Wie diese Frau Obst und Gemüse vor dem Müll rettet

Löhne. Die Single-Kiste reicht für zwei. Fünf Kilogramm Kiwi, Ananas, Limetten, Aubergine, Paprika und mehrere kleine Rote-Beete-Knollen purzeln durch den Pappkarton, den Corinna Arnhölter vorbestellt hat. Die Exteranerin ist Freitagnachmittag extra aufs Aqua-Magica-Gelände nach Löhne gefahren, um Obst und Gemüse einzukaufen. "Es ist immer spannend, was es gibt", sagt sie. Der Hauptantrieb aber zum Einkauf ist für sie ein anderer: Die frischen Waren haben kleine Fehler, sind zu krumm oder wiegen zu wenig und wären deshalb vermutlich in der Tonne gelandet - und nicht in den Verkaufsregalen der Supermärkte. Obst und Gemüse aus dem Bielefelder Großhandel bekommt ab sofort jeden Freitag auf der Aqua Magica eine zweite Chance. Und die gewährt ihnen Uta Wieneke. Die Vlothoerin rettet die Waren vor dem Müll und verkauft sie kistenweise an ihre Kunden. Wieneke ist keine Marktschreierin. Im Gegenteil. Sie führt eine Liste und hakt ab, wer seine Ware bekommen hat. Der Verkauf läuft ausgesprochen leise und diszipliniert. Die Kundinnen und Kunden haben allesamt vorbestellt, sie erscheinen der Reihe nach, um die Waren abzuholen. Am vergangenen Freitag waren es rund 30 Kunden. Die Aktion hat sich rumgesprochen. Das ging schnell, dabei steht Uta Wieneke erst zum zweiten Mal auf der Aqua Magica. Das steckt dahinter Hinter dem Verkauf steht die Firma "We Fresh" aus Bielefeld. Firmenchef und Gemüsegroßhändler Erhan Berse hat im Juli gegenüber einer Reporterin dieser Zeitung die Geschäftsidee erklärt. Unternehmenszweck ist der Handel mit Obst und Gemüse, das wegen Form, Maß oder Ähnlichem nicht mehr in den Einzelhandel gelangen soll. Berse: "Sie glauben gar nicht, was alles in der Tonne landet." Über eine Art Direktvertrieb bringt Berse die Ware an die Kunden, die angeblich fehlerhaftes Obst und Gemüse vor dem Müll retten wollen. Die Vertriebsleute vor Ort haben auch etwas davon: Sie sind nicht angestellt und bekommen auch kein Honorar. Als Verteiler der Waren erhalte sie aber im Gegenzug Rabatte, erklärt Uta Wieneke. Die Vlothoerin betreibt in Vlotho-Uffeln eine "Kräuterküche" und stellt aus dem angeblichen Fehler-Obst und Gemüse zum Beispiel Gemüsebrühe oder Gemüsechips her, die sie auf Märkten verkauft. Auf die We-Fresh-Idee ist sie über soziale Medien aufmerksam geworden. "Angefangen haben ich in unserer Garage in Vlotho-Uffeln", erzählt sie. Da wurde es aber schnell zu eng. Inzwischen bietet Wieneke an drei Tagen in der Woche Verteilstationen an: dienstags in Vlotho ab 16 Uhr, donnerstags in Porta Westfalica ab 17 Uhr und freitags auf der Aqua Magica ab 15.30 Uhr. Ihr zur Hand geht Thomas Pest, der werktags auf der Aqua Magica als Platzwart arbeitet. Nach seinem Feierabend rettet er mit Uta Wieneke Obst und Gemüse. Eine der Holzhütten auf dem ehemaligen Landesgartenschau-Gelände hat Pest für den Aktionsverkauf geöffnet. Knabbereien motivieren Kunden können grundsätzlich zwischen zwei Kistengrößen mit zwei Festpreisen wählen. Es gibt die Single-Kiste mit fünf Kilogramm Obst, Gemüse oder einer Mischung aus beidem. Und es gibt die Familienkiste mit zehn Kilogramm Ware. Dazu gibt es wöchentlich Sonderangebote. Am Freitag waren das Süßkirschen und Aprikosen. Und kistenweise Kartoffelchips. Warum ausgerechnet verpackte Knabbereien vor der Mülltonne gerettet werden müssen, ist unklar. Die Kunden jedoch freut's, weiß Uta Wieneke. Es motiviert dazu, auch in der nächsten Woche wieder Obst und Gemüse vor der Mülltonne zu retten. Die Waren bekommt allerdings nur, wer zuvor eine Bestellung aufgegeben hat. "Die Kisten werden extra für die Kunden in Bielefeld gepackt", sagt Wieneke. Das Maximum waren bisher 380 Kisten an einem Termin. Im Vergleich dazu sind die 70 Kisten am Freitag auf der Aqua Magica eher wenig. Wenige Tage vor dem Termin veröffentlicht sie auf der Aqua Magica, was in der jeweiligen Woche im Angebot ist. Zwei Tage vor dem Termin müssen die Bestellungen abgegeben werden. "We Fresh" liefert inzwischen in die ganze Region. Uta Wieneke ist eine von zahlreichen Verteilern. Die Rede ist von bis zu 36 Verteilern in ganz OWL. Da kommt einiges an Obst und Gemüse zusammen, das offenbar vor der Mülltonne gerettet wird.

Meistgelesen