Fallen bei der Löhner Stadtachse: Arbeitskreis Handicap will mitreden

Löhne. Für Menschen, die nicht beeinträchtigt sind, sind es zum Teil eher Kleinigkeiten, die sie kaum oder gar nicht wahrnehmen. Die eine Stufe ins Geschäft, die tiefe Fuge oder hochstehende Bodenplatten - da geht man eben drüber hinweg. Für Menschen, die im Rollstuhl fahren, einen Rollator schieben oder deren Sicht eingeschränkt ist, können diese Kleinigkeiten zu gefährlichen Fallen oder unüberwindbaren Hindernissen werden. Darum ist Barrierefreiheit in der Stadtentwicklung zu einem so wichtigen Thema geworden, steht in den meisten Konzepten mit drin. Das ist aber dem Arbeitskreis zur Wahrung der Belange für Menschen mit und ohne Handycap nicht genug. Sie wollen, dass ihre Expertise von Anfang an mit in die Planungen einbezogen wird, denn: "Nicht überall ist Barrierefreiheit drin, wo Barrierefreiheit drauf steht", sagt Ute Brandt-Brüggemann, Vorsitzende des Arbeitskreises. Einiges hat der Arbeitskreis schon erreicht, der gegründet wurde, weil es in Löhne keinen Behindertenbeirat gibt. Ob im Kleinen, wie etwa eine Rollstuhlrampe vor der Gastronomie, oder im Großen. So haben die Mitglieder beharrlich gefordert, dass die Verbindung zwischen Bahnhof und Grüner Achse barrierefrei sein muss. Jetzt, wo die Ausschreibung für den Realisierungswettbewerb für die Stadtachse bevorsteht, fordern die Ehrenamtlichen, von Anfang an mit einbezogen zu werden. "Wir sind da die Profis. Darum fordern wir, dass wir als behinderte Menschen auch mitreden", sagt Wolfgang Linnemann. Er ist Vorsitzender der Spastikerhilfe Bad Oeynhausen und Mitglied im Löhner Arbeitskreis.Die Gruppe will mitreden statt meckern Nicht nur das Recht auf Teilhabe spielt dabei eine Rolle - rund um und in der Innenstadt befinden sich Seniorenheime und ein Büro der Diakonischen Stiftung Wittekindshof, wie Felix Lehra betont, der dort arbeitet und sich ebenfalls im Arbeitskreis engagiert. Auch passiere es immer wieder, dass etwas fehlgeplant werde. Ein Beispiel dafür ist aus Sicht der Gruppe der Behindertenparkplatz vor der derzeit noch unbebauten Investorenwiese. Dieser sei viel zu schmal und für Fahrzeuge mit Rampe auch viel zu kurz. "Wenn hier ein Rollstuhlfahrer als Beifahrer in den Rolli umsteigen will, dann müsste er das auf der Wiese tun. Von dort kommt man dann mit dem Rolli nicht weg", erklärt Brandt-Brüggemann. Sie hat in diesen Dingen viel Erfahrung, ihr Sohn ist körperlich schwer behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. "Und wenn es der Fahrer ist - nun ja, der müsste dann mitten auf der Straße umsteigen." Statt immer hinterher meckern zu müssen, würden Brandt-Brüggemann und ihre Mitstreiter aber viel lieber dafür sorgen, dass es von vorneherein passt. Darum haben sie bereits einige Punkte herausgearbeitet, die sie für die Neugestaltung der Lübbecker Straße in der Innenstadt fordern und die aktuell problematisch sind. Parken und Verkehr "Wir fordern für die Lübbecker Straße zwischen Alter Bünder Straße und Kronprinzenbrücke eine Einbahnstraßenregelung", sagt Brandt-Brüggemann. Durchgangsverkehr solle so aus der Straße herausgehalten werden - es würde weniger gefährliche Manöver bei Begegnungen von entgegenkommenden Autos geben. Außerdem würde weniger Verkehr auch mehr Aufenthaltsqualität schaffen, geschützte Flächen für die Außengastronomie könnten zum Verweilen einladen. Parkplätze sollte es am besten nur auf einer Straßenseite geben, weniger, aber dafür vorrangig Behindertenparkbuchten, fordert der Arbeitskreis. Denn davon gibt es derzeit nicht viele und die liegen weit auseinander. Und die behindertengerechten Parkplätze in der Tiefgarage sind für körperlich eingeschränkte Menschen kaum nutzbar, wie Felix Lehra erklärt. "Man kann hier zwar reinfahren, aber die Zufahrt ist sehr eng und steil. Und ein Rollstuhlfahrer kommt kaum ohne weitere Hilfe bis zum Fahrstuhl."Das Problem: Eine beziehungsweise zwei schwere Feuerschutztüren müssen überwunden werden, um zu einem der Aufzüge zu kommen. Einen elektronischen Türöffner gibt es nicht. Auch für Menschen mit Rollator oder Kinderwagen sind die Türen schwer zu bedienen. Ganz zu schweigen davon, wie schmal und eng die Aufzüge sind. Die Arbeitskreis-Mitglieder meinen, dass die Tiefgarage darum auch mitbedacht werden muss, wenn es an die Innenstadt-Gestaltung geht - auch um sich Parkplätze direkt an der Straße zu sparen. Eine Frage des Untergrunds Überall im Innenstadtbereich gibt es tiefe Fugen und Unebenheiten. Mit Rollstuhl und Rollator demonstrieren Wolfgang Linnemann und Felix Lehra, wie selbst kleinere Höhenunterschiede schon gefährlich oder mindestens hinderlich sein können. Solche Barrieren sollten bei der neuen Stadtachse natürlich vermieden werden, erklären die Mitglieder. Aber auch die Art des Pflasters, das für die neu geplante Gestaltung verwendet werden könnte, sei alles andere als unwichtig. "Das muss ein rutschfester, griffiger und möglichst ebener Untergrund sein", sagt Lehra. Aktuell werde es gerade bei Regen oder auch Frost schnell sehr glatt. Das sei natürlich nicht nur für Menschen mit Einschränkungen problematisch. "Besonders stark sieht man das an dem roten Pflaster oberhalb der Tiefgarage." Neben der Oberfläche spiele auch ein guter und einheitlicher Farbkontrast eine wichtige Rolle. Als Positivbeispiel nennt Brandt-Brüggemann das Pflaster auf dem Findeisenplatz. Und natürlich müssten auch Blindenleitsysteme vorhanden sein. "Am besten vom Bahnhof aus bis in die Innenstadt hinein", meint die Vorsitzende.Bänke und öffentliche Toiletten Wenn Wolfgang Linnemann mit seinem Rollator die Lübbecker Straße hinaufgeht, braucht er Durchhaltevermögen. Denn die Sitzbänke zwischen Kronprinzenbrücke und der Alten Bünder Straße sind rar gesät. Nicht gerade einladend sind die Metallbänke die in unregelmäßigen Abständen am Straßenrand stehen. Und auch andere Bänke - auf Höhe der Passage über der Tiefgarage oder vor dem Imbiss an der Ecke Im Dall haben bessere Zeiten gesehen. "Es braucht deutlich mehr Sitzgelegenheiten, die dann auch etwas einladender gestaltet sind", sagt Brandt-Brüggemann. Noch weniger Möglichkeiten haben Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, wenn sie zur Toilette müssen. In den Cafés sind die Toiletten nicht barrierefrei. Eine frei zugängliche, öffentliche Behindertentoilette gibt es nicht - etwas, was sich der Arbeitskreis in Zukunft dringend wünschen würde. Natürlich mit entsprechend gut sichtbarer Beschilderung - etwas, was der Arbeitskreis auch für alle anderen wichtigen Orte in der Innenstadt fordert. "Das sind jetzt nur einige Beispiele", erklärt Wolfgang Linnemann. Der Arbeitskreis wolle damit auf Problemfelder aufmerksam machen, die den meisten Menschen irgendwann begegnen können. "Je älter unsere Bevölkerung wird, desto bewegungseingeschränkter werden wir", betont Linnemann. Und Brandt-Brüggemann ergänzt: "Es betrifft uns alle irgendwann. Und wenn jetzt schon was gemacht wird, dann doch aber bitte richtig. Wir wollen eine saubere, schöne, lebenswerte und barrierefreie Innenstadt."

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