für Sexualreform in London. Sie legte Wert darauf, zu unterstreichen, dass sie nicht die Abtreibung selbst gutheiße. Sie war jedoch gegen einen &bdquo;Gebärzwang“ und plädierte für eine bessere Verhütung und Aufklärung. Mehr zum Thema: Versorgung in NRW: Mehr als 40 Minuten bis zur nächsten Praxis für eine Abtreibung Gleichzeitig war sie auch für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Denn die Strafen (bis zu fünf Jahre Zuchthaus) trafen ebenso wie tragisch misslungene Abtreibungsversuche oftmals Frauen der Arbeiterklasse, die nicht über die gleichen Möglichkeiten verfügten wie Frauen aus dem Bürgertum. Mit diesen Einstellungen, als Jüdin und Kommunistin, war es kein Wunder, dass die Nationalsozialisten sie schnell ins Visier nahmen. Nach der Machtergreifung verlor Ruben-Wolf im April 1933 ihre Zulassung als Gynäkologin. In der Folge floh sie zusammen mit ihrem Ehemann und den zwei Kindern nach Moskau. Gedenktafel in Nähe des Geburtsorts Anfangs arbeitete Ruben-Wolf noch als Ärztin in Moskau, verlor dann aber ihre Arbeit. Die anfängliche positive Naivität, mit der die Eheleute das sowjetische System betrachteten, wandelte sich jedoch nach nur wenigen Jahren. Schließlich bot auch das Exil keinen Schutz mehr. &bdquo;1938 wurde Lothar Wolf als vermeintlicher Gestapospion verhaftet, verurteilt und hingerichtet. Martha Ruben-Wolf beging im August 1939 desillusioniert Selbstmord“, berichtet der Stadtarchivar. Die beiden Kinder, Sonja und Walter, wurden 1941 nach Kasachstan deportiert. Walter starb 1943 im Krieg als Soldat der Roten Armee an der Front. Sonja Wolf emigrierte später nach Israel und schrieb ihre Erinnerungen an die Zeit im Exil auf. 1986 beging sie in Tel Aviv Suizid. Nun könnte bald an die gebürtige Löhnerin Martha Ruben-Wolf mit einer Gedenktafel an der Werretalhalle erinnert werden. Die Stadt Löhne hat sich damit bei dem Projekt FrauenOrte NRW beworben, bei dem an insgesamt 50 Orten die Geschichte von Frauen auf lokaler Ebene erzählt werden soll. Die Werretalhalle wurde als Ort ausgewählt, weil sie in der Nähe des einstigen Wohnorts von Martha Ruben-Wolf liegt. Dauerthema der Frauenbewegung Während das Engagement der Ärztin und ihrer Mitstreiterinnen gegen das Abtreibungsverbot von damals zunächst ein vorzeitiges Ende durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten fand, geht die Geschichte des Paragrafen 218 bis heute weiter. Das Gesetz aus dem Kaiserreich wurde 1949 fast unverändert ins Strafgesetzbuch übernommen. Lesen Sie auch: Ampel plant neues Abtreibungsgesetz: Der Paragraf 218 muss weg Nachdem in den 70er-Jahren die Frauenbewegung erneut gegen das Gesetz Sturm lief, wurde schließlich 1974 ein Fristenmodell beschlossen, nach dem der Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten straffrei war. Das Gesetz wurde jedoch wieder kassiert, das Verbot und die Strafandrohung erneut aufgenommen. Nach der Wiedervereinigung wurde eine erneute Reform notwendig, um die Regelung in der DDR mit dem Gesetz der BRD in Einklang zu bringen. Auch die damals vereinbarte Fristenregelung wurde 1993 wieder durch das Bundesverfassungsgericht gekippt. Das Abtreibungsverbot gilt bis heute Bis heute ist der Schwangerschaftsabbruch prinzipiell rechtswidrig, es sei denn, es gibt eine kriminologische oder medizinische Indikation. Er bleibt straffrei, wenn er innerhalb der ersten drei Monate durchgeführt wird und eine Beratung stattgefunden hat. Erst im April dieses Jahres hat eine von der Bundesregierung beauftragte Expertenkommission empfohlen, die Abtreibung in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich zu legalisieren. Ob und wann es so weit kommt, ist unklar. Klar ist, dass die gesellschaftliche Debatte darüber längst nicht vorbei ist.

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