Kreis Herford Bahn-Ausbau im Kreis Herford fordert Platz - auch für Tempo 200

Löhne/Hiddenhausen/Herford. Der Eingang zum Alten Wartesaal im Löhner Bahnhof ist lichtdurchflutet. Die tief stehende Sonne leuchtet den Besuchern durch ein Flurfenster ins Gesicht. Erstmals seit dem Beginn der Planungen zur ICE-Trasse haben die Bahn-Planer am Donnerstagabend ihre Pläne für den Kreis Herford nicht virtuell, sondern leibhaftig vorgestellt. Teilnehmen darf aber nur ein kleiner Kreis von Auserwählten - und wer den aktuellen Coroneregeln entsprechend genesen, geimpft oder getestet ist. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit zeigt die Deutsche Bahn im ehemaligen Wartesaal der Ersten Klasse in der Eisenbahnerstadt Löhne, wie sie sich den Ausbau der Bestandsstrecke von Löhne über Hiddenhausen nach Herford vorstellt. Wir haben nachgefragt. Projektleiter Carsten Alexander Müller zieht am Tag danach auf Anfrage der NW ein positives Fazit. "Es ging hoch her", sagt er und lobt die lebhafte Diskussion. Nach zwei Jahren Pandemie und Videoschalten ist er froh, endlich von Angesicht zu Angesicht mit den Vertretern der Bürgerinitiativen und Behörden sprechen zu können. Seine Botschaft zum Bahnprojekt "Hannover-Bielefeld" ist klar: Die Zukunft gehört der Schiene als klimafreundlichem Verkehrsmittel der Zukunft. Von Abriss entlang der Bestandsstrecke will der Projektleiter nicht sprechen. Kritiker wie der ehemalige SPD-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Lothar Ibrügger, hatten den Bahn-Planern vorgeworfen, ein "Horrorszenario" zum Bestandsausbau zu entwerfen, um einem Neubau der ICE-Trasse das Wort zu reden. Anlass dafür waren Luftbilder mit roten Strichen. Die hat die Bahn stets am Tag nach den fünf bisherigen Regionaltreffen von Hannover bis Bad Oeynhausen veröffentlicht. Das ist diesmal anders. Die Bahn will die Grafiken noch einmal überarbeiten, heißt es. Sie sollen erst in der nächsten Woche veröffentlicht werden. Im Alten Wartesaal sind die Schaubilder aber nach übereinstimmender Auskunft mehrerer Teilnehmer zu sehen - und werden lebhaft diskutiert. Allerletztes Mittel ist der Abriss In letzter Konsequenz könnten diese roten Striche für zahlreiche Bahn-Anwohner in Löhne, Hiddenhausen und Herford den Abriss ihres Eigentums bedeuten. Allerdings nur, wenn diese Bahn-Pläne auch tatsächlich verwirklicht würden. Eine ICE-Trasse auf dem bestehenden Gleis braucht aber wohl in jedem Fall mehr Raum als die Bahn zur Verfügung hat. "Wir werden soweit möglich auf unserem Grund und Boden bleiben", sagt Projektleiter Müller. Bahngelände gibt es im Kreis Herford ziemlich viel. Müller verweist auf die Rangierbahnhöfe in Löhne und Herford. Ein Abriss ist für die Bahner nur das allerletzte Mittel. Allerdings stellen die Planer auch fest, dass sie im Kreis Herford "sehr schnell an die Grenzen der Bestandsoptimierung" kommen, so der Projektleiter. Eine neue ICE-Trasse stelle gewisse Anforderungen. Der Querschnitt, den die Planer öffentlich zeigen, misst 32,50 Meter. Und diese Breite braucht's auch, wenn nicht Tempo 300, sondern bloß 200 gefahren wird. Projektleiter Müller verweist auf Anforderungen zur Sicherheit und zum Schutz der Anwohner. Wenn die Bahn schon ausgebaut wird, soll auch der Lärmschutz für die Anwohner verbessert werden und die Stromversorgung der Züge ausfallsicherer werden. Tempo 300 aber wäre auf der Bestandsstrecke im Kreis Herford nicht zu verwirklichen. Müller geht von einer "Höchstgeschwindigkeit von 160 bis 200 Stundenkilometern" aus. Landrat Jürgen Müller (SPD) nennt das Treffen mit den Projektverantwortlichen am Tag danach "einen guten, ersten Schritt". Eigentlich war das Treffen bereits Anfang Februar angesetzt, doch der Landrat hatte um Verschiebung gebeten und kritisiert, dass weder die gewählten Volksvertreter aus dem Kreis Herford noch die Öffentlichkeit zur Bahn-Veranstaltung eingeladen waren. Im Gespräch mit der NW lobt der Landrat die "sehr sachliche Darstellung" der Trassenausbaupläne. An seiner Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Bahn hält er fest: "Es wäre gut gewesen, wenn die Presse darüber hätte berichten können." Was ist besser: Ausbau oder Neubau? Zum jetzigen Zeitpunkt will Landrat Müller noch nicht abwägen, was für den Kreis Herford besser wäre: ein Neubau oder ein Ausbau der ICE-Trasse. Die Bahn habe zum Neubau bisher nur Grobkorridore vorgestellt, so Müller. Dazu sei am Donnerstag nichts Neues gekommen. "Klar ist aber auch: Ein Ausbau wird deutliche Belastungen bringen", sagt der Landrat: "Ganz unabhängig davon, ob die Pläne so wie jetzt vorgestellt verwirklicht werden." Der Kreistag könnte sich erst dann eine fundierte Meinung bilden, wenn die Bahn ihre Vorschläge für den Aus- und Neubau auf den Tisch lege. Der Landrat will die Gremien des Kreises im Herbst umfassend informieren. "Vorher ist das nicht sinnvoll", sagt Müller. Auch Projektleiter Carsten-Alexander Müller verweist auf die notwendige Planungszeit bis Jahresende und sagt: "Anfang 2023 geht's dann zur Sache." Derzeit kann die Bahn noch nicht abschätzen, wie viel Fahrzeit ein ICE auf der ausgebauten Bestandsstrecke haben wird. Aus dem Planungsauftrag des ehemaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) haben die Planer bisher eine Vorgabe von 31 Minuten Fahrzeit abgeleitet. Links und rechts der bald 175 Jahre alten Eisenbahnverbindung stehen zahlreiche Wohnhäuser, Hallen und Straßen. Und zwar in Löhne, Hiddenhausen und Herford. Die Zeichner der Bahn haben darauf keine Rücksicht genommen. Die roten Striche gehen darüber hinweg. Für Löhne würde das womöglich erhebliche Eingriffe bedeuten. Im Osten eher nördlich der Bahntrasse, im Westen eher südlich der Trasse. Und auch der nagelneue Lärmschutz in Gohfeld müsste wohl wieder abgerissen und sämtliche Brücken neu gebaut werden. Entwicklungschancen für die Bahnbrachen Der Löhner Bürgermeister Bernd Poggemöller lobt die "gute und professionelle Information und sachliche Atmosphäre", erinnert aber auch daran, dass nicht der Straßenverkehr, sondern der Bahnverkehr den größten Lärm in Löhne verursacht: "Von einem Ausbau wären zahlreiche Menschen betroffen." Zugleich sieht Poggemöller Chancen bei einem Ausbau für die Stadtentwicklung. Der ehemalige Güterbahnhof könnte womöglich endlich zur Innenstadtentwicklung erschlossen werden. Der geplante Radschnellweg, der in Gleisnähe gebaut werden soll, wäre wohl eher nicht vom Ausbau betroffen. Für Hiddenhausen bedeuten die Strichzeichnungen der Bahn wohl mindestens den Neubau des Bahnhofs Schweicheln. Für die Gemeindeverwaltung waren Dezernent Andreas Homburg und Alexander Graf anwesend. Homburg wollte sich am Tag danach und nach Rücksprache mit Bürgermeister Andreas Hüffmann (SPD) aber nicht zu dem Vorstellungen der Bahn äußern. In Hiddenhausen kämpft eine Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Bahntrasse. Der Bürgermeister hat sich aber bereits skeptisch zu den Ausbauplänen der Bahn geäußert. Von Seiten der Stadt Herford war am Freitag ebenfalls keine Stellungnahme zu bekommen. Teilgenommen an dem Gespräch mit der Bahn hat Baudezernent Peter Maria Böhm.

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